Walldürn/Mosbach. "Endlich ist die alte Hexe tot", soll Sandor K. am 16. Juni unmittelbar nach der Tat einem Polizeibeamten gesagt haben. Kurz davor hatte er gegen 8 Uhr in der gemeinsamen Wohnung in Walldürn seiner am Frühstückstisch sitzenden Frau in den Hals gestochen, weil sie nicht mit ihm nach Ungarn auswandern wollte. Mit der gut zwölf Zentimeter langen Klinge traf er die Lunge seiner Frau, mit der er 49 Jahre verheiratet war. "Nach dem Vorbild römischer Gladiatoren", soll er der Notärztin sein Vorgehen geschildert haben. Für die 72-Jährige kam jede Hilfe zu spät. Nach minutenlangem Todeskampf starb sie an Blutverlust und Atemversagen.
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Mosbach unter dem Vorsitz von Dr. Alexander Ganter wertete die Tat des gebürtigen Ungarn am Donnerstag als heimtückischen Mord und verurteilte den 74-Jährigen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Bereits unmittelbar nach der Tat hatte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt. Vor Gericht gab er nun erneut an, dass er seine Frau in einer Art Kurzschlussreaktion getötet habe.
Ausschweifend schilderte er die Ereignisse am Abend vor der Tat, als für ihn klar gewesen sei, dass seine Frau mit ihm nach Ungarn gehen würde. Am nächsten Morgen sei sie dann "kalt und teilnahmslos" dagesessen und habe von Trennung gesprochen. "Wie in Trance habe ich auf sie eingestochen. Ich war nicht normal", erklärte Sandor K., um gleich im nächsten Halbsatz zu sagen, dass er die Tat "schnell und fachmännisch" begangen habe. Er habe nicht gewollt, dass seine Frau leidet. Einmal den Tränen nahe, wenig später wieder zu Scherzen aufgelegt, schweifte der 74-Jährige immer wieder von den Umständen der eigentlichen Tat ab, versuchte, sich zu rechtfertigen und die Schuld bei anderen abzuladen. "Das hätte man doch verhindern müssen", wiederholte er mehrfach. Gemeint waren damit seine Frau und seine Kinder, die doch wegen der Auswanderungspläne hätten einlenken müssen. Dass er selbst anders hätte handeln können, kam ihm auch während des Prozesses nicht über die Lippen. "Ich habe meine Frau geliebt und liebe sie noch immer", beteuerte der ehemalige Arzt. Während der gut dreistündigen Verhandlung zeigte er allerdings keinerlei Reue, äußerte kein einziges Wort des Bedauerns.
Selbstinszenierung
Richter Ganter, der für seine straffe Verhandlungsführung bekannt ist, fuhr dem Angeklagten lediglich einmal in die Parade. "Hier habe ich das Sagen und nicht Sie", blaffte er den 74-Jährigen an. Ansonsten ließ er Sandor K. viel Freiraum für dessen Selbstinszenierung. Vermutlich auch, um dem psychiatrischen Gutachter noch einmal Gelegenheit zu geben, die Persönlichkeit des Angeklagten beurteilen zu können.
Tochter und Sohn des Opfers traten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Ihren Vater würdigten sie während der gesamten Verhandlung keines Blickes und sprachen im Verlauf ihrer Aussagen konsequent von "dem Angeklagten". "Ich habe keinen Vater mehr", sagte die Tochter. Für sie sei er zusammen mit der Mutter gestorben. Den Angeklagten beschrieb sie als rechthaberisch, cholerisch und streitsüchtig. Ihre Mutter sei das "absolute Gegenteil" gewesen und habe immer versucht, zu schlichten. Nach Budapest habe sie jedoch unter keinen Umständen gehen und stattdessen in der Nähe der Kinder und Enkelkinder bleiben wollen. Letztlich sei ihr nur noch die Trennung von ihrem Mann übriggeblieben. "Der Umzug war bereits organisiert", ergänzte der Sohn. Dieser hätte zwei Tage nach der Bluttat über die Bühne gehen sollen. Deshalb sei das ganze Geschehen für ihn nach wie vor nur schwer verkraftbar.
Sichtlich um Worte rang schließlich auch der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Herrgen in seinem Plädoyer und kritisierte das Verhalten des Angeklagten vor Gericht scharf: "Es ist erschreckend, wie Sie hier über die Tat plaudern. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der derart selbstverliebt und selbstgerecht aufgetreten ist." Statt die Probleme mit seiner Frau auf andere Weise zu lösen, habe er "mit Vernichtungswillen" auf sie eingestochen. Das Opfer habe mit dem Angriff nicht rechnen können und sei diesem arg- und wehrlos gegenübergestanden. "Deshalb halte ich an Mord fest", betonte Herrgen und forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Von einer geplanten Tat ging auch Rechtsanwalt Meisenzahl als Vertreter der Nebenkläger aus. In der Aussage "endlich ist die alte Hexe tot" gegenüber der Polizei sei die ganze Wut des Angeklagten zum Ausdruck gekommen. Als Kriterium für einen Mord sehe er deshalb nicht nur die von der Staatsanwaltschaft angeführte Heimtücke, sondern auch niedere Beweggründe.
Strafverteidiger Achim Edelmann sah diese Merkmale für einen Mord dagegen nicht verwirklicht und plädierte auf eine Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren. Sein Mandant habe aus der Situation heraus gehandelt, als dessen Lebensplan am Frühstückstisch endgültig zusammengebrochen sei. "Ich gehe von Totschlag aus", so Edelmann. "Im Affekt hat mein Mandant zum Messer gegriffen." Eine Tat im Affekt hatte jedoch zuvor Dr. Matthias Michel von der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Weinsberg in seinem Gutachten nahezu ausgeschlossen.
Auch das Schwurgericht sah letztlich keinen Interpretationsspielraum. "Das Opfer war sich keines Angriffs bewusst", sagte Richter Ganter in seiner Urteilsbegründung. "Sie war völlig arglos und wehrlos. Das ist heimtückischer Mord. Dafür gibt es lebenslang."
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