Walldürn/Buchen. Nahezu explodiert sind die Preise für Strom und Gas zuletzt. Und die Eskalation der Lage in der Ukraine wird sich unaufhaltsam auf die ohnehin schon stark gestiegenen Energiepreise auswirken. Das bekommen auch die Kunden der Stadtwerke Walldürn und Buchen zu spüren.
„Dramatisch verschärft“
Tobias Hagenmeyer verantwortet als Geschäftsführer der Stadtwerke das Energiegeschäft in Walldürn, Andreas Stein in Buchen. Beide stellen sich auf deutliche Preiserhöhungen im Herbst ein und sorgen sich um die Akzeptanz der Verbraucher: „Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die bereits Mitte 2021 beginnende angespannte Lage auf den Rohstoff- und Energiemärkten dramatisch verschärft“, verdeutlicht Tobias Hagenmeyer und sieht eine grundlegende Änderung der bisherigen Zusammenarbeit und der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Deutschlands mit Russland. Dies werde mit hohen Kosten verbunden sein, denn auch andere Länder werden sich um die begrenzten Alternativen bemühen. „Diese Krise hat das Potenzial, eine Weltwirtschaftskrise zu verursachen“, vermutet er weiter.
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Sein Buchener Kollege Andreas Stein geht sogar noch einen Schritt weiter: „Aufgrund der historisch noch nie dagewesenen Situation von Sanktionen und zu erwartenden Gegensanktionen sind keine Prognosen möglich“, erklärt er. Die Auswirkung auf den Energiemärkten werde von den Entscheidungen in Brüssel, Washington, Berlin, Moskau und Peking bestimmt, so Stein.
Im „worst-case“ könne es zu Lieferausfällen und durch Insolvenzen von Vorlieferanten zu weiteren Verwerfungen auf den Energiemärkten kommen.
Die Nachfrage nach Strom sei in den zurückliegenden Monaten deutlich gestiegen. Verschärft werde das Problem, weil im Winter meist weniger Strom aus erneuerbaren Energiequellen komme. „Stattdessen müssen immer wieder Kohle- und Gaskraftwerke angeschaltet werden, um kurzfristig Lücken in der Stromproduktion zu füllen“, erklärt Tobias Hagenmeyer. Die Stromproduktion sei vor allem mit Erdgas als Rohstoff aber deutlich teurer.
Das liege einerseits am Prozess der Stromproduktion selbst: Gas wird verbrannt, das Gemisch beziehungsweise sein Dampf, treiben eine Turbine an, die an einen Stromgenerator gekoppelt ist – das sei aufwendig. Andererseits habe auch der Rohstoff Erdgas seit Monaten im Preis sehr stark angezogen, und der Krieg lasse die Gaspreise zusätzlich in nie gekannte Höhen schießen.
Außerdem habe Russland seine in Deutschland betriebenen Gasspeicher deutlich weniger bis gar nicht gefüllt. „Diese vorliegende Knappheit und die große Unsicherheit führt auf den Märkten zu Turbulenzen und zu einer nie gekannten Preissteigerung“, verdeutlicht Hagenmeyer und Andreas Stein ergänzt: „Die Preise an den Energiemärkten verzeichnen ein Allzeithoch.“
Als Betreiber von kritischer Infrastruktur habe man immer Notfallpläne, nach welchen die Stadtwerke im Einzelfall handeln, verdeutlicht er weiter.
„Hier sprechen wir von einer nationalen Krisensituation. Im Falle einer Versorgungsknappheit oder gar eines flächendeckenden Versorgungsausfalls würde über die zuständigen Ministerien in Berlin die jeweilige Krisenstufe ausgerufen werden. Stand heute ist davon auszugehen, dass wir unsere Kunden wie gewohnt versorgen können“, beruhigt Tobias Hagenmeyer die Verbraucher und Andreas Stein ergänzt: „Bei den Abschaltplänen haben die Haushaltskunden und die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen einen besonderen gesetzlichen Schutz.“
Prognosen darüber, ob sich Preise verdoppeln oder verdreifachen, wollen beide Geschäftsführer nicht abgeben. „Die gestiegenen Preise an den Tankstellen sind nur die Vorboten von dem, was bei Strom und Gas noch folgen wird. Darauf haben wird als Versorgungsunternehmen keinen Einfluss, sondern dies ist den Entwicklungen an den globalen Energiemärkten geschuldet, an welchen wir einkaufen müssen“, zeigt Tobias Hagenmeyer auf. Und auch Andreas Stein unterstreicht: „Aufgrund der weltpolitischen Lage hängen Prognosen von verschiedenen Szenarien ab, die wir nicht beeinflussen können.“ Bei der EEG-Umlage wird gefordert, die wegfallenden 3,7 Cent vollständig an die Verbraucher weiterzureichen. Das werden beide Geschäftsführer tun. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet.
Dieser Wegfall wird aber kaum reichen, um die Verbraucher in Sachen Energie vor einem Trauma zu bewahren. „Unsere Verbände, wie der Verband kommunaler Unternehmen VKU sind deshalb in ständigem Kontakt mit der Bundesregierung. Weitere Senkungen von Abgaben sind dringend erforderlich, um kommende erhebliche Energiepreissteigerungen zu dämpfen“, bringt es Andreas Stein auf den Punkt.
Tobias Hagenmeyer sieht es ähnlich: „Wir müssen uns gesellschaftlich darauf einstellen, dass wir ab dem Winter 2022/23 für Gas und Strom historisch nie gekannte Preise bezahlen müssen.“ Nur die Politik könne über Entlastungsmöglichkeiten das drohende „Energie-Trauma“ bei den Endkunden begrenzen, indem sie etwa eine Senkung der Mehrwertsteuer, der Stromsteuer oder sonstige Energiekostenzuschüsse in Erwägung ziehe. Ob die Energiepreise zu einer neuen sozialen Frage werden? „Nicht nur allein die Energiepreise, sondern auch die steigenden Lebensmittelpreise und eine resultierende Wirtschaftskrise als Folge der Energiepreise können zu sozialen Problemen führen“, vermutet Andreas Stein. Auch sein Kollege aus Walldürn sieht es so. Die gegenwärtige Situation könne in der Tat dazu führen, dass die Energiepreise eine soziale und gesellschaftliche Herausforderung werden. „Persönlich mache ich mir große Sorgen um unsere heimischen Industriekunden und um unsere Haushaltskunden“, gibt Hagenmeyer unumwunden zu. Tatsächlich wird diese Situation aber auch von vielen als die „Stunde der grünen Energie“ gesehen. In der Tat, so meint Hagenmeyer , werde der Krieg diese Transformation in ihrer Umsetzungsgeschwindigkeit „voraussichtlich deutlich beschleunigen“. Persönlich halte er es für richtig. „Ob der dafür definierte Weg und die jeweiligen Umsetzungsschritte immer die richtigen sind, darüber kann man sicher diskutieren. Wir als lokales Stadtwerk werden unseren Beitrag dazu leisten“, so sein Versprechen.
Ruhe zu bewahren und Panik und Angst zu vermeiden sei das Wichtigste für die Kunden der Stadtwerke. Außerdem solle versucht werden, den eigenen Energieverbrauch soweit wie möglich zu reduzieren.
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