Tauberbischofsheim. „TBB bleibt bunt – für Demokratie und Zusammenhalt – gegen Rechtsextremismus“ lautete das Motto der Kundgebung am Samstag auf dem Marktplatz der Kreisstadt. Rund 300 Menschen aus Politik, Vereinen, Verbänden und Firmen – ein Querschnitt der Bürgerinnen und Bürger aus allen Altersgruppen – waren gekommen, um ein Zeichen für Toleranz und Respekt und gegen Hass, Hetze und Gewalt zu setzen. Die Schirmherrschaft hatte Bürgermeisterin Anette Schmidt übernommen.
Das Aktionsbündnis aus der Mitte der Zivilgesellschaft hatte die Kundgebung initiiert, bei der es darum ging, Flagge gegen jedwede extremistischen Tendenzen zu setzen. Die Veranstaltung verlief ruhig und zeigte, dass Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich für eine gelebte Demokratie einstehen und gewillt sind, die Werte des Grundgesetzes zu schützen.
Vielfalt und Offenheit
Die „Ode an die Freude“, gern auch als Europahymne bezeichnet, spielten nach der organisatorischen Einleitung von Dr. Leonhard Haaf Gustav Endres mit seinen Enkeln Anton und Mona. Schirmherrin Anette Schmidt stellte sich klar hinter das Motto des Aktionsbündnisses: „Tauberbischofsheim steht für Vielfalt, Offenheit und Respekt“, untermauerte sie das bereits vor einigen Jahren erhobene Leitmotiv der Stadt. Gerade in Zeiten, in der Extremismus immer stärker zunehme, sei es wichtiger denn je, für demokratische Rechte einzustehen. Es gelte, nicht zu schweigen, sondern sich aktiv für die Demokratie auszusprechen, Werte zu verteidigen und zu fördern. Nicht schweigen, handeln laute das Gebot der Stunde, so Bürgermeisterin Anette Schmidt.
Moderatorin Dagmar Wolf gab das Wort anschließend an Heike Kuhn und Thomas Holler als Vertreter der Kirchen. Pfarrerin und Dekan hatten an gemeinsamen Worten gefeilt, die klarer nicht hätten sein können. Es dürfe keine Zerstörung des christlichen Abendlands mit seinen Werten geben, nach denen Rechte grundsätzlich für alle Menschen gelten. Auch wenn jemand vermeintlich gut Gründe angebe, dürfe sich nicht über das Recht hinweggesetzt werden. Es gelte, die Würde eines jeden Menschen zu achten und den Respekt nicht zu verlieren. Vernunft und Argumente zählten mehr als plumpe Parolen.
Halbe Wahrheiten erkennen
Daniel Winkler, Schülersprecher des Matthias-Grünewald-Gymnasiums, verdeutlichte an einem gut nachvollziehbaren praktischen Beispiel, wie leichtfertig „Fakenews“ ihren Weg zu Zehntausenden finden und dabei nicht einmal die halbe Wahrheit gesagt wird. Irgendwann wurde Daniel Winkler ein Video mit dem Titel „Lehrer wählt die AfD“ vorgeschlagen. Er schaute sich den 38-Sekunden-Film an, indem der Lehrer sich über ein vermeintlich aktuelles Politikbuch für Realschüler empört, das die AfD nicht nennt. 85 000 Mal wurde das Video geklickt. Eine kurze Recherche Winklers ergab: Das Buch erschien 2012,erst 2013 aber wurde die AfD, die sich als Opfer „linksgrüner Indoktrination an Schulen“ darstellt, gegründet.
Der Schülersprecher ging auch auf die Sylt-Grölereien ein und fragte, was es bedeuten würde, wenn alle Ausländer ausreisen müssten. „Wir könnten uns dann von unserem Wohlstand verabschieden“, so seine Antwort. Vielfalt und verschiedene Farben seien fundamental wichtig für Deutschland, Tauberbischofsheim und Europa, so sein Fazit.
„Wir müssen aufpassen, dass nichts verrutscht“, meinte Landrat Christoph Schauder, der in Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ eine unverrückbare Lehre aus der Weimarer und der nationsozialistischen Zeit sieht. Den Menschen, die Intoleranz und Hass säten, gelte es entgegenzusetzen, dass genau dieser Blickwinkel der Antrieb der demokratieschützenden Kräfte sei. Er stellte fest: „Der Main-Tauber-Kreis ist und bleibt bunt.“
Integration verbessern
Dagmar Wolf stellte mit Hamid Malekzada und Michiele Mhretab zwei Flüchtlinge vor, die in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung in Afghanistan und Eritrea gesucht haben. Mhretab hat eine Ausbildung als Tiefbaufachmann abgeschlossen und arbeitet als Stahlbetonbauer, Malekzada in Vollzeit bei den VS. Während Ersterer Anfang des Jahres die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat, wurde ein entsprechender Antrag von Malekzada in der vergangenen Woche abgelehnt. Beide berichteten, dass der Spracherwerb wichtig für die Verständigung und die Integration sei. Ihr Wunsch: Mehr Sprachkurse, mehr Kontakte zu Einheimischen, um die Kultur besser kennenzulernen und in Deutschland zurechtzukommen.
Der Würzburger Psychiater und Psychotherapeut Dr. Thomas Schmelter, der den Würzburger Friedenspreis mit ins Leben gerufen hat, erläuterte, dass Rechtsextremismus in Menschen erster und zweiter Klasse unterschiede. Letzteren würden Menschenrechte und Sicherheit verwehrt.
Er sprach von wohltuenden Kundgebungen gegen rechts, fragte allerdings, ob es die erreiche, die es angehe. Sein Rat: Hass sollte nicht mit Hass begegnet werden. Dafür seien ein langer Atem, Mut sowie Strategien notwendig, um Menschen trotz aller gegensätzlichkeit begegnen zu können.
Zum Abschluss sprach Frank Schwartz, der sich als ehemaliger Offizier der Bundeswehr dem Grundgesetz verpflichtet fühlt. Den Rechtsextremismus, den er mit der AfD-Farbe blau gleichsetzte, bezeichnete er als „mehrköpfigen Drachen, der uns seinen Unrat entgegenwirft“. Er sieht aber auch durchaus Aufrechte in der blauen Partei, weshalb er den Glauben noch nicht verloren habe, sie zu erreichen. Er zeigte sich sicher: „Wer in diesen Zeiten schweigt, macht sich schuldig.“
Info: Ein Film zur Kundgebung „TBB bleibt bunt“ findet sich unter www.fnweb.de im Laufe des Montags.
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