Die Versammlung des Gemeindeverwaltungsverbands hat den Entwurf des Flächennutzungsplans 2030 gebilligt. Darin enthalten ist weiterhin die umstrittene Baufläche „Vorderer Wasen II“.
Walldürn. Trotz seit Jahren anhaltender massiver Kritik an der Ausweisung von Bauland im Naherholungsgebiet „Alter Wasen“ wollen Stadtverwaltung und Gemeinderat an dem Vorhaben festhalten. Nach dem Willen der Befürworter soll das gesamte zweite Gewann – eine knapp acht Hektar große Fläche – als zukünftiges Baugebiet „Vorderer Wasen II“ in den Flächennutzungsplan (FNP) 2030 des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Hardheim-Walldürn aufgenommen werden. Die Fläche grenzt an die bestehende Bebauung am westlichen Stadtrand an und erstreckt sich vom Waldrand im Norden bis zur Alten Amorbacher Straße im Süden.
Eine weitere formale Hürde hat das Vorhaben am Donnerstag genommen. In der Versammlung des GVV in der Hardheimer Erftalhalle billigten die Vertreter aus Hardheim und Höpfingen den Entwurf des FNP 2030. Zwar befürworteten auch die Walldürner Vertreter Markus Ackermann, Annemine Berberich, Rita Fuhrmann, Bürgermeister Markus Günther, Herbert Kilian, Martin Meidel, Jürgen Miko und Gotthard Schmidt den vorgelegten Entwurf. Weil jedoch Markus Kreis dagegen votierte und Harry Göbel sich der Stimme enthielt, musste Verbandsvorsitzender Markus Günther sämtliche Walldürner Stimmen als ungültig werten. In der Satzung des GVV ist nämlich festgelegt, dass eine Verbandsgemeinde nur einheitlich abstimmen darf.
Seine ablehnende Haltung begründete Markus Kreis in einer persönlichen Erklärung mit einer nach seiner Auffassung nicht plausiblen Bedarfsberechnung. Laut der Prognose des Statistischen Landesamtes werde Walldürn im Jahr 2035 bei den Einwohnern die Zahl von 12 000 nicht überschreiten. Im Jahr 2007 habe die Einwohnerzahl auf einem ähnlichen Niveau gelegen. Trotz der Ausweisung großer Bauflächen sei die Einwohnerzahl seitdem nicht gestiegen. „Weshalb brauchen wir dann weitere 20 Hektar Baugebiete? Wo ist der Bedarf?“, fragte Kreis. Die Stadtentwicklung habe in der Vergangenheit nicht funktioniert. Klimaschutz habe bei alledem allenfalls eine Nebenrolle gespielt. „Da muss man mehr tun als Landschaft zu vernichten“, monierte Kreis das Fehlen eines schlüssigen Konzepts. Statt sich stärker um die Innenentwicklung zu bemühen, werde Landschaft verbraucht, „egal wie viel es kostet.“ Zukünftig müsse das Wohl aller Bürger in Einklang mit möglichst wenig Flächenverbrauch gebracht werden.
Zielabweichungsverfahren
Zu Beginn der Sitzung war Marius Bergmann vom Ingenieurbüro IFK (Mosbach) kurz auf sämtliche Flächen eingegangen, die im Bereich des GVV neu im Flächennutzungsplan 2030 aufgenommen, verändert oder gestrichen werden sollen. Das Areal „Vorderer Wasen II“ bezeichnete Bergmann als eine der kritischsten Flächen. Im Rahmen der Offenlage des Vorentwurfs des FNP 2030 seien dazu zahlreiche ablehnende Stellungnahmen eingegangen. Eine Ausweisung der Fläche als Bauland sei aufgrund möglicher Beeinträchtigungen für den Lebensraum von Mensch und Tier sowie der Landwirtschaft „nicht einfach so möglich“. Wenn die zwischenzeitlich beim Regierungspräsidium Karlsruhe beantragte Abweichung von den Zielen der Raumordnung (Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft) abgelehnt werde, müsse die Fläche aus der Planung gestrichen werden, so Bergmann.
Dass das Areal „Vorderer Wasen II“ nicht nur von vielen Walldürner Bürgern, sondern auch von den maßgeblich am Verfahren beteiligten Behörden und Verbänden kritisch hinterfragt wird, geht aus den Stellungnahmen im Rahmen der Offenlage des Vorentwurfs hervor. In der Sitzung am Donnerstag kamen diese allerdings überhaupt nicht zur Sprache.
So rechnet beispielsweise die Untere Naturschutzbehörde (UNB) „mit einem hohen Potenzial von Biodiversitätsschäden nach dem Umweltschadensgesetz“, sollte die Planung verwirklicht werden. Der Schutz verbleibender Freiräume, insbesondere großer, noch zusammenhängender und verkehrsarmer Gebiete sowie die Vernetzung von Lebensräumen sei von besonderer Bedeutung.
„Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten würden durch Nutzungsänderungen, Bebauung sowie Zerschneidung der Landschaft in einem erheblichen Maße verlorengehen“, heißt es in der Stellungnahme der UNB. Dabei sei nicht nur der reine Flächenverlust problematisch. Die daraus resultierende Verarmung von Fauna und Flora gefährde zunehmend das dauerhafte Überleben von Lebensgemeinschaften und führe zum Verlust an biologischer Vielfalt. „Dieses Beeinträchtigungsszenario wird zusätzlich unterstrichen durch die Lage in einem Regionalen Grünzug, so dass auch auf raumordnerischer Ebene kaum Raum für eine andere Betrachtung bleiben dürfte.“
Eine adäquate Kompensation des Umweltschadens durch einzelne Maßnahmen betrachtet man bei der UNB als kaum möglich. „Zudem wäre ein räumlicher Zusammenhang zu wahren, was angesichts der bereits im räumlichen Umfeld vorhandenen ökologischen Gesamtausstattung nur schwer möglich erscheint, da wenig Spielraum für ausreichend aufwertende Maßnahmen auf den Restflächen verbleibt.“
Angesichts dieses „deutlich aufscheinenden Planungskonflikts“ bittet die UNB, die Fläche „Vorderer Wasen II“ einer kritischen Prüfung zu unterziehen und schreibt den Planern gleich noch die Umsetzung einer seit Jahren existierenden Alternative ins Stammbuch: „Hier ist insbesondere die im FNP bestehende Wohnbaufläche Steinacker-Auerberg II in die Bedarfsbetrachtung einzubeziehen und vorrangig zu gewichten.“
Wertvoller Lebensraum
Bestätigt fühlen dürften sich die Gegner der Planung auch durch den Umweltbericht des Ingenieurbüros für Umweltplanung Walter Simon (Mosbach). In ihrer Konfliktanalyse gehen die Umweltplaner für die Fläche „Vorderer Wasen II“ von einer erheblichen Beeinträchtigung für den Biotopverbund, das Grundwasser, den Boden, das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion sowie den Lebensraum von Pflanzen und Tieren aus: „Die Erholungseignung der Offenlandfläche nimmt stark ab. Fett- und Magerwiesen, großflächig mit Streuobst bestanden, werden weitgehend oder vollständig verlorengehen.“
Laut Umweltbericht ist die Offenlandfläche mit ihren artenreichen mageren Flachlandmähwiesen ein idealer Lebensraum für zahlreiche Vogel- und Fledermausarten sowie für Zauneidechsen. „Im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens werden umfangreiche Untersuchungen zu den genannten Arten und Artengruppen notwendig, die sich nicht nur auf das Gebiet Vorderer Wasen II beschränken dürfen, sondern die gesamte Offenlandfläche einbeziehen müssen“, heißt es im Umweltbericht. „Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bezüglich aller vorkommenden Arten Verbotstatbestände eintreten können.“
Den für ein Baugebiet „Vorderer Wasen“ erforderlichen Ausgleich beziffert das Ingenieurbüro auf 1,65 Millionen Ökopunkte. Zum Vergleich: Um alle im Entwurf des FNP 2030 enthaltenen Eingriffe in die Umwelt in Hardheim, Höpfingen und Walldürn ausgleichen zu können, haben die Umweltplaner ein Kompensationsdefizit von 3,34 Millionen Ökopunkten errechnet. Damit würde die Hälfte aller notwendigen Ausgleichsmaßnahmen alleine auf die Fläche „Vorderer Wasen II“ entfallen.
Trotz der erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt kommen die Ingenieure des Büros IFK in ihrer Bewertung zu dem Ergebnis, dass der „Vordere Wasen II“ aus stadt- und landschaftsplanerischer Sicht für eine Bebauung geeignet ist und als Wohnbaufläche in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden sollte.
Flächennutzungsplan 2030 des Gemeindeverwaltungsverbands Hardheim-Walldürn
Der Entwurf des Flächennutzungsplans 2030 umfasst die Gemarkungen der Gemeinden Hardheim, Höpfingen und Walldürn.
Die Gesamtfläche beträgt 22 339 Hektar: Hardheim 8702 Hektar (39,0 Prozent), Höpfingen 3049 Hektar (13,6 Prozent), Walldürn 10 588 Hektar (47,4 Prozent). Im Verbandsgebiet wohnten Ende 2018 insgesamt 21 161 Menschen. Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von circa 95 Einwohnern pro Quadratkilometer.
Die Offenlage des Vorentwurfs zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Vertreter öffentlicher Belange erfolgte im August 2018.
Als Grundlage für die Planung gehen die Verantwortlichen des Gemeindeverwaltungsverbands von steigenden Einwohnerzahlen bis zum Jahr 2033 aus: Hardheim +308, Höpfingen, +112, Walldürn +271.
Hinzu kommt ein fiktiver Einwohnerzuwachs, weil pro Kopf zukünftig mehr Wohnraum beansprucht wird: Hardheim +341, Höpfingen +151, Walldürn +518.
Auch Sondereffekte sollen berücksichtigt werden. Die Stadt Walldürn argumentiert in diesem Bereich seit Jahren mit einer personellen Aufstockung des Bundeswehrstandorts (+200 Einwohner) und einer Erweiterung des Braun-Werks (+150 Einwohner). Für beide Vorhaben gibt es jedoch nach wie vor keinerlei Belege.
Abzüglich des Entwicklungspotenzials der Innenstädte haben die Planer folgenden zusätzlichen Wohnflächenbedarf für die drei Verbandsgemeinden errechnet: Hardheim 11,1 bis 16,23 Hektar, Höpfingen 0 bis 4,23 Hektar, Walldürn 17,07 bis 17,92 Hektar.
Bei den Gewerbeflächen sollen 1,19 Hektar neu in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden. Die im noch rechtskräftigen Flächennutzungsplan enthaltenen gewerblichen Bauflächen im Umfang von 38,74 Hektar werden unverändert übernommen. rs
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