Tauberfränkische Volkskultur

Herrschaft wollte standesgemäß wohnen

Vortrag von Wolfgang Willig über Landadel-Schlösschen mit Daten, Bildern und Geschichten

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ibra
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Oben Schloss Bartenstein mit katholischer Straße, unten das evangelische Dorf Ettenhausen, das sich im „Osterkrieg von Bartenstein“ energisch gegen Fürstenwillkür bei der Festsetzung des Osterdatums zur Wehr setzte. © Wolfgang Willig

Weikersheim. Es ist eine ganz schön farben- und wappenreiche Karte des Bundeslandes, die Wolfgang Willig dem Publikum in den Räumen des „Uhu“-Seniorentreffs zeigte: Wo heute vier Regierungsbezirke genügen, regierten um 1789 rund 300 verschiedene Herrschaften – ein unter anderem durch Erbteilung und Lehensvergaben recht wild gemusterter Flickenteppich.

Und jede Herrschaft, auch wenn sie nur ein paar Hundert Untertanen hatte, strebte danach, ihre Macht mit standesgemäßer Residenz zu zeigen - nicht wesentlich anders als heutzutage Unternehmen, die Wert auf repräsentative Zentralen samt Firmenlogo, die eine Art neuzeitlicher Ableger alter Wappentradition sind. Zu manch großem Titel – Graf, Herzog, Freiherr, Ritter – und manchem Wappen gehörte nur ein kleines Land. Teilweise hätten die Untertanenstädtchen bequem hineingepasst ins unmittelbar zum Schloss gehörende fein umhegte Areal.

Zum Vortrag eingeladen hatte der Verein Tauberfränkische Volkskultur, der in Weikersheim ehrenamtlich das Tauberländer Dorfmuseum führt. Das kennt Willig, langjähriges Vereinsmitglied sowie stellvertretender und teilweise kommissarischer Vorsitzender des Vereins, wie seine Westentasche.

„Vom Kloster zum Dorf“

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Seit 2015 widmet er sich vorrangig dem in der Kirche des ehemaligen Frauentaler Zisterzienserinnenklosters eingerichteten Museum „Vom Kloster zum Dorf“. Mit den Klöstern, Stiften und Klausen in Baden-Württemberg kennt er sich ebenso gut aus wie mit den Landadel-Schlössern und Wappen im Land. Ein kundigerer Führer zu den Landadel-Schlössern und Schlösschen in Hohenlohe-Tauber lässt sich in der Region schwerlich finden.

Ins Zentrum seines Vortrags stellte Willig die Hohenlohe-Schlösser rund um Weikersheim samt zugehöriger Wappen, Grablegen und Geschichten. Vom namensgebenden Standort Hohlach aus nahm er sein Publikum in Wort und Bild mit auf die Burg Brauneck und in die Unterkirche des ehemaligen Klosters: Hier wollten sie begraben sein, hier sollte für sie gebetet und zu ihren Ehren gefeiert werden. Die ehrenden Epitaphe gingen während der ein Jahrzehnt dauernden Verpfändung des Klosters an den Würzburger Bischof verloren.

Kuriosität

Heiratspolitik veränderte Wappen und verlängerte Titel, Erbteilungen und Lehenswechsel führten zu kaum noch entwirrbaren Verflechtungen, religiöse Differenzen und Festschreibungen sorgten für manche Kuriosität. In Bartenstein etwa, ab 1475 hohenlohisch, umgab sich die Herrschaft auf der Höhe mit katholischer Schlosskirche, katholischem Hofstaat und ebenso römisch gläubigen Dienstleistern, einer komplett katholischen Straße, dieweil weiter unten im Tal die Bevölkerung protestantisch betete.

Die Glaubensdifferenz führte 1744 zum heute nur wenig bekannten „Osterkrieg“ von Bartenstein: Fürst und Volk waren im Gefolge der Kalenderreform uneins über den richtigen Ostertermin, und das Volk widersetzte sich der Anordnung von oben energisch. Das protestantische Tal rief die Ansbachische Schutzmacht zu Hilfe, die nicht nur einmarschierte, sondern sich gar des Fürsten bemächtigte. Erst vorm Reichstag, so Willig, wurde der Streit beigelegt. Niederstetten, Laudenbach, Schrozberg: Hohenlohisch geprägt. Doch auch kleinerer Adel im Umland setzte deutliche Marken. Angesichts teilweise winziger Herrschaftsgebiete fragt man sich heute vergeblich, wie die Herren ihre Schlösser finanzierten. Waldmannshofen etwa, mit gegenwärtig rund 270 Einwohnern und nach wie vor imposantem, heute als Feuerwehrmuseum genutztem ehemaligen Wasserschloss. Wer zahlte für das Reinsbronner Geyer-Schlösschen, einen Reichsritter-Sitz im heute rund 130 Einwohner zählenden Ort? Und wer finanzierte die über Igersheim gelegene Burg Neuhaus, die als Festung und zeitweise Hexengefängnis diente?

Viel zu entdecken ist auch in und um Rothenburg: Die ehemalige Reichsstadt versteht sich als Erbe der Staufer, ihr einstiger Bürgermeister Toppler errichtete nicht nur für sich ein „Schlössschen“ im Wohnturmformat, sondern gestaltete mit der Rothenburger Landhege – zu erleben etwa am Lichteler Landturm – die Grundlage für sicheres Gedeihen des heutigen Touristenmagneten. Auf der Gamburg mit staufischem Palas-Saal und Doppelarkade, die sich heute in ein modernes Bad öffnet, entdeckte Burgherr Mallinckrodt Fresken, die den Kreuzzug von 1190 darstellen.

Adel, Bischöfe, Klöster, der Deutsche Orden, Reichsritter und die Reformation: alle hinterließen bauliche, kulturelle und spirituelle Spuren – und schlugen im Volk gewiss auch manch schmerzende Narbe.

Wolfgang Willig gelang es, kurzweilig unterhaltsam neugierig zu machen auf vielfältige Schätze, die nicht nur im Frühjahr zur näheren Erkundung verlocken. ibra

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