Aktion des Kultusministeriums sorgt für Zorn

Tauberbischofsheimer Lehrer über Werbekampagne empört

„Hey, tickt ihr noch richtig?“ – das ist die Frage, die sich Oberstudienrat a. D. Klaus Schenck nach der Plakat-Aktion des Kultusministeriums stellt. „Was wissen die Ministeriums-Menschen überhaupt vom Lehrer-Alltag?“, erzürnt er sich im Interview.

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Sabine Holroyd
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Dieses Plakat des baden-württembergischen Kultusministeriums am Stuttgarter Flughafen sorgt nicht nur in Lehrerkreisen für Unmut. © dpa/Karin Besserer

Tauberbischofsheim. Mit einem großen Plakat am Stuttgarter Flughafen hat das baden-württembergische Kultusministerium den Unmut von Lehrerverbänden und der Opposition auf sich gezogen. Darauf steht unter anderem: „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in.“

Auf Gegenliebe stößt die Aktion bisher nicht. „Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt“, sagte zum Beispiel die Vorsitzende des Realschullehrerverbands, Karin Broszat (wir berichteten). Ein Ministeriumssprecher erklärte beschwichtigend, die Slogans seien bewusst so gewählt worden, um Aufmerksamkeit zu erregen. „Man muss schließlich auffallen, und das tun die Plakate. Das ist gut und es funktioniert auch.“ Die Kampagne richte sich an „Menschen mit Berufserfahrung und einer geeigneten Bildungsbiografie, die sich vorstellen können, ihrem Leben eine neue Perspektive zu geben“. Aus Sicht des Ministeriums suggeriere sie dabei keineswegs, dass Lehrkräfte faul seien. „Wir wissen um die Leistungen unserer Lehrkräfte“, erklärte der Sprecher.

Der Tauberbischofsheimer Oberstudienrat a. D. Klaus Schenck sieht das völlig anders und findet diese Aktion auch nicht wirklich lustig, wie sich im Interview rasch herausstellt.

Herr Schenck, wie gefällt Ihnen denn die Plakat-Aktion des Kultusministeriums?

Klaus Schenck: Sie empört mich zutiefst. Vom Inhalt des Plakats einmal abgesehen, schaffen es die die Macher, in acht Wörtern („Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in“) gleich zwei Kommafehler ’reinzuhauen. „Was dir Spaß macht“ ist schließlich ein eingeschobener Nebensatz. Keine Ahnung von Kommasetzung, aber politisch korrekt, also beste Voraussetzungen für eine Karriere am Kultusministerium. Wie kann man von dort etwas anderes als dieses Plakat erwarten?

Sie scheinen ja richtig sauer zu sein . . .

Schenck: Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen eigenen Lehreralltag. Teilweise kam ich auf 70 Stunden pro Woche.

Am Nachmittag habe ich meine Stunden vorbereitet, am Wochenende Klassenarbeiten entworfen und schnelle Korrekturen erledigt, in den Ferien Deutsch-Klassenarbeiten und -Hausarbeiten korrigiert. In den Weihnachtsferien waren dies um die 100 Stunden, in den großen Ferien hängte ich mich mit der Abi-Pflichtlektüre und der Jahresplanung ’rein, um am ersten Schultag im September mit allem parat zu sein.

Das klingt nicht gerade nach Spaß am Beruf.

Schenck: Nach Spaß fragte ich nicht. In den Unterrichtsstunden gab ich alles.

Ich empfand Freude, in konzentrierter Stille zu interpretieren, zu reflektieren, durch Schülerfragen nachzudenken, von Schülern viel über deren Leben, Alltag und Sorgen zu erfahren – und oft erschöpft, aber bereichert, das Klassenzimmer zu verlassen. Ich liebte meinen Beruf – am Ende immer weniger, aber ich hielt durch. Ich bin zäh, ich habe überlebt.

Mit öffentlichen Äußerungen über das Kultusministerium mussten Sie als Lehrer wahrscheinlich eher zurückhaltend sein. Ist jetzt die Zeit für ein Resümee?

Schenck: Ja, diese Zeit ist durch diese unsägliche Aktion endgültig gekommen. Ich frage: Hey, tickt ihr noch richtig? Hass und Hetze im Netz, darüber regt ihr euch auf, aber populistisch Hass und Hetze auf Plakaten am Stuttgarter Flughafen verbreiten – geschenkt, ist ja nicht im Netz und gilt zweitens nur Lehrern: wertlos, unfähig und zu blöd zu allem!

Und die Logik des Kultusministeriums: Was regt ihr euch auf? Wir schreiben doch nur, was alle denken, was alle wissen, was alle von euch halten.

Ich sehe schon die nächste Stellenbeschreibung des Lehrerberufs vor mir: „Gestrandet auf dem Flughafen, kein Bock auf Arbeit, drei Monate Ferien, neun Monate Halbtagsjob, ganz viel Spaß und gut bezahlt“.

Vielleicht waren Sie ja nur besonders motiviert und engagiert? Drei Monate Ferien und neun Monate Halbtagsjob bei guter Bezahlung klingen ja nicht gerade schlecht. Woran liegt es, dass sich dieses Vorurteil über Lehrer so hartnäckig hält?

Schenck: Es gibt faule Säcke in unserem Beruf und diese sind vor den Schülern sichtbar, also werden sie Inhalt von Gesprächen am Mittagstisch und Thema am Stammtisch abends.

Sie werden stets wie ein Negativ-Joker aus der Tasche gezogen, wenn von engagierten Lehrern die Rede ist. Diese jedoch sind in der großen Mehrheit.

Ihr Engagement, ihre Liebe zum Beruf, ihr Einsatz für junge Menschen wird mit einer verletzenden Selbstverständlichkeit und Gleichgültigkeit kaum zur Kenntnis genommen – und genau hier beginnt der schleichende Burnout.

Am 1. August, also vor der Plakatdiskussion, erschien in den FN ein Artikel zu den Gründen, weshalb angehende Lehrer aufgeben.

In der Unterüberschrift hieß es: „Das schlechte Image des Berufs und die Arbeitsbelastung sind zwei von vielen Gründen“.

Die hirnrissige Plakat-Aktion des Kultusministeriums gleicht einem Brandbeschleuniger unseres miesen Images. Ich fühle mich durch das Ministerium in die „pädagogische Jauchegrube“ getunkt – mit Blick auf unser Ansehen und unsere Leistung.

Aber die Ministeriums-Menschen auf ihren dick gepolsterten Bürostühlen vor großen Schreibtischen, in ruhigen Büros, was wissen die von uns?

Da rotzen uns manche Eltern ihre Kinder vor den Latz, dass es nur so kracht: gestört, stinkfaul, frech. Und was wird dann gelästert am Elternsprechtag: „Nicht mal mit 30 Schülern wird dieses unfähige Lehrerpack fertig!“

Was wissen die Ministeriums-Menschen überhaupt vom Lehrer-Alltag? Die Lehrer sind die Rechtlosen, Wertlosen und Würdelosen.

In den Schul-Arenen werden wir von Schülern, Eltern, Schulleitungen, Ministerialbeamten und leider oft auch von den eigenen Kollegen gehetzt, gejagt, zur Strecke gebracht. Und was winkt den Überlebenden?

Was denn?

Schenck: Ich habe überlebt! Ich bin regulär in Pension. Ich kann zurückblicken und weiß, wovon ich rede.

Haben Sie auch eine Botschaft an die Eltern?

Schenck: Ja, ich frage sie: Wollen Sie die Flughafen-Gestrandeten mit Faulheits-Gepäck, mit null Bock auf gar nichts, die man mit Spaß-Versprechungen köderte wie man Affen mit Bananen aus dem Urwald lockt – wollen Sie die für Ihre Kinder? Arme Schüler!

Klaus Schenck unterrichtete von 2003 bis 2018 Deutsch, Religion und Psychologie am Wirtschaftsgymnasium in Tauberbischofsheim.

Seine Schulmaterialien, Artikel und Sendungen sind auf drei Internet-Kanälen zu finden: www.KlausSchenck.de, www.youtube.com/user/financialtaime und www.schuelerzeitung-tbb.de.

Sein Buch „Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“ erschien im C. Bange Verlag (Hollfeld), ISBN 9783 8044 139 86.

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