Sport

Tauberbischofsheim: Auch die Unesco findet Karate gut

Schlatt ist Cheftrainer der Karateabteilungen des TSV Tauberbischofsheim und des TV Wertheim. Wohl niemand kann die Vorzüge des Karatesports besser preisen als er. Doch nun spricht er von einem Mitgliederrückgang. Der Auslöser: Corona.

Von 
Sabine Holroyd
Lesedauer: 
Schlatt mit seiner Frau Iris und dem Familienhund Freki. © Tatsumi Götzelmann

Tauberbischofsheim. „Seit Corona sind rund 30 Leute, die bei mir trainiert haben, abgesprungen“, sagt Cheftrainer Schlatt, der eigentlich Erhard Götzelmann heißt. Doch so nennt ihn niemand. Der 59-Jährige ist eine schillernde Persönlichkeit, kann auf viele, auch weltweite Erfolge im Karate zurückblicken. Doch dass so viele seiner Schützlinge nach und nach dem Training fernblieben, ist auch für ihn eine neue Erfahrung. Verantwortlich dafür ist seiner Meinung nach Corona.

Mit dem Mitgliederrückgang hätten alle Sportvereine zu kämpfen, sagt er im Gespräch mit den FN und stellt klar: „Wenn die Leute wegen der Einschränkungen in der Pandemie einen Outdoor-Sport wie etwa das Radfahren für sich entdeckt haben, ist das völlig in Ordnung für mich. Schließlich will ja auch nicht jeder in einer Halle trainieren.“

Allerdings, und das macht ihm Sorgen, hätte nun so manch einer gemerkt, dass man auch ganz gut zuhause bleiben und seine Zeit am Handy und beim Streamen verbringen kann. „Wir werden körperlich und geistig immer unbeweglicher“, befürchtet er und sagt: „Ich habe Zwölfjährige unterrichtet, die nicht einmal wussten, was ein Purzelbaum ist.“ Für Schlatt geht das gar nicht.

Im sonnengelben Karate-T-Shirt mit „Hello Kitty“-Logo hält der Nicht-Tänzer und eigenen Aussagen zufolge auch nicht besonders Ball-Begabte ein flammendes Plädoyer auf sein geliebtes Karate: „Es gibt meiner Meinung nach keine andere Sportart, die das bietet, was Karate bieten kann. Man wird dadurch körperlich und geistig fit – das hat selbst die Unesco anerkannt. Karate macht Spaß. Obwohl es sich um eine Individualsportart handelt, wird man dabei von der Gruppe getragen. Und auch wenn im Training fast ganz auf Körperkontakt verzichtet wird, kann man sich doch bis zu einem gewissen Grad im Fall der Fälle auch selbst verteidigen. Eine Kunst für alle Altersklassen, die alles bietet und keine Voraussetzungen stellt.“

Schlatt erzählt: „In den Trainingseinheiten ist jeder bis an die eigenen Grenzen gefordert, denn Karate ist ein Ganzkörper-Workout.“ Jedoch käme es nicht darauf an, wie schnell oder stark jemand sei, denn alle würden auf ihrem persönlichen Niveau schneller und stärker werden. „Ja“, gibt er zu, „ich bin ein strenger Trainer mit einer lauten Stimme. Ich nutze sie, damit die Leute sich selbst an ihr Limit bringen und ihr Bestes geben.“

Der Wahl-Distelhäuser, der während der Corona-Zeit auch viele Videokurse unter dem Namen „Der Schlatt“ auf YouTube gepostet hat, möchte mit einem Vorurteil aufräumen: „Viele denken, Karate wäre nichts für sie. Dabei kann das jeder erlernen – wie gut, ist eine andere Sache. Ich habe auch Leute dabei, die nicht perfekt sind und es vielleicht auch nie werden, aber sie kommen trotzdem in den Unterricht, weil es ihnen gefällt und guttut.“

Sein ältester Karateka ist 73, Kinder können ab fünf Jahren bei ihm mit dem Training beginnen – „ich bilde aber keine ,Mini-Ninjas’ aus“, stellt er klar. Bei der Gruppe der zwischen 15- bis 25-Jährigen klaffe die größte Lücke, und dafür kann Corona ausnahmsweise nichts: „Darunter leiden alle Sportvereine. Viele aus dieser Altersklasse hören einfach auf, weil sie denken, sie müssten sich mehr auf das Lernen konzentrieren. Doch es ist erwiesen, dass sich körperliche Bewegung positiv auf die Lernergebnisse auswirkt.“

Und er denkt auch an die ältere Generation, wenn er sagt: „Was nützt einem der beste Rentenfonds, wenn einem der Rücken wehtut, wenn man sich nicht mehr bücken kann oder wenn man immer mehr vergisst? Uns muss einfach bewusst werden, dass wir mit dem Eintritt ins Rentenalter noch lange nicht am Ende sind. Eine Lebenserwartung von über 80 Jahren fordert eben auch Maßnahmen. Karate bietet neben dem körperlichen Aspekt die Förderung der Synapsenbildung im Gehirn, was die Gefahr, an Alzheimer zu erkranken, vermindert.“

Zum Schluss kommt er dann noch einmal auf den Selbstverteidigungsgedanken zurück: „Schon in meiner Jugend wollte ich immer stark sein und anderen in Not helfen. Karate hat mich stark gemacht.“

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten