Walldürn. „Logistik nah, Logistik weit, Logistik bereit!“ So lautet der Schlachtruf Ihres Bataillons. Wie bereit sind die Walldürner Logistiker für welche anstehen Aufgaben, Herr Oberstleutnant Sterk?
Mark Sterk: Das Logistikbataillon 461 steht nach wie vor bereit für Einsätze und einsatzgleiche Aufgaben. Wir haben im vergangenen Jahr die Rückverlegung aus Mali durchgeführt und stehen auch in diesem Jahr weiter für die „Nato Response Force“ (Anm. d. Red.: Eingreiftruppe der Nato, die in zeitlich hoher Verfügbarkeit in einem breiten Spektrum möglicher Operationen eingesetzt werden kann) bereit, haben einen Rückverlege-Auftrag aus Niamey im Niger und bereiten uns parallel dazu auf die Herausforderung der Kriegstüchtigkeit im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung vor. Bei allem sind wir auf einem guten Weg.
Wie sieht die Vorbereitung auf Kriegstüchtigkeit im Logistikbataillon 461 konkret aus?
Sterk: Diese hat mehrere Facetten. Am Anfang steht die Ausbildung. Diese mussten wir nach Corona wieder stark intensivieren, um die militärischen Grundfähigkeiten für die Landes- und Bündnisverteidigung herzustellen. Wir sind in diesem Jahr in einer computergestützten Ausbildung für den Gefechtsstand, zudem gehen wir auf einen Bataillonsübungsplatz nach Baumholder. Hier wird auch der scharfe Schuss geübt. Weiterhin haben wir im Juni eine logistische Übung, in der wir für einen Bündnisverteidigungsfall die Logistik durchspielen werden. Am Ende des Jahres beabsichtigen wir alle vorherigen Übungen in einer freilaufenden Feldeinsatzübung zu verbinden, in der wir den infanteristischen und den logistischen Anteil kombinieren werden.
Das hört sich nach viel Arbeit an.
Sterk: Das ist es auch, denn parallel dazu stehen wir zur Erlangung der Kriegstüchtigkeit auch vor einer Umgliederung: Das Logistikbataillon 461 wird zu einem leichten Logistikbataillon umstrukturiert. Das heißt: Wir werden eine Nachschubkompanie abgeben und dafür eine weitere Transportkompanie aufstellen, so dass wir künftig neben der ersten Kompanie, die das „Rundumsorglospaket“ der Grundversorgung stellt, eine Nachschubkompanie, eine Instandsetzungskompanie und zwei Transportkompanien haben. Auch das ist Teil der Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Wir werden zukünftig zum einen, viel größere Mengen an Versorgungsgütern wie Munition oder Treibstoff transportieren müssen, zum anderen dafür auch größere Strecken zurücklegen. Dafür braucht es mehr Transportkapazitäten. Diese Umstrukturierung soll zum 1. April 2025 vollzogen sein. Als letzter Baustein zur Kriegstüchtigkeit gilt es in personeller und materieller Hinsicht aufzustocken. Dazu werden wir uns vor allem verstärkt um die Nachwuchsgewinnung kümmern. Gerade jetzt müssen wir für den Dienst in der Bundeswehr werben, um wehrhaft zu sein.
Hat diese Umstrukturierung hin zu einem leichten Logistikbataillon Auswirkungen auf die Infrastruktur der Nibelungenkaserne? Muss man dafür bauliche Veränderungen herbeiführen?
Sterk: In die Nibelungenkaserne wird schon fleißig investiert. Es stehen für dieses und die nächsten Jahre rund 100 Millionen Euro bereit, um die Infrastruktur in der Nibelungenkaserne zu ertüchtigen. So werden zum Beispiel neue Unterkünfte für die Soldatinnen und Soldaten entstehen. In der Tat ändert sich mit einer zusätzlichen Transportkompanie aber auch der Bedarf beispielsweise an Stellflächen und Schleppdächern. Dafür benötigen wir weniger Lagerfläche für die Nachschubkompanie. Auch wenn die Kaserne in Walldürn nicht zu den größten Kasernen in der Bundesrepublik zählt, hat sie dennoch genügend Fläche für das Material, das wir für diese Ausbildung benötigen.
Sind diese 100 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr?
Sterk: Nein, diese sind komplett unabhängig davon. Dieses Geld ist schon seit Jahren für den Infrastrukturbedarf eingeplant.
Die Bundeswehr ist mit dem Beginn des Ukraine-Krieges vor gut zwei Jahren in aller Munde. Ist das gut, dass die Landesverteidigung wieder mehr in den Fokus der Bevölkerung gerückt ist oder hätte es die Bundeswehr weiter lieber etwas ruhiger gehabt?
Sterk: Ersteres ist der Fall. Wir leben in einer sehr bewegten Zeit, in der sich das sicherheitspolitische Umfeld stark verändert hat. Wir haben verschiedene Krisen an verschiedenen Orten dieser Welt. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben wir einen Krieg in Europa. Das hat uns seit 2022 sehr deutlich aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns und unsere Bündnispartner verteidigen können. Die Landes- und Bündnisverteidigung stand in den vergangenen 20 Jahren nicht im Fokus und deshalb müssen wir jetzt umdenken, um unser Land, die Demokratie, aber auch unsere Bündnispartner verteidigen zu können. Wir müssen wieder eine wehrhafte Demokratie werden, wir müssen abschrecken können und wir müssen in der Lage sein, Kriege zu gewinnen.
Sind in dieser Situation die Worte von Verteidigungsminister Pistorius wie „kriegstüchtig“ und „kriegstauglich“ das richtige Vokabular?
Sterk: Aus meiner Sicht sind die Worte richtig gewählt, weil sie auch einen Appell an die Gesellschaft aussenden, sich der heutigen sicherheitspolitischen Lage bewusst zu werden, in der wir leben. Und die Lage ist so, dass wir seit Langem wieder eine konkretere Bedrohung haben. Der Krieg in der Ukraine bedroht auch indirekt uns, da es ein Krieg gegen unsere Werte und die Regeln der internationalen Ordnung ist. Niemand weiß, was danach kommt und ob das Nato-Bündnis danach nicht unmittelbar bedroht wird. Dieser Situation müssen wir uns bewusst sein. Der Begriff „kriegstüchtig“ drückt nichts anderes aus, als wehrhaft zu sein, angemessen reagieren zu können und wenn es darauf ankommt einen Krieg auch gewinnen zu können. Nur so können wir abschrecken und damit Krieg verhindern.
Glauben Sie, der Bevölkerung sind die Worte von Boris Pistorius bewusst, was es heißt kriegstüchtig und kriegstauglich zu werden? Oder müsste man noch etwas tun, um die Sinne für die aktuelle weltpolitische Gefahrensituation weiter zu schärfen?
Sterk: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Die Sensibilisierung, warum es jetzt wichtig ist in Verteidigung zu investieren, funktioniert nur durch eine gesamte Kraftanstrengung von jedem. Wir haben jetzt eine öffentliche Diskussion; das ist schon mal gut. Wir als Soldatinnen und Soldaten haben die Aufgabe, als Multiplikator zu wirken und immer wieder unsere Bewertung der sicherheitspolitischen Lage mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Hier gehören aber mit Sicherheit noch viele andere „Player“ dazu, um diese gesellschaftliche Diskussion weiter voranzutreiben.
Wäre eine Wiederaufnahme der Wehr- oder Dienstpflicht dem Ansinnen zuträglich, die Bundeswehr kriegstüchtiger zu machen?
Sterk: Meine Meinung dazu ist ganz klar: Auf jeden Fall. Ich halte die Dienstpflicht für einen wesentlichen Baustein, um Wehrhaftigkeit tatsächlich zu leben und zu zeigen. Allein die Möglichkeit, Menschen kurzfristig mobilisieren zu können und damit die Größe der Bundeswehr kurzfristig erhöhen zu können, hat einen abschreckenden Faktor. Ich halte es per se für gut, wenn die Bevölkerung wieder eine stärkere Verbindung zur Bundeswehr bekommt, indem sie als Gesellschaft auch den Dienst am Staat mitgestaltet – und das kann auch bei Rettungskräften oder dem Technischen Hilfswerk sein. Der Staat ist die Bevölkerung und die Bevölkerung ist der Staat. Die Sicherheit des Staates ist im Ernstfall durch die Bevölkerung zu gewährleisten. Das zeigt uns die Ukraine gerade deutlich auf.
In Walldürn werden nach wie vor Rekruten ausgebildet. Welche Erfahrungen machen Sie da?
Sterk: Wir bilden an unserem Standort jedes Quartal rund 70 Rekrutinnen und Rekruten aus, die somit von uns für ihre Folgeverwendung vorbereitet werden. Grundsätzlich starten wir die Grundausbildung mit gut gefüllten Zügen, aber wir erkennen auch, dass es genügend junge Männer und Frauen gibt, die kein klares Bild von dem Soldatenberuf haben, oder es einfach nur ausprobieren wollen. Deshalb haben wir eine Kündigungsquote von 20 bis 25 Prozent – meistens in den ersten Wochen der Grundausbildung. Diejenigen, die die Grundausbildung aber abschließen und bestehen, sind in der Folge sehr stolz auf das Erreichte und motiviert für den Soldatenberuf.
Sie sind seit knapp anderthalb Jahren hier Kommandeur in Walldürn und damit bei etwa der Hälfte Ihrer Verwendungszeit. Wie fällt ihre Zwischenbilanz aus und welche Aufgaben warten noch auf Sie?
Sterk: 2023 war ein bewegtes und arbeitsreiches Jahr, das von mehreren unerwarteten Ereignissen durchzogen war. Dazu gehörte die Einbindung in die Unterstützung der Ukraine sowie die unterstützenden Transporte im Rahmen der Evakuierungsoperation im Sudan, oder für ein deutsches Einsatzkontingent für den Eventualfall nach dem schrecklichen Angriff der Hamas in Israel. Auch dieses Jahr werden wir die Ukraine weiter unterstützen, zudem steht die Rückverlegung aus Niamey bevor. Dazu kommen die bereits angesprochenen Ausbildungsvorhaben und die Umgliederung. Die Arbeit hier macht mir jeden Tag Freude. Ich habe hier sehr gute Soldatinnen und Soldaten und ein gutes Team um mich. Wir haben einen großen Auftrag und ein klares Ziel. Ich möchte das Bataillon weiter so anführen, dass wir im nächsten Jahr bestmöglich kriegstüchtig sind.
Wie sehr sind Ihre Verbindungen zu der Stadt, zu der Bevölkerung, zum Bürgermeister gewachsen?
Sterk: Ich pflege ein sehr gutes und offenes Verhältnis zu Bürgermeister Meikel Dörr. Das war aber auch bei seinem Vorgänger Markus Günther schon so. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Die Verbindung zu den Menschen ist über die Soldatinnen und Soldaten, die hier leben, sehr tief. Das schätze ich sehr. Das gute Miteinander mit der Bevölkerung macht uns die Arbeit leichter. Das macht Freude. Und daher freue ich mich auch auf die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen.
Wie ist der aktuelle Stand zur Panzerstraße?
Sterk: Nach der Fertigstellung der Bauarbeiten am Bahnübergang im Industriegebiet ist die vorübergehende Nutzung der Panzerstraße für den Zivilverkehr wieder aufgehoben. Es gilt die bestehende Beschilderung.
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