Tauberbischofsheim. Im exklusiven Interview mit den Fränkischen Nachrichten äußert sich der Vorstandsvorsitzende der Michael Weinig AG, Gregor Baumbusch, zur aktuellen Situation des Unternehmens, das seinen Stammsitz in Tauberbischofsheim hat.
Herr Baumbusch, im letzten Interview mit unserer Zeitung im Juli 2024 waren Sie noch optimistisch, dass sich die Lage am Markt der holzverarbeitenden Industrie erholt. Doch offensichtlich ist diese Erholung nicht eingetreten. Wie bewerten Sie die Situation?
Gregor Baumbusch: Der gesamte deutsche Maschinenbau sieht sich seit mehreren Jahren mit rückläufigen Auftragseingängen konfrontiert. Weinig hat sich in den letzten Jahren erfolgreich durch diese Marktlage navigiert und sich besser als die Branche entwickelt. Wir haben innovative Unternehmen mit zukunftsweisenden Produkten in unsere Gruppe integriert und damit unser Produktportfolio gezielt erweitert. Am Stammsitz in Tauberbischofsheim haben wir mit der größten Investition der Unternehmensgeschichte die Optimierung unserer Logistik und Fertigungstechnologie vorangetrieben.
Heute verfügt Weinig über das umfassendste Produktportfolio im Bereich Massivholz – von der Sägewerkstechnik bis zur Weiterverarbeitung, für Handwerksbetriebe ebenso wie für Großkunden, und das weltweit. Unser Unternehmen besitzt das breiteste Anwendungswissen der Branche. Mit der Marke Holz-Her sind wir zudem ein starker Partner für unsere Kunden im Bereich der Plattenbearbeitung und bieten auch hier die komplette Bandbreite an Maschinen und Automationslösungen. Am erfolgreichen Standort in Voitsberg (Österreich) haben wir ebenfalls gezielt in Logistik und Fertigung investiert.
Aber?
Baumbusch: Aber das reicht in der aktuellen Lage nicht aus, um unsere weltweite Organisation nachhaltig auszulasten. Während wir die Marktschwäche der vergangenen zwei Jahre in Europa und Asien bislang durch starke Ergebnisse in den USA und Kanada kompensieren konnten, hat sich die Lage seit der Präsidentschaft von Donald Trump grundlegend verändert. Die Einführung hoher Strafzölle sowie die zunehmende Unberechenbarkeit der weiteren Entwicklungen haben zu einer deutlichen Abkühlung unseres wichtigsten Einzelmarkts in den USA geführt.
Obwohl wir auf der diesjährigen Weltleitmesse für Werkzeuge, Maschinen und Anlagen zur Holzbe- und -verarbeitung, der Ligna in Hannover, einen sehr guten Auftragseingang verzeichnen konnten, blieb das Nachmessegeschäft insgesamt hinter den Erwartungen zurück. Unsere Hauptproduktionswerke haben wir in Deutschland, aber Weinig agiert weltweit. Wir stehen in jedem Markt lokalen Wettbewerbern gegenüber, die oft wettbewerbsfähigere Rahmenbedingungen haben. Im internationalen Vergleich haben wir in Deutschland mit die höchsten Lohnnebenkosten, niedrige Wochenarbeitszeiten, hohe Energiekosten und eine Bürokratie, die den Mittelstand wesentlich belastet und schnelle Anpassungen an einen sich schnell ändernden Markt erschwert.
Diese Effekte lassen sich nur schwer kompensieren und stellen eine erhebliche Herausforderung für unsere weltweite Wettbewerbsfähigkeit dar. Der Kostendruck nimmt dadurch kontinuierlich zu.
Die prognostizierte Erholung des Marktes hat sich bisher nicht eingestellt?
Baumbusch: Seit Mitte 2023 wartet die Branche auf eine Erholung. Die geopolitischen Entwicklungen und die daraus resultierende gesamtwirtschaftliche Lage sind seit dem Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 nicht vorhersehbar. Bereits Ende 2023 prognostizierten weltweit führende Wirtschaftsinstitute sowie Branchenexperten für das zweite Halbjahr 2024 eine Markterholung.
Diese erwartete Erholung hat sich seither jedoch mehrfach verschoben. Gründe hierfür sind vielfältig, darunter der Handelskonflikt zwischen den USA und China, die anhaltende Krise im Nahen Osten sowie der fortdauernde Krieg in der Ukraine. Diese Unsicherheiten führen dazu, dass viele Kunden verunsichert sind und ihre Investitionsentscheidungen verschieben.
Was konkret hat diese extreme Verschärfung für Ihr Geschäft herbeigeführt?
Baumbusch: Wie zuvor erwähnt, vor allem die US-Handelspolitik und die allgemeine schwache Marktlage. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass chinesische Hersteller verstärkt den europäischen Markt ins Visier nehmen. Nachdem der Handelskonflikt mit den USA den ohnehin bereits schwachen Binnenmarkt in China zusätzlich belastet hat, suchen chinesische Unternehmen nun gezielt nach neuen Absatzmärkten.
Einer der größten Exportmärkte für chinesische Hersteller war bislang die USA. Aufgrund der aktuellen Handelsbarrieren richtet man sein Augenmerk zunehmend auf Europa und versucht, mit äußerst wettbewerbsfähigen Preisen Marktanteile zu gewinnen.
Zudem wirkt sich das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA stark belastend auf die deutsche Wirtschaft aus. Zwar konnte durch das Abkommen ein drohender Handelskollaps abgewendet werden, dennoch belasten die neuen Rahmenbedingungen die wirtschaftlichen Beziehungen erheblich.
Hinzu kommen die Entwicklung des Dollarkurses sowie die weiterhin steigende Inflation in den USA. Diese Faktoren erschweren die Geschäftsbeziehungen mit unseren amerikanischen Kunden.
Nach Lage der Dinge kommen zu diesen weltweiten Markteinbrüchen auch noch branchenspezifische Krisen hinzu, oder?
Baumbusch: Uns geht es hier nicht anders als anderen Branchen. Wobei die Holzbearbeitungsindustrie grundsätzlich eine zukunftsträchtige Industrie mit gutem Potenzial ist, insbesondere durch den Trend zum Bauen mit Holz. Dennoch ist die Prognose für den Wohnungsbau rückläufig – trotz hoher Nachfrage und erheblichem Investitionsstau. Vor allem die schwierigen Finanzierungsbedingungen führen zu einem Rückgang der Bautätigkeit. In der Möbelindustrie wird aktuell ein 15-Jahres-Tief verzeichnet, das maßgeblich durch die US-Zollpolitik beeinflusst wird. Das deutsche BIP ist im zweiten Quartal erneut rückläufig, während Insolvenzen und Arbeitslosenquote Höchststände erreichen.
Von was für einer Größenordnung sprechen wir bei den Umsatzrückgängen?
Baumbusch: Nach aktueller Planung rechnen wir für dieses Jahr mit einem Umsatzrückgang im hohen einstelligen Prozentbereich gegenüber dem Vorjahr. Die besten Standorte werden weiterhin gestärkt, das Produktportfolio wird weiter konsequent erweitert und Herausstellungsmerkmale unserer Produkte werden über eine starke Entwicklung generiert. Bei anhaltender globaler Marktschwäche muss jedoch die weltweite Kostenstruktur an die Marktsituation angepasst werden, um das Unternehmen nachhaltig gesund und resilient aufzustellen.
Wie reagieren Sie darauf?
Baumbusch: Angesichts zunehmender Marktvolatilität und verkürzter Konjunkturzyklen ist mittelfristig nicht mehr von stabilen Konjunkturphasen über fünf Jahre hinaus auszugehen. Wir gehen in unserer Mehrjahresplanung nicht mehr von einem wesentlichen Wachstum für die nächsten zwei bis maximal vier Jahre aus. Weiterhin erwarten wir einen sich noch verschärfenden Wettbewerbsdruck aus Asien und anderen Best-Cost-Countries. Wir werden Kosten einsparen und die weltweite Kostenstruktur an diese Marktsituation anpassen.
Was hat das für das Unternehmen Weinig zur Folge?
Baumbusch: Weinig ist ein stark aufgestelltes globales Traditionsunternehmen mit innovativen Produkten, leistungsfähigen und gut ausgebildeten Mitarbeitern, die sich sehr mit dem Unternehmen identifizieren und oft über Generationen Teil von Weinig sind. Wir haben einen sehr breiten Kundenstamm – vom kleinen Handwerker bis zur Industrie. Zudem verfügen wir über eine hohe Dynamik in der gesamten Unternehmensgruppe, die es uns erlaubt, auf wirtschaftliche Turbulenzen zu reagieren. Jetzt gilt es schnell zu handeln, zusammenzustehen und sich den neuen Marktherausforderungen zu stellen, um das Unternehmen nachhaltig aufzustellen und zu sichern.
Sie müssen Kosten anpassen und Einsparungen vornehmen. Wie und wo soll das geschehen?
Baumbusch: Ein starkes Projektteam wird eingesetzt, um gezielt jene Bereiche im Unternehmen zu identifizieren, in denen Effizienzpotenziale und notwendige Kosteneinsparungen bestehen. Auf dieser Grundlage wird ein Aktionskonzept entwickelt, das auf eine nachhaltige Anpassung an die veränderten Marktbedingungen abzielt und die organisatorische Resilienz stärkt. Wir gehen davon aus, dass auch künftig mit erheblichen Schwankungen und strukturellen Veränderungen in der Weltwirtschaft zu rechnen ist. Ein weiterer gravierender Faktor ist, dass sich die Dynamik in den weltweiten Wirtschaftsbeziehungen fundamental geändert hat. Wir müssen dies akzeptieren und uns für diese neue Weltordnung aufstellen.
Was heißt das konkret für den Standort Tauberbischofsheim, wo rund 1.000 der weltweit 2.450 Mitarbeiter von Weinig beschäftigt sind?
Baumbusch: Die Michael Weinig AG in Tauberbischofsheim ist der Stammsitz der Weinig Gruppe mit dem größten Fertigungs- und Montagewerk sowie dem Sitz der weltweiten Vertriebsorganisation, der Weinig Vertriebs- und Servicegesellschaft, aller Zentralfunktionen und der Unternehmensleitung. Wir haben hier in den letzten Jahren wesentlich investiert, was ein ganz klares Bekenntnis zum Standort in Tauberbischofsheim ist. Der Standort hat eine strategische Bedeutung und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Natürlich müssen wir die Kostenstruktur auch hier wettbewerbsfähig halten. Auch hier werden wir die Verbesserungs- und Einsparpotenziale analysieren und verbessern. Das Werk in Tauberbischofsheim sollte zukünftig in jeder Hinsicht ein Maßstab für die Gruppe sein.
Es ist logisch, dass in solch einer Situation auch das Thema Personalabbau angesprochen wird. Was sagen Sie dazu?
Baumbusch: Wie gesagt, ein Team wird in den nächsten drei bis vier Wochen ein entsprechendes Konzept für die Gruppe zur Kostenanpassung ausarbeiten und vorstellen. Potenzial zu Einsparung gibt es auch bei den Materialkosten und bei den Beständen, hier wird uns unser neues Logistikzentrum Möglichkeiten bieten. Nach heutigem Stand werden diese Maßnahmen alleine jedoch nicht ausreichen. Die Verpflichtung gegenüber unseren Mitarbeitern ist uns wichtig. Weinig lebt von seinen engagierten und motivierten Mitarbeitern. Der Abbau von Personal weltweit ist immer die letzte Konsequenz, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Voraussichtlich wird es aber leider dazu kommen müssen.
Haben Sie die Mitarbeiter bereits in Kenntnis gesetzt?
Baumbusch: An diesem Dienstag fand eine Informationsveranstaltung statt, in der wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassend über die aktuelle Situation informiert und die geplanten nächsten Schritte erläutert haben.
Gibt es Anzeichen, dass sich die Lage am Markt in absehbarer Zeit wieder verbessern wird?
Baumbusch: Wie bereits erwähnt, besteht weiterhin ein erheblicher Bedarf an Wohnraum, der gedeckt werden muss. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt in zwei bis drei Jahren von der aktuellen Krise zu einer Phase des Aufschwungs entwickeln kann. Darauf gilt es, unser Unternehmen gezielt vorzubereiten und die Resilienz nachhaltig zu stärken. Wir werden den Mehrwert unserer Maschinen und Anlagen weiter ausbauen, verstärkt Eigeninitiative ergreifen und sorgfältig prüfen, wie wir mit Komponenten und Teilen umgehen, die einem besonders intensiven Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Das Marktpotenzial ist grundsätzlich vorhanden. In diesem Zusammenhang möchte ich einen Appell an die Politik und die Regierung richten: Es sind dringend Maßnahmen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Unser Land lebt von Export und Produktion anders als andere Volkswirtschaften, die stärker vom Handel geprägt sind.
Wird es Abstriche für die Kunden geben?
Baumbusch: Im Sinne unseres Unternehmensslogans „Weinig bietet mehr“ haben wir die Ausrichtung unseres Unternehmens in den vergangenen Jahren stets konsequent an den Bedürfnissen unserer Kunden und den Anforderungen der Märkte orientiert. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Wir stehen unseren Kunden weltweit als verlässlicher Partner zur Seite, dafür steht Weinig.
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