Bad Mergentheim. „Als der Kater zu uns kam, war er sehr menschenscheu, er hat sich nicht streicheln lassen“, beschreibt Elisabeth Trost die Anfänge der ungewöhnlichen „Patenschaft“. Mitte Mai begann diese mit einem streunenden Kater, der mit „kläglichen Schreien“ in der Marienburger Straße um Hilfe suchte.
Kater wird zum allabendlichen Besucher
Ein dort lebendes Ehepaar hegt ohnehin schon länger den Wunsch nach einer Katze und beginnt, das Tier zu füttern. Das ist im doppelten Sinne ein „gefundenes Fressen“ für den Kater, der nun jeden Abend den Weg in die Sackgasse unweit des Caritas-Krankenhauses findet. Doch blieb es nicht nur bei dem älteren Ehepaar, mit der Zeit besuchte der kleine Streuner auch die umliegenden Familien und benutzte deren Gartenmöbel als willkommenen Schlafplatz.
So kamen die Nachbarn ins Gespräch, was denn mit dem vierbeinigen „Zuzug“ zu tun sei. Um Ärger zu vermeiden und Sicherheit zu haben, wurden mithilfe des Tierheims und Social Media Bilder des Tieres veröffentlicht, auf die sich ein möglicher Besitzer dann melden konnte. Doch entsprechende Rückmeldungen blieben über mehrere Wochen aus, der Streuner ist also mit höchster Wahrscheinlichkeit herrenlos.
Was nun tun? Die Nachbarschaft berät sich. Man hat einen guten, freundschaftlichen Draht zueinander, der in Corona-Zeiten mit gemeinsamem Singen seinen Anfang nahm.
Gemeinschaftliche Lösung in Sachen „Vierbeiner“
Und so kommt man auch in Sachen Vierbeiner zu einer gemeinschaftlichen Lösung, insgesamt 13 Paten entschlossen sich zu einer Adoption des liebgewonnenen Katers. Zusammen übernehmen sie die Kosten für Kastration, Registrierung und Impfungen beim Tierarzt, so verteilen sich die Gelder auf mehrere Schultern. Hier kommt auch das Alter von „Strolchi“, wie das Tier nun genannt wird, ans Licht: Die Veterinärin schätzt ihn auf ein dreiviertel Jahr.
Trotz seines noch jungen Alters schien das Tier schon schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht zu haben. Zwar ließ er sich füttern, wahrte jedoch ansonsten ängstlich Abstand zu Menschen. Mit der Zeit taut das Tier in der zunehmend vertrauten Umgebung auf und lässt sich auch streicheln. „Während er anfangs manchmal noch etwas grob mit seinen Krallen war, lässt er sich mittlerweile sogar am Bauch kraulen“, erzählt Christine Appel, die ebenfalls an der Gemeinschaftsaktion beteiligt ist, im FN-Gespräch begeistert. Appel liegt es besonders am Herzen, neben der täglichen Pflege auf den Aspekt des Tierwohls einzugehen. „Es war uns wichtig, Verantwortung zu zeigen, nicht nur in seiner Versorgung, sondern auch durch die Kastration. Hier beginnt Tierschutz“, erklärt sie. Auch habe man alles Mögliche getan, um einen möglichen Besitzer ausfindig zu machen und sich nicht einfach so des Vierbeiners angenommen.
Koordination über Whatsapp
Neben den medizinischen Aspekten geht es nun vor allem darum, den Hunger des täglichen Besuchers zu stillen. In einer Whatsapp-Gruppe koordinieren sich die Nachbarn, Besuche des Tiers werden gemeldet, so dass sich keiner Sorgen um das Wohlergehen der Katze machen muss, wenn er es mal einen Tag nicht selbst gesehen hat. Neben der Fütterung gibt es nun auch eine Menge Streicheleinheiten für „Strolchi“, der ansonsten immer noch viel unterwegs ist und stets dann den Weg in die Marienburger Straße findet, wenn er Hunger hat.
Doch nicht nur ein sichtlich glücklicher Kater geht aus der ungewöhnlichen „Adoptionsgeschichte“ hervor. „Dieser kleine Kater hat es geschafft, uns Nachbarn wieder und noch enger zu verbinden, er bereitet uns sehr viel Freude“, erklären Elisabeth Trost und Christine Appel stellvertretend für die tierliebe Nachbarschaft.
Was schon zu Corona auflebte, ein Sinn für Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung, wurde durch die Katze nun wiederbelebt und verstärkt. „Es ist einfach eine gute und familiäre Nachbarschaft. Durch den Streuner hat man wieder einen Anlass, sich öfter auszutauschen, und das merkt man auch in anderen Bereichen. Wir können zum Beispiel auch alle beruhigt in den Urlaub fahren, weil sich problemlos eine Urlaubsvertretung für Haus und Garten findet“, beschreibt Christine Appel die positiven Auswirkungen der Katzenpatenschaft.
„Wir möchten mit dieser Geschichte ermutigen, vielleicht über eine Aufnahme einer Katze aus dem Tierheim nachzudenken oder an den Tierschutzverein und das Tierheim zu spenden, auch ein kleiner Beitrag kann Großes bewirken“, beschreibt sie die Motivation, mit der sie die Fränkischen Nachrichten kontaktierte. Die jüngsten Berichte über die angespannte Lage im Tierheim treiben die Tierfreundin sichtlich um.
Was „Strolchi“ betrifft, scheint er den Sprung in ein gutes und behütetes Leben geschafft zu haben. So macht sich die Gemeinschaft schon jetzt Gedanken darum, wie man dem liebgewonnenen Vierbeiner auch im Winter angenehme Schlafmöglichkeiten zur Verfügung stellen kann. Die Lösung liegt hier wahrscheinlich – wie schon öfter – in der guten Gemeinschaft.
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