Die Neckarsulmer sind am 18. September aufgerufen, ein neues Stadtoberhaupt zu wählen. Dem in Igersheim wohnenden Steffen Hertwig werden hierbei mehr als Außenseiterchancen eingeräumt.
Von unserem Redaktionsmitglied
Klaus T. Mende
Igersheim/Neckarsulm. Mittwochabend, kurz vor 19 Uhr: Zahlreiche Neckarsulmer stehen sich vor der Ballei bereits die Beine in den Leib. Als sich pünktlich die Pforten öffnen, ist's wie beim Schlussverkauf - wie auf Kommando strömen die Wartenden ins Innere, um die besten Plätze zu erhaschen.
Die Bewerbervorstellung für den Urnengang in gut einer Woche stößt auf überwältigendes Interesse. Schlussendlich sind es mehr als 1000 Bürger, die den Worten der drei Bewerber, Amtsinhaber Joachim Scholz, dem von Grünen und SPD unterstützten Steffen Hertwig sowie dem gelernten Kfz-Mechaniker Ulrich Bertok, lauschen wollen.
"Ich persönlich bin der Überzeugung, dass Steffen Hertwig weit mehr als eine Außenseiterchance hat. Ich glaube sogar, dass es eine sehr spannende Wahl wird", meint im Gespräch mit unserer Zeitung ein älteres Ehepaar. "Ich habe ihn vorher noch nicht gekannt, aber Herr Hertwig macht einen kompetenten, ruhigen und sachlichen Eindruck, nicht aufdringlich. Und das kommt an."
Alles scheint also auf ein Duell zwischen Amtsinhaber Joachim Scholz und Herausforderer Steffen Hertwig hinauszulaufen. Dies zeigt auch die Bewerbervorstellung in der voll besetzten Ballei.
Erste acht Jahre bilanziert
Den Anfang macht Joachim Scholz. Der 54-Jährige bilanziert seine ersten acht Jahre auf dem Chefsessel im Rathaus und betont, dass "sich Neckarsulm hervorragend entwickelt" habe - auf vielen Ebenen. Ob bei Bildung, Kinderbetreuung, Schule, Jugend, im Sozialen, bei Kultur, Verkehr und Sport, im Wohnungsbau oder bei Wirtschaft und Industrie - die Große Kreisstadt sei insgesamt gut aufgestellt und müsse den Vergleich mit anderen Kommunen ähnlicher Größe kaum scheuen.
Scholz bezeichnet Neckarsulm als "Stadt der stabilen Finanzen", in der es sich lohne zu leben. Man spürt, der gebürtige Stuttgarter will Akzente setzen und mit seinem Amtsbonus beim Wahlvolk punkten. Neckarsulm sei eine "familienfreundliche Stadt", ausgestattet mit hochwertigen pädagogischen Einrichtungen und die über mehr Arbeitsplätze als Einwohner verfüge.
Handlungsbedarf erkannt
Doch er, Scholz, so lässt er durchblicken, sei sich auch durchaus bewusst, dass nicht alles Gold sei, was glänze. Die Probleme um das sanierungsbedürftige Spaßbad "Aquatoll", das derzeit mit gut 2,5 Millionen Euro pro Jahr bezuschusst werde, der Ärger mit dem innerstädtischen Schwerlastverkehr, der sich täglich durch die Stadt quäle, die einbrechende Gewerbesteuer oder der Abzug der Lidl-Zentrale seien auch Dinge, die ihn nicht erfreuten und bei denen teilweise Handlungsbedarf bestehe. Unterm Strich jedoch sei das Feld, seiner Meinung nach, gut bestellt. Und er wolle auch jener Mann sein, der künftig dafür verantwortlich zeichne.
"Mich hat der Gedanke, Bürgermeister zu werden, nie losgelassen", beginnt ein sichtlich gelöster Steffen Hertwig seine Vorstellung. Sein anfänglich bruchstückhaftes Bild von Neckarsulm "ist durch bislang rund 1000 Hausbesuche klarer geworden". Für ihn sei es "Herzenssache", Oberbürgermeister zu werden. Und er traue sich dieses Amt zu. Denn, so ließ er wissen, "ich verfüge über genügend Lebens-, Berufs-, Wirtschafts- und Politikerfahrung".
Im Falle eines Wahlerfolges wolle er, der 47-Jährige, ein Stadtoberhaupt für alle Bürger sein, wobei er ausdrücklich betonte, auch für die so genannten "kleinen Probleme der Einwohner" stets ein offenes Ohr haben zu wollen. Neckarsulm benötige keinen Verwaltungsexperten an der Spitze, tat Steffen Hertwig kund. "Ich will als OB Impulsgeber, Gestalter und Manager sein, der auch dann Rückgrat zeigt, wenn der Wind mal etwas rauer weht."
Im Anschluss schaltete der Igersheimer dann mal kurz auf Angriffsmodus. Er monierte, dass es im Wirtschaftsstandort Neckarsulm aus seiner Sicht zu wenig bezahlbaren Wohnraum gebe, ebenso sei bisweilen gezögert worden, genügend Flächen auszuweisen, auf denen Unternehmen expandieren könnten. Die sich verschlechternde Finanzlage die Kommune sprach Hertwig ebenso an wie die Verkehrsprobleme, die "ich mit einem Gesamtverkehrskonzept angehen will", bei dem ausdrücklich die Firmen mit einbezogen werden sollen.
Die Innovation fördern
Er, so Steffen Hertwig, wolle die Innovation in der Stadt fördern und mit einer Politik aufwarten, bei der trotz aller Begleitumstände auch künftig Impulse gesetzt werden könnten - auf sämtlichen Gebieten. Wichtig sei ihm außerdem aktive Bürgerbeteiligung, so etwa, was die Zukunft des "Aquatolls" angehe.
Beide Bewerber, dem Dritten im Bunde, Ulrich Bertok, werden allgemein nur geringe Chancen eingeräumt, ernteten immer wieder Beifall auf offener Szene. "Der Abend hat mir sehr viel gebracht. Ich weiß jetzt, wen ich wählen werde", äußert sich abschließend ein Mittfünfziger. So wie ihm, scheint es sicher dem einen oder anderen ergangen zu sein.
Einen eindeutigen Favoriten indes hätte man selbst mit einem "Klatschometer" nicht eruieren könne. Es hätte lediglich ermittelt: Der Wahlsonntag verspricht äußerst spannend zu werden. Die Bewerber sind nach wie vor auf Stimmenfang. Dies zeigte sich auch im Foyer der Ballei, als sie sich genug Zeit nahmen, um mit den Bürgern persönlich ins Gespräch zu kommen.
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