Tauberbischofsheim. Drei junge Frauen haben sich von Marokko aus auf den Weg ins Taubertal gemacht. Nicht etwa um eine Radtour zu unternehmen, sondern um eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen. In den vergangenen drei Wochen sind Manal Elhiri, Ouidod Ameziane und Omaima Anaya aus ganz unterschiedlichen Gegenden des Magreb-Staats nach Tauberbischofsheim gekommen. Abgeholt hat sie am Würzburger Bahnhof Christiane Feige von der Evangelischen Heimstiftung. Sie ist vor Ort Koordinatorin des Projekts zur Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte.
Nadine Veit, Leiterin des Johannes-Sichart-Hauses, ist froh, dass die Evangelische Heimstiftung den Weg, interessierte junge Menschen aus dem Ausland für eine Ausbildung zu rekrutieren, eingeschlagen hat. Als vorherige Leiterin des Adam-Rauscher-Hauses hat sie bereits gute Erfahrungen mit dem Projekt gemacht.
Gute Erfahrungen im Rauscher-Haus gemacht
„Wir hatten dort hochmotivierte Tunesier mit einer sehr guten Schulausbildung und einem guten Grundstock an Deutschkenntnissen“, berichtet sie. Jetzt helfen diese Kräfte den Neuankömmlingen aus dem nordafrikanischen Nachbarstaat, sich hier zurechtzufinden. Bei Sprachproblemen dolmetschen sie.
Als Begleiterin und Ansprechpartnerin bei Problemen aller Art sieht sich Christiane Feige. Neben der Projektkoordination hat sie die Praxisanleitung im Sichart-Haus inne und nimmt die drei Neuen somit ganzheitlich unter ihre Fittiche. Vor der Ankunft des Trios war für sie eine Menge zu erledigen. Eine kleine möblierte Wohnung zu finden, in der zwei Auszubildende für den Anfang unterkommen können, stellte eine echte Herausforderung dar. Zwei sind jetzt in Impfingen untergebracht, die dritte zog in die Wohnung von den im Adam-Rauscher-Haus arbeitenden Tunesiern in Tauberbischofsheim ein.
In Marokko ist die Ausbildung praxisfern und teuer
Wenn Auszubildende aus dem Ausland für Deutschland rekrutiert werden, lautet die zentrale Frage zunächst, wie das eigentlich funktioniert. Die drei jungen Frauen berichten, dass sie durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf die Chance in Deutschland aufmerksam wurden. „Wenn man in Marokko eine Ausbildung zur Pflegefachkraft macht, hat man kaum Praxis, sondern nur Schule“, erzählt Ouidod Ameziane. Und Omaima Anaya ergänzt: „Wir bekommen während der Ausbildung kein Geld, sondern müssen für die Schule und für die Praktika in Krankenhäusern oder Pflegeheimen bezahlen.“ Im Schnitt verdiene man in Marokko zwischen 400 und 500 Euro im Monat, allein die Pflegeschule koste 150 Euro im Monat.
Von einem Freund, der in Deutschland in der Gastronomie arbeitet, hörte Ouidod von den Chancen, die jungen Menschen hier geboten werden. Ähnlich war es bei Omaima, deren Schwester bereits in Deutschland lebt. Auch bei Manal war es Mundpropaganda, die ihr den Weg ins ferne Deutschland eröffnete. Um sich zu bewerben, lernten alle drei zunächst Deutsch, um mindestens das B1-Level, wenn nicht gar die B2-Stufe zu erreichen. Das ist Voraussetzung für eine duale Ausbildung, denn auch die Schule will geschafft werden.
Bewerbungsgespräch per Videoschalte
Ihre Bewerbung haben sie im Anschluss an die Evangelische Heimstiftung gesandt, die in Stuttgart ein spezielles Bewerbermanagementsystem betreibt. Die Vorstellungsgespräche wurden per Video-Konferenz geführt. „Ich frage dabei immer sehr konkret nach“, erläutert die Heimleiterin. So will sie zum Beispiel wissen, ob die Bewerberinnen in der Lage seien, sowohl Männer als auch Frauen zu waschen.
Ist alles geklärt und sind die Papiere zusammen, geht es pünktlich zum neuen Ausbildungsjahr nach Deutschland. Vor Ort in Tauberbischofsheim hat Christiane Feige noch einige Behördengänge vor sich. Liegt die Wohnungsgeberbescheinigung vom Vermieter vor, geht sie zur Stadt, um künftige Auszubildende anzumelden. Mit dieser Bescheinigung wiederum kann sie eine Steuer ID beantragen, die notwendig ist, um eine Krankenversicherung abzuschließen und ein Konto zu eröffnen. All das sind Voraussetzungen, um als Ausländerin ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis einzugehen.
Das gesamte Umfeld muss stimmen
„Schon bei den Tunesiern wurden wir sehr gut von Britta Schwarzlose unterstützt. Sie ist stellvertretende Leiterin der Schule für Ernährung, Pflege und Erziehung und verfügt über beste Kontakte“, beschreibt Nadine Veit die Vernetzung mit der Schule in Bad Mergentheim. Diese Zusammenarbeit ist ihr wichtig, weil das gesamte Umfeld stimmen muss, damit jemand gut in Deutschland ankommt und sich wohl fühlt.
„Schließlich haben wir auch eine psychosoziale Verantwortung“, begründet Veit den Aufbau eines Netzwerks, um für junge Menschen, die in die Fremde gehen, da zu sein. Sie weiß aus Erfahrung, dass es immer mal wieder Heimweh geben kann.
Senioren reagieren positiv und neugierig
Nadine Veit und Christiane Feige sind optimistisch. Ouidod ist bereits seit drei Wochen in Tauberbischofsheim und hat ihre Sprachkenntnisse durch die tägliche Übung schon enorm ausgebaut. Auch Pflegedienstleiterin Christine Heid zeigt sich zuversichtlich. „Die jungen Frauen sind nicht schüchtern, sondern gehen offen auf unsere Bewohner zu. Auch die Senioren reagieren sehr positiv auf die Auszubildenden und sind neugierig, was sie aus ihrer Heimat zu berichten haben.“
Die drei freuen sich auf ihre Chance in Deutschland. „Ich glaube, es wird mir hier Spaß machen“, meint Manal Elhiri. Das hofft auch Nadine Veit. Gesucht wurden nämlich ausdrücklich nur junge Menschen, die eine dreijährige Ausbildung angehen wollen, um danach als Fachkräfte zu arbeiten. Ihr Ziel lautet: Die jungen Leute auch nach der Ausbildung in Deutschland und am liebsten bei der Evangelischen Heimstiftung vor Ort zu halten, wo sie dringend gebraucht werden.
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