Walldürn. Walldürn. Die Waldbegehung des Walldürner Gemeinderats führte die Teilnehmer zunächst in den Distrikt 1/35 im Großen Wald. Dort zeigte Forstbetriebsleiter René Maxeiner anhand einer vor sechs Jahren angelegten Kulturfläche auf, wie sich der Waldumbau gestalten lässt.
Der Forst hatte hier vor allem Douglasien und etwas Fichte gepflanzt. Durch Naturverjüngung zeigen sich in dem 0,5 Hektar großen Areal heute aber eine Vielzahl von Mischbaumarten, wie Eiche, Kiefer, Hainbuche, Buche und Birke. „„Es ist wichtig, die Baumarten zu fördern, die langfristig im Klimawandel am vielversprechendsten sind, wie zum Beispiel die Eiche, die Douglasie oder die Hainbuche. Dafür ist eine intensive Steuerung durch die Forstwirte oder Unternehmer nötig,“ erklärte Revierleiter Ulrich Kipple.
Kein Baum ein „Wundermittel“
Bei der derzeitigen Klimalage sei in unseren Breiten kein Baum ein „Wundermittel“. „Es klappt nur mit einer Baumartenmischung, wie sie auch im Stadtwald Walldürn mit seiner Baumartenpalette gegeben ist“, fuhr er fort.
Das zweite Waldbild zeigte den interessierten Teilnehmern Stillgewässer im Wald auf. Diese Biotope wurden von Revierförstern einst künstlich angelegt und verlanden mit der Zeit. Im Herbst 2018 erfolgte die Entschlammung von sämtlichen acht Biotopen auf der Gemarkung Glashofen mit dem Ziel, schützenswerte Tierarten (Amphibien, Libellen) und besondere Pflanzengesellschaften (Röhrichte, Großseggenriede, Tauch- und Schwimmblattvegetation) zu erhalten. Im Spätsommer/Frühherbst werden nicht zu flache, maximal bis 1,5 Meter tiefe Biotope angelegt, wobei auf die Besonnung, den Baumbewuchs und die Beschattung zu achten ist. Eine ständige Pflege ist nötig. „Naturschutz ist Arbeit“, so René Maxeiner. „Durch diese ökologischen Lebensbereiche wird der Wald bereichert, sie sind Bestandteil der Nahrungskette, inklusive einer natürlichen Schädlingseindämmung und die Artenvielfalt wird gefördert“, hob der Fachmann hervor. Auch für wildlebende Tierarten wie zum Beispiel dem Rehwild dienten sie bei Trockenheit als Schöpfstelle. „Naturschutz ist seit jeher Teil der täglichen Arbeit eines Försters. Dabei hilft die örtliche Erfahrung, um Naturschutzprojekte langfristig im Auge zu behalten und die Biodiversität gezielt zu fördern“, führte Revierleiter Thomas Riemer aus.
Bei einem Zwischenstopp zeigte Thomas Riemer im Kontext zur Thematik Waldschäden auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern ein aktuelles Beispiel der zurzeit großen Schäden durch den Borkenkäfer auf, da die Trockenheit der Fichte extrem zu schaffen macht und der Käfer dadurch ein leichtes Spiel hat. Aktuell besteht im Stadtwald ein hoher Aufwand beim Aufarbeiten der geschädigten Flächen und auch die Holzabfuhr gestaltet sich schwierig, da aufgrund niedriger Nachfrage viele Sägewerke ihre Kapazitäten heruntergefahren haben. Auch die Buchenbestände weisen deutliche Trockenschäden auf, teilweise sterben ganze Bestände ab.
Das dritte Thema an diesem Tag befasste sich mit der Jagd und der Bedeutung artenreicher Mischwälder im Klimawandel. Auf Gemarkung Glashofen wurde an einer in den 1990er Jahren mit einem „Weiserzaun“ eingezäunten Fläche die Waldentwicklung im Vergleich zu benachbarten Verbissflächen aufgezeigt. Ein Weiserzaun ist ein kleiner Zaun – zum Beispiel zehn auf zehn Meter –, der in Bereichen aufgebaut wird, in der die Verjüngung aus jungen Bäumchen zu wachsen beginnt. Auf der gezäunten Fläche wurde gezeigt, welche Anzahl von verschiedenen Baumarten möglich ist und wie hoch die Bäume werden können, ohne dass sie vom Wild angeknabbert werden.
In vielen Bereichen wird die Verjüngung außerhalb des Zaunes vom Wild jedoch kurzgehalten und es entwickelt sich im Zaun eine ungestört wachsende Verjüngung, häufig auch mit einer Vielzahl an Baumarten. „Weiserzäune sind aus meiner Sicht ein guter Indikator, um den Wildverbiss zu beurteilen“, so René Maxeiner. In den gemischten Beständen in vielen Wäldern der Region liege ein sehr großes Verjüngungspotenzial. „Wir haben häufig in den Beständen vier bis fünf Baumarten, davon kommt aber häufig nur die Buche in der Verjüngungsschicht an“, ergänzte Revierleiter Stefan Michel. „Natürlich verjüngte Bäumchen haben eine gesunde Wurzel“, erklärte er weiter. Und gesunde Wurzeln würden immer wichtiger, wenn das Wasser im Wald knapp werde. Die Steuerung des Lichtes, das auf dem Boden ankommt, sei von entscheidender Bedeutung. Das könne durch den Förster reguliert werden oder es passiert, wenn einzelne Bäume absterben. Das zweite entscheidende Kriterium sei eine intensive Jagd auf Rehwild, vor allem an Verjüngungsschwerpunkten. „Eine gute Zusammenarbeit mit den Jägern vor Ort ist sehr wichtig. Es kann nur gemeinsam gelingen, den Wald klimastabil zu entwickeln. Hierfür braucht es Austausch und das gemeinsame Ziel vor Augen“, führte der Fortsbetriebsleiter aus.
Kreisjägermeister Roland Braun weist aus Sicht der Jägerschaft darauf hin, dass auch Ruhephasen für das Wild erforderlich sind. Wenngleich das Betreten des Waldes gemäß Bundeswaldgesetz für Jedermann gestattet ist, nehmen die „Störungen“ des Wilds neben den forstlichen Aktivitäten und den „Hölzlesmachern“ durch Jogger, Geocaching, Mountainbiker immer mehr zu.
Nach der Natur ging es für das Gremium weiter mit Kultur. Treffpunkt hierzu war im Odenwälder Freilandmuseum in Woltersdorf das Bauernhaus aus Alefeld. Das Gebäude aus dem Jahr 1698, das bereits 1987 ins Museum transloziert wurde und seitdem im Rohbauzustand war, konnte in den letzten drei Jahren aufgrund einer Sonderförderung durch das Land Baden-Württemberg (65 Prozent), die Stadt Walldürn (20 Prozent) und dem Neckar-Odenwald-Kreis (15 Prozent) weitgehend fertiggestellt werden.
Museumsleiterin Margareta Sauer informierte die Stadträte, dass das das im Bauland übliche Erbrecht die gleichmäßige sächliche Aufteilung des Besitzes unter alle direkten Nachfahren bestimmte. Dies führte zu einer immer stärkeren Parzellierung der Anbauflächen von Generation zu Generation. Häufig waren davon auch, wie im Fall des Bauernhauses aus Allfeld, die Wohn- und Nebengebäude betroffen, die mehreren Eigentümern mit unterschiedlichen Nutzungsrechten gehören konnten. Nach weiteren Erläuterungen zur Historie des Gebäudes und den erfolgten Restaurierungsmaßnahmen mit rund einer Million Euro Kosten bestand für die Teilnehmer die Möglichkeit der Besichtigung. Die Fertigstellung der Maßnahme wird im August erfolgen, danach wird das Haus mit den zeitgemäßen Einrichtungsgegenständen versehen und den Museumsbesuchern zugänglich bemacht. Das stattliche Fachwerkhaus wird im Museumsareal einen weiteren Anziehungspunkt darstellen, so Vorsitzender Markus Günther.
Forstergebnis dargestellt.
Im Anschluss erfolgte in der Dreschhalle Bürgstadt im Odenwälder Freilandmuseum eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats. Nach einem Resümee des informativen Nachmittags durch Bürgermeister Markus Günther stellte Forstbetriebsleiter Maxeiner das Forstergebnis des Jahres 2022 vor. Geplant war ein Plus von 114 000 Euro, im Ergebnis konnten durch gute Holzerlöse rund 330 000 Euro Überschuss erreicht werden. Der Holzeinschlag belief sich auf 19 700 Festmeter und lag damit nur leicht über der Planzahl in der Forsteinrichtung mit 19 000 Festmetern.
„Das Jahr 2023 verläuft bislang weitgehend planmäßig, wenngleich der schwankende Holzmarkt derzeit Sorgen macht“, verdeutlichte der Forstbetriebsleiter. Esther von Röhl, die seit Juli 2023 die Leitung der Forstlichen Vereinigung Odenwald-Bauland (FVOB) und damit federführend den Holzverkauf für den städtischen Wald übernommen hat, stellte sich dem Gremium vor und berichtete zur Holzmarktlage, dass die im ersten Halbjahr 2023 noch starke Nachfrage derzeit sinke. Für Schadholzabnahme konnten noch Vorverträge abgeschlossen werden, derzeit sei jedoch ein wöchentlicher Preisverfall zu beobachten. Ihr Rat laute daher, sich beim planmäßigen Holzhieb momentan zurückzuhalten und den Markt zu beobachten.
Beim letzten Tagesordnungspunkt informierte Rene Maxeiner über ein beabsichtigtes Biodiversitätsmonitoring der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg im Walldürner Stadtwald im Gebiet Auerberg. Dort werden auf einer Fläche von 50 auf 50 Meter verschiedene Tiergruppen (Bodenfauna, Insekten, Fledermäuse) und biodiversitätsrelevante Waldstrukturen flächendeckend erfasst. Das Monitoringgebiet wurde mit den Jagdpächtern abgestimmt.
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