Land und Leute - Die FN haben sich im Rahmen ihrer Jubiläumstour „75 Jahre – FN on Tour“ mit Franz Schell unterhalten

Franz Schell aus Walldürn schmiedet das Eisen, solange es heiß ist

Jeder Schlag sitzt. Franz Schell macht eine kurze Pause, schaut, dann schlägt er mit dem Hammer weiter auf das rotglühende Eisen ein. „Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist“ – dieses Sprichwort wird hier in die Tat umgesetzt.

Von 
Ralf Marker
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Gottersdorf/Walldürn. In der Schmiede des Freilandmuseums in Gottersdorf ist Franz Schell bei der Arbeit. Was an sich noch nichts Besonderes ist. Aber Franz Schell ist 86 Jahre alt – ein Alter, das man ihm nicht anmerkt. Kraftvoll lässt er den Hammer niedersausen, das rötliche Licht der Esse in der Schmiede verbreitet eine heimelige Stimmung. Ruhig geht es hier zu, ohne jede Hektik. Und ruhig und ohne Hektik ist auch ein Gespräch mit Franz Schell, wenn er aus seinem Leben erzählt.

„Ich wollte einen Beruf lernen“

Er ist gelernter Huf- und Wagenschmied – Berufe, die es nicht mehr gibt. Er versteht sein Handwerk aber noch. Dass er Schmied wird, war nicht von vornherein klar. „Geh wie dein Bruder in den Steinbruch, da kannst du leicht Geld verdienen“, wurde ihm in jungen Jahren geraten. Das wollte er aber nicht. „Das war nicht mein Ding, ich wollte einen Beruf lernen.“ Als ihm die Cousine seiner Mutter berichtete, dass ihr Sohn in Höpfingen eine Schmiede aufmacht, stellte er sich dort vor, wurde genommen und begann seine Lehre.

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lis
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„Ich bin froh, dass es so gelaufen ist“, sagt er heute im Rückblick. „Ich habe es gerne gemacht, und ich mache es heute noch gerne.“ Das sieht und merkt man, wenn man Franz Schell in der Schmiede in Gottersdorf zuschaut. Ihm macht das Schmieden Spaß. „Ich hatte einen guten Meister und habe viel gelernt.“

Autofeder wird zur Hacke

An dem Tag fertigt er Gartengeräte an. Hacken oder robustere Teile, mit denen man etwa Wurzeln ausgraben kann. Wer schon einmal eine Wurzel ausgegraben hat weiß, dass da solides Material gefragt ist. Das Besondere an manchen Werkzeugen von Franz Schell ist der Ausgangsstoff. Eine Hacke, die er dem Besucher zeigt, wurde aus der Blattfeder eines Autos gefertigt. Recycling in Reinkultur ist das. Die Stücke stellt er für Freunde oder Bekannte her – unentgeltlich.

Bei Handwerkertagen dabei

So mancher Bürger aus der Region hat Franz Schell schon bei der Arbeit gesehen und zugesehen. Bei den Handwerkertagen im Odenwälder Freilandmuseum demonstriert er den Besuchern seine Handwerkskunst. In Corona-Zeiten ging das natürlich nicht – sehr zum Bedauern des Schmieds. „Die Leute haben mir gefehlt, die Vorführungen haben mir gefehlt“, sagt er bedauernd. Aber in absehbarer Zeit wird es in Gottersdorf wohl wieder regelmäßig Handwerkervorführungen geben. Darauf freut er sich, denn das Interesse an seinem Schmiedehandwerk ist da. „Anfangs sind die Besucher oft ein bisschen zurückhaltend und schauen erst mal, aber dann kommen bald die ersten Fragen.“

Die er gerne beantwortet, denn er versteht etwas vom Fach. Und er ist ein guter Erzähler, mit dem man sich gerne unterhält. Und der auf dem Dorf aufgewachsene Besucher fühlt sich an diesem Tag ein Stück weit an seine Kindheit erinnert.

Franz Schell hat nicht sein ganzes Berufsleben in einer Schmiede verbracht. Von denen schlug vielen in Zeiten der Industrialisierung nach dem 2. Weltkrieg ohnehin die letzte Stunde. Schell hat sechs Jahre „beim Daimler“ in Stuttgart gearbeitet und dann 40 Jahre bis zu seiner Rente bei der Firma Eirich Anlagenbau in Hardheim. „Mit 65 bin ich dann in Rente gegangen“, erinnert er sich. Er hat dann aber freiwillig noch ein paar Jahre drangehängt. Bei Eirich war er auch als Elektriker aktiv. Den Grundstein dafür legte er in Stuttgart. Bei Daimler war er mit einem mit Elektriker befreundet, der hat ihm viel beigebracht, von ihm hat er sich viel abgeschaut.

Apropos Eirich: Dass er in der Schmiede in Gottersdorf so gut ausgestattet ist, verdanke er auch der Firma Eirich. „Amboss, Werkbank und so manches elektrische Gerät habe ich von dort bekommen, als es aussortiert wurde. Zum Wegschmeißen war das alles viel zu schade. Und die Sachen funktionieren bis heute. Der Amboss hat schon einige Jahre auf dem Buckel“, sagt er schmunzelnd und greift nach seiner Schmiedeschürze. „Die ist noch aus meiner Lehrzeit und bis heute im Einsatz.“

Harte Lehrzeit

Das ist das Stichwort: „Die Lehrzeit war schon hart“, erinnert er sich, das Gespräch springt wieder ein paar Jahrzehnte zurück. Alle Arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich wurden erledigt. „Wenn dann an einem Tag 20 Räder von Karren beschlagen werden mussten, dann war das eine Schinderarbeit“, sagt er. Und die mussten alle beschlagen werden, weil an dem einen Tag alle Handwerker zusammenkamen, die zum Herstellen eines Wagenrads notwendig waren. Wagner oder Stellmacher – und eben der Wagenschmied.

Dabei war der Verdienst – gemessen an heutigen Maßstäben – karg. In den ersten beiden Lehrjahren gab es zwei Mark in der Woche, im dritten Lehrjahr dann acht Mark. Dafür waren die Arbeitszeiten länger, als das heute der Fall ist. „Unter der Woche war um 20 oder 20.30 Uhr Schluss, am Samstag war gegen 14.30 Uhr Feierabend, aber dann wurde noch die Werkstatt aufgeräumt“, erinnert sich Schell.

„Eine gute Entscheidung“

Aber mit dem Berufsbild von heute – dem Metallgestalter – könne man das nicht mehr vergleichen. „Das ist heute schon was ganz anderes.“ Er bereut seine Berufswahl aber nicht: „Das war eine gute Entscheidung“, sagt er.

Aber nicht nur in der Schmiede ist Franz Schell nach wie vor aktiv. 40 Jahre hat er beim TV Walldürn Faustball gespielt. Und aufmerksame Zeitungsleser entdecken seinen Namen regelmäßig, wenn die Absolventen für das Sportabzeichen geehrt werden. „28 Mal habe ich das abgelegt“, sagt er. Und 40 Jahre war er als Sportabzeichenprüfer aktiv.

Nur einmal pausiert

Pausieren musste er nur einmal, als er „neue Knie“ bekam. Die sind wieder gut. Also kann er das Sportabzeichen wieder angehen. Und weiter in der Schmiede in Gottersdorf arbeiten. Und abschließend sagt er: „Ein paar Jahre will ich das schon noch machen. Das macht richtig Spaß.“

Redaktion Redakteur bei den FN

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