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Faszinierende Werke von zehn Komponistinnen

Manfred Birkhold und Hildegund Treiber präsentierten in der Stadtkirche St. Georg selten Gehörtes

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ibra
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Jede Menge Recherchearbeit ermöglichte das ausschließlich den Werken von Komponistinnen gewidmete Konzert. Die Gestaltung durch Birkhold (Bariton und Violine) und Hildegund Treiber (Piano und Orgel) ergänzte Monika Birkhold mit einem Einblick in die Lebensgeschichten der zu Unrecht oft fast in Vergessenheit geratenen Komponistinnen. © Inge Braune

Weikersheim. Sie sprudelten nur so vor Kreativität, die zehn Komponistinnen, die Manfred Birkhold (Bariton und Violine) und Hildegund Treiber (Piano und Orgel) gemeinsam mit Monika Birkhold, die ihre Lebensgeschichten vorstellte, am Wochenende in der Stadtkirche St. Georg präsentierten.

Jede Einzelne strafte den Philosophen Jean Jacques Rousseau Lügen, der 1758 behauptete, „die Weiber“ hätten „durchaus kein Genie.“ Auch gut vier Jahrzehnte nach Rousseaus Fehlurteil galt für seinen Kollegen Karl-Heinrich Heydenreich als Erzieherpflicht, „das aufstrebende Genie des Mädchens zurückzudrücken, und auf alle Weise zu verhindern, so dass es selbst die Größe seiner Anlagen nicht bemerke.“ Unglaublich? Fakt. Und das, obwohl doch bereits im Barock etwa die 1619 geborene Barbara Strozzi Élisabeth Jaquet de la Guerre (Jahrgang 1665) längst das Gegenteil bewiesen hatten.

Ihre Herkunft aus künstlerisch veranlagten Familien – Dichter hier, Organist da – ermöglichten Ausbildung und Kontakte, die beiden Veröffentlichung und Verkauf ihrer Werke ermöglichten. Stozzi – zu hören war im Konzert ihre Kammerkantate „Che si può fare?“ – galt ein Jahr vor Rousseaus Edikt ihrem Komponistenkollegen Johann Christoph Pepusch als „Erfinderin der Kantate“, und de la Guerre begründete mit ihren „Cantates françaises“ ebenfalls eine eigene Kompositionsgattung.

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Zwischen 1805 und 1821 liegen die Geburtsjahre von Fanny Hensel, (1805), Josephine Lang (1815), Clara Schumann (1819) und Emilie Mayer (1821).

Wunderkind

Die aus Berlin stammende ältere Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel, erhielt den „Handwerkssegen“ ihres berühmten Bruders erst mit 42 Jahren – nur ein Jahr vor ihrem frühen Tod.

Als Wunderkind galt die Frankfurter Theologentochter Clara Wieck, die nach dem Tod ihres Mannes Robert Schumann dessen Nachlass verwaltete. Josephine Lang, in München in eine Hofmusikerfamilie geboren, musste nach dem Tod der Mutter schon mit zwölf Jahren als Klavier- und Gesangslehrerin den Familienunterhalt mit bestreiten, und mit 34 musste die junge Witwe allein für ihre sechs Kinder sorgen – erneut durch Unterricht und die Veröffentlichung ihrer Kompositionen.

Acht Sinfonien, zehn Streichquartette, 15 Ouvertüren und zahlreiche Kammermusikwerke hinterließ die gebürtige Mecklenburgerin Emilie Mayer: bei ihrem ersten öffentlichen Konzert war sie 38 Jahre – aber da wurden auch ihre Sinfonien gespielt, was ihr als erster Frau eine Karriere als Berufskomponistin ermöglichte.

Luise Greger, Jahrgang 1861, Greifswalder Senatorentochter, komponierte bereits als Elfjährige. Zwei wunderbare Kunstlieder aus der Feder der 1944 in der psychiatrischen Anstalt Merxhausen verstorbenen Komponistin konnte das Publikum in der Stadtkirche genießen; und dann „Nocturne“ für Violine und Klavier von Lili Boulanger. Sie ist gebürtige Pariserin, Jahrgang 1893. Ihre wohl erste Komposition schuf sie mit sieben anlässlich des Todes ihres Vaters. Mit 19 Jahren war sie ganz oben: Sie war die erste Frau, die je mit dem begehrten „Prix de Rome“ ausgezeichnet wurde. Kaum fünf Jahre später verstarb sie an Morbus Crohn.

Auch Johanna Senfter – ihre wunderbare Elegie für Violine und Klavier schlossen Birkhold und Treiber dem traumhaften Nocturne an – kämpfte zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen. Die aus Oppenheim stammende Komponistin war 30, als sie 1909 mit dem Arthur-Nikisch-Preis ausgezeichnet – für die beste Komposition des Jahres.

Kaum je zu hören: Dora Pejačević, Jahrgang 1885. Ihre ersten Kompositionen gestaltete die Kroatin mit zwölf Jahren, mit 28 legte sie das überhaupt erste Klavierkonzert in der kroatischen Musikgeschichte vor; zumindest Wiener Musikgeschichte schrieb sie mit der Uraufführung ihrer 1917 entstandenen Symphonie.

Ihr Werk war das erste von einer Frau geschaffene sinfonische Werk, das in der Musikstadt erklingen durfte. Ihre vier Walzer-Capricen für Klavier, die in eigenem Duktus bis an die Grenzen der Genre-Destruktion führten, ließen das Publikum ebenso aufmerken wie die Kunstlied-Vertonung „Sicheres Merkmal“ der Lyrikerin Wilhelmine Gräfin von Wickenburg-Almasy.

Mit ihrer Spuren- und Schatzsuche bescherten Manfred und Monika Birkhold und Hildegund Treiber den Gästen einen gänzlich runden, inspirierenden und informativen Musikabend, dem noch ein sehr viel größeres Publikum zu wünschen gewesen wäre. ibra

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