Fest am 13. September

Bullerbü in Neubronn: Wo Kinder die Natur entdecken

Zehn Jahre Kindertagespflege „Naturentdecker“ im Weikersheimer Ortsteil: Kinder lernen, spielen, staunen – und finden Geborgenheit fast wie in einer Familie.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Blick in die Räumlichkeiten der Kindertagespflege "Naturentdecker": Frühs gibt‘s immer eine gemeinsame Obstpause. © Michael Weber-Schwarz

Neubronn. Möglichst wie in einer Familie aufwachsen. Draußen alles erkunden, buddeln und gärtnern, den Wind, die Sonne und im Winter den Schnee im Gesicht. Und wenn mal die Windel gewechselt werden muss, dann gibt’s einen großen, warmen Raum. Und natürlich Schlafplätze und jede Menge Spielzeug.

Was sich anhört wie ein kleines Idyll: diesen geschützten Raum mit direktem Anschluss an die Natur gibt es wirklich. Seit zehn Jahren „bewirtschaften“ Annegret Hein und Nicole Stier dieses Bullerbü im Weikersheimer Ortsteil Neubronn, gleich neben dem Freibad und im gleichen Gebäude wie der städtische Kindergarten.

Ihre kleinen Schützlinge (ab einem Lebensjahr bis zur Kindergartenzeit) werden von den Eltern gebracht und wieder abgeholt wie in einem normalen Kindergarten. Doch die Einrichtung nennt sich „Kindertagespflege Naturentdecker“, die Betreiberinnen sind qualifizierte Tagesmütter. Sie arbeiten allerdings nicht wie üblich in den eigenen Wohnräumen, sondern eben unterm Dach des Kindergartens.

Jeden Tag im Dorf und auf der Flur unterwegs

Heute ein Erfolgsmodell, aber vor zehn Jahren sah alles noch nach einer Zentralisierung von Betreuungsangeboten in Richtung Kernstadt Weikersheim aus. Dass die Kinderbetreuung im 250-Seelen-Dorf geblieben ist, bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, Eigeninitiative und Hartnäckigkeit. Mittlerweile ist das Vorhandensein der Tagespflege ein gewichtiges Argument für die Zukunftsfähigkeit von Neubronn. Denn: Wo man Kinder und Beruf ohne Zäsur unter einen Hut bringen kann, da baut und lebt man auch gerne.

„Wir leben unser Konzept“, hält Annegret Hein fest. Die kleinen Naturentdecker sind mit ihren Pflegemüttern unterwegs, sind draußen, erleben das ganze Dorf, den Wechsel der Jahreszeiten, die Landwirtschaft samt ihren vielfältigen Anforderungen, das Wachsen und Gedeihen von Bäumen, Blumen, Feldfrüchten. „Die Kinder wissen, wie man eigene Kartoffeln anbauen kann und wie man daraus Pommes macht. Und dass man dafür arbeiten muss.“

Zwei verlässliche erwachsene Bezugspersonen, lange, auf das Kind abgestimmte Eingewöhnungsphasen: Jeden Wochentag zwischen 7.30 und 14 Uhr und an zwei Nachmittagen können die Kinder kommen. Weil alles rund läuft und sich das auch längst herumgesprochen hat, gibt’s keine Nachwuchssorgen. Bis 2026 sei man mit Warteliste ausgebucht, die Tagespflege ist auf zehn Kinder limitiert. Auch „Randzeitbetreuung“ für Ältere ist möglich, etwa, wenn Eltern eine zeitliche Lücke nach dem Betreuungsende der Kindergärten schließen müssen.

Zu Fuß – oder zur Not mit dem „Kindertaxi“

Es regnet, drei Kinder stapeln einen Turm aus bunten Ringen auf. Ein kleines Mädchen hat sich mit einem Bauarbeiterhelm ausgestattet und ist mit einer ziemlich echt aussehenden Spielzeug-Motorsäge zum hölzernen „Schiff“ unterwegs. Alles erstmal drinnen, doch schon wird gefragt, ob man nicht ins Freie könnte. Um in den Pfützen herumzupatschen. Klar, dazu müssen alle regenfest angezogen werden, aber das ist kein Problem. Und falls sich doch eines bei längeren Fußmärschen ergeben könnte: Es gibt ein großes, schiebbares „Kindertaxi“, in dem mehrere Kinder gleichzeitig transportiert werden können.

Annegret Hein und Nicole Stier betreiben ihren Kindergarten im Miniaturformat samt Verwaltung eigenständig. Ein Förderverein stützt die Einrichtung und sorgt bedarfsweise auch für Organisatorisches oder technisch Notwendiges wie einen Mikrowellenherd. Nach den Corona-Einschränkungen hat sich das tägliche Herstellen, beziehungsweise das Bringen von Mittagessen aus der Weikersheimer Schul-Cafeteria, als zu kompliziert erwiesen. Heute bringen die Eltern die Essensportionen für ihren Nachwuchs einfach mit und die Speisen werden vor Ort erwärmt.

Bevölkerung setzte sich für den Erhalt ein

Hervorgegangen sind die „Naturentdecker“ übrigens aus einer „Zukunftswerkstatt Neubronn/Oberndorf“ und dem Kindergarten-Förderverein. Beides entstand aus einer gewissen Notlage heraus: Um das Jahr 2015 herum drohte dem Kindergarten Neubronn nämlich die Schließung. Zu wenige Kinder und ein großes, von der Kommune zu unterhaltendes Gebäude. Man musste sich im Ort Gedanken machen, wie man es neu beleben könnte. Mit viel ehrenamtlichem Einsatz aus der Dorfbevölkerung heraus und mit Hilfe örtlicher Unternehmen wurde damals das Projekt Kindertagespflege angepackt und erfolgreich umgesetzt.

Sogar ein eigenes Kinderschutzkonzept gibt es heute für die „Naturentdecker“. Viele Stunden Arbeit stecken in dem wichtigen Papier – für das die beiden Tagesmütter sich fortbilden mussten, aber keinen Freizeitausgleich erhalten; sie sind selbstständig. Trotzdem wird das Konzept von Ämterseite für die Fortschreibung der Pflegeerlaubnis gefordert. Krankwerden ist auch „schlecht“, denn es gibt aktuell keine Vertretung. Die wird derzeit dringend zum „Eingewöhnen“ gesucht, denn bevor es zu einem echten Vertretungseinsatz kommen kann, müssen die Kinder eine neue Person erst einmal langsam kennenlernen.

Buntes Fest zum runden Geburtstag

Woher kommen die Kinder? Vor allem aus dem Raum Weikersheim, Creglingen und Niederstetten, oft orientiert an den Berufs-Fahrwegen und Arbeitsplätzen von Eltern. Rund 90 Kinder sind in den vergangenen zehn Jahren betreut worden, haben Heimat auf Zeit in Neubronn gefunden. An den Wänden hängt eine lange Raupe mit den Fotos sämtlicher Schützlinge seit Anbeginn. Und wer einmal Naturentdecker war, der bleibt es auch, so scheint es. Für das Fest zum runden Geburtstag der Einrichtung am Samstag, 13. September kehren einige Ehemalige, heute 12- bis 14-jährig, zurück. „Sie zeigen bei einer Talentshow in Vorführungen etwas aus ihren Hobbys: Musik, Tanz, Rope Skipping“, erklärt Annegret Hein.

Eigentlich sei es ein „Danke-Fest“ für alle, die die Naturentdecker über die Jahre begleitet und unterstützt haben: die Eltern, der Förderverein des Kindergartens, Bürgermeister Nick Schuppert und die Fachfrau für Kindergärten und Schulen im Rathaus Esther Hereth, ja das ganze Dorf Neubronn, das seine Türen stets für die Kinder öffne, wenn’s um Einblicke und neue Erfahrungsräume geht. „Für unsere Anliegen finden wir eigentlich immer ein offenes Ohr“, sagt Hein dankbar. „Es ist mit allen eine sehr gute Zusammenarbeit.“

Die bewirteten Feierlichkeiten finden am 13. September in der Zeit von 14 bis 18 Uhr im Kindergartengebäude in Neubronn statt. Clown „Muck“ wird zu einer Mitmach-Show einladen, es gibt eine Tombola, eine Spielstraße und schließlich ein gemeinsames Grillen. Und nach dem Fest? Da werden sich die Naturentdecker mit ihren Pflegemüttern wieder täglich im und ums Dorf auf die kleinen Socken machen. Bauern auf ihren Höfen besuchen, Senioren kennenlernen, Äpfel und Zwetschgen sammeln und konservieren, über die Produkte örtlicher Firmen staunen - oder bei warmem Wetter einfach das örtliche Freibad erkunden.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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