Walldürn. Im Grunde kennt man Pfarrer Karl Kreß ausschließlich als freundlichen, zuvorkommenden und fröhlichen Menschen. Doch als er sich am Dienstag mit den FN in „seiner“ Kirche in der Walldürner Schachleiterstraße traf, merkt man ihm deutlich an, dass er erzürnt ist. Er spricht über die Schäden, die einer oder mehrere Täter während der vergangenen Woche dort angerichtet haben. Er zeigt das aufgebrochene Spendenkäschen, weist auf die widerrechtlich angezündete Osterkerze hin und deutet auf das von weitem bereits erkennbar angekokelte Geschlechtsteil der Christusfigur. Neben dem beträchtlichen finanziellen Schaden, vor allem an der Figur des Bildhauers Rainer Englert, ist Pfarrer Kreß der spirituelle Schaden kein Geringerer: „Das trifft den Glauben unserer Kirchengemeinde, weil es eine Schändung des Altarraums ist.“ Nicht-Geistlichen ist es in evangelischen Kirchen im Normalfall untersagt, den Altarraum zu betreten.
Der Seelsorger erzählt, wie man auf die Schäden aufmerksam wurde: „Als meine Frau, die die Verantwortung für die geöffnete Kirche übernommen hat, am Sonntag, 9. Juni, zwischen 20 Uhr und 21 Uhr die Kirche geschlossen hat, stellte sie fest, dass die Osterkerze brannte. Sie kam auf mich zu und fragte, ob die vormittags nicht ausgemacht wurde. Da ich aber regelmäßig nach dem Gottesdienst nochmals nachschaue, konnte ich bestätigen, dass sie nach dem Gottesdienst gelöscht worden war. Hätten sie seit dem Vormittag gebrannt, hätten sie auch weiter heruntergebrannt sein müssen. Folglich müssen sie im Laufe des Nachmittags entzündet worden sein.“ Drei Tage später wurde beim Schließen der Kirche festgestellt, dass das angedeutete Geschlechtsteil der Christusfigur im Altarraum angeschwärzt ist. Bei näherem Hinsehen stellte man fest, dass dieser Schaden durch Feuer, eventuell Streichhölzer oder eine Kerze verursacht wurde. Nach einem weiteren Kontrollgang wurden noch der Diebstahl und die massive Beschädigung der Spendenkasse im hinteren Teil der Kirche festgestellt. In ihr, so schätzt Kreß, waren etwa 50 Euro.
Das war zu viel. Pfarrer Kreß zeigte die Taten bei der Polizei an. Von dort hieß es auf FN-Anfrage: „Die Ermittlungen laufen, gestalten sich aber auch schwierig, weil es keine Videoüberwachung gibt“, sagte Annika Schulz von der Pressestelle in Heilbronn. Eventuell werden man in den nächsten Tagen einen Zeugenaufruf starten.
Das Thema Videoüberwachung, um potenzielle Täter abzuschrecken, ist für Karl Kreß ein hoch sensibles. „Ich werde hier nie eine Kamera reinhängen“, sagt er entschlossen und begründet diese Haltung so: „Eine Videokamera widerspricht meinem seelsorgerischen Grundverständnis. Hier kommen so viele Menschen her. Die beten und wollen für sich sein oder ich führe ein Beichtgespräch mit ihnen. Da kann ich keine Videoüberwachung machen“, sagt er und fügt an: „Meine Kirche ist offen und soll es auch bleiben, weil dort so viele Menschen Trost und Hilfe finden.“ Dieser Meinung ist auch der evangelische Kirchengemeinderat: „Das sind keine Bagatellen. Bei beiden Delikten handelt es sich um Straftaten. Seit Jahren ist es uns ein Anliegen, den Kirchenraum als offene Kirche für Besucher anbieten zu können. Etliche Menschen suchen dort einen Raum zur Begegnung mit Gott – zum Atemholen, um neue Impulse zu bekommen und einfach im Alltag innezuhalten oder Trost zu finden. Wir möchten, dass dies weiterhin möglich ist“, sagt Verena Kern aus diesem Gremium. Apropos Beichte. Hier ist Karl Kreß ganz Pfarrer. In Richtung Täter sagt er: „Wenn sie sich melden, würde ich ihnen jederzeit verzeihen.“
Der Künstler kommt
Inzwischen wurde der Künstler der Christusfigur informiert. Rainer Englert hat sie 1987 erschaffen. Die evangelische Kirchgemeinde hat sie im selben Jahr für 47 000 D-Mark erworben. Er möchte nun vorbeikommen und die Schäden an seinem Kunstwerk beheben. Ausschließlich er besitzt das künstlerische Urheberrecht. „Da kann man nicht einfach mit etwas Schmirgelpapier daran herumarbeiten“, erklärt Kreß. Er möchte, und das macht er explizit noch einmal deutlich, das Entzünden der Osterkerze nicht einfach so abtun. „Wenn das keiner merkt, entsteht eine erhebliche Brandgefahr für das gesamte Gebäude.“ Kreß beziffert diesen Wert auf zwischen zwei und drei Millionen Euro.
Wie gesagt: Pfarrer Kreß ist ein freundlicher, zuvorkommender und fröhlicher Mensch, und möchte „die Sache“ auch nicht größer machen als sie ist, „aber das ist ein ,No Go’. Zudem möchte er mit seinen Aussagen mit dazu beitragen, dass in der Bevölkerung, in der das Thema nun langsam seine Runde macht, die Taten klar benannt sind und keine Gerüchte entstehen. Im tiefsten Inneren hofft Karl Kreß, dass sich die Täter melden – und er ihnen dann verzeihen kann.
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