Tauber-Odenwald. Defekte Toiletten, überfüllte Waggons, ständig verspätete Züge – auf der Frankenbahn zwischen Stuttgart und Würzburg herrscht seit geraumer Zeit bei vielen Reisenden Dauerfrust. Fahrgäste können sich auf kaum etwas verlassen: Verbindungen fallen aus, Lokführer stellen ihren Zug ab, weil ihre Schicht zu Ende ist, und manch einer strandet mitten in der Nacht auf einem Bahnhof im Nirvana – ohne Anschluss, ohne Information, ohne Hilfe. Immer mehr Pendler wenden sich mit ihrem Ärger an die Redaktion, der Ton wird rauer. Auch Landräte und Abgeordnete schlagen jetzt Alarm. Die Kritik an Betreiber Arverio – mittlerweile ein Tochterunternehmen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) – wächst. Droht auf dem Abschnitt gar ein Mobilitäs-Dilemma?
Für viele ist die Situation eine Zumutung
Für viele Passagiere ist die Situation längst zur Zumutung geworden. War mit der Übernahme der Strecke durch Arverio zunächst noch Hoffnung verbunden, sehen sich die Nutzer der Verbindung nun mit einem realen Rückschritt konfrontiert. „Die Frankenbahn ist gegenwärtig für viele zum Symbol des Scheiterns der Verkehrswende im ländlichen Raum geworden“, meint ein Berufspendler aus dem Raum Lauda. „Ich bin eigentlich auf die Bahn angewiesen – aber mittlerweile plane ich meine Termine mit dem Auto. Anders geht es nicht.“
Ein aktuelles Ranking des baden-württembergischen Verkehrsministeriums zeigt deutlich, wie groß die Probleme auf der Strecke sind: Platz 31 von 33 – also fast Schlusslicht im landesweiten Vergleich.
Auch auf kommunalpolitischer Ebene wächst die Ungeduld. Dr. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, findet deutliche Worte: „Die Situation auf der Frankenbahn ist für Fahrgäste mittlerweile ein Dauerärgernis –und eigentlich kaum mehr akzeptabel.“ Regelmäßige Verspätungen, Zugausfälle, oft drangvolle Enge und fehlender Komfort stellten die Geduld der Menschen auf eine harte Probe. Noch alarmierender sei jedoch, dass inzwischen kaum noch Beschwerden bei den Verwaltungen eingingen. „Unser Eindruck ist: Die Menschen haben resigniert. Und das ist das eigentlich Dramatische“, sagt Dr. Brötel. „So kann die Verkehrswende im ländlichen Raum jedenfalls nicht gelingen.“ Die Frankenbahn, „für die wir in den vergangenen Jahren wahrlich gekämpft haben, braucht jetzt die volle Aufmerksamkeit“.
Auch sein Kollege aus dem Main-Tauber-Kreis, Landrat Christoph Schauder, zeigt sich sehr besorgt. Die Frankenbahn sei eine wichtige Lebensader für die Region – gerade für Berufspendler, Schüler und Reisende. „Die Berichte über die mangelnde Betriebsqualität sind erschreckend. Verspätungen, Ausfälle, überfüllte Züge und nicht funktionierende Toiletten sind ein ganz großes Ärgernis“, sagt Schauder. Er warnt: „Wenn die Menschen sich auf den öffentlichen Nahverkehr nicht mehr verlassen können, steigen sie wieder aufs Auto um. Dann ist die Verkehrswende gescheitert, bevor sie begonnen hat“, stößt er ins gleiche Horn wie sein Kollege Dr. Brötel.
Schauder erinnert daran, dass es in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte gegeben habe, etwa mit dem Stundentakt zwischen Lauda und Osterburken. Doch diese Erfolge seien nun in Gefahr. „Es darf nicht sein, dass diese Bemühungen durch Schlechtleistungen und Unvermögen von Eisenbahnunternehmen zunichtegemacht werden.“
Ein zentrales Problem bleibe die Zersplitterung der Zuständigkeiten. Die Landkreise selbst seien nicht Auftraggeber des Regionalverkehrs – das sei das Land Baden-Württemberg über die Nahverkehrsgesellschaft NVBW. „Wir können als Landkreise nur appellieren, nicht sanktionieren“, erklärt Schauder. Umso wichtiger sei es, dass das Verkehrsministerium in Stuttgart nun selbst Druck mache.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hat Arverio mittlerweile deutlich aufgetragen, die Qualität zu verbessern – besonders bei der Fahrzeugverfügbarkeit und den sanitären Anlagen. Doch vor Ort ist von Verbesserungen noch wenig spürbar – wie die vielen Beschwerden zeigen, die auch in der FN-Redaktion eingehen.
Für MdL Reinhart ist der Zustand „untragbar“
Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Wolfgang Reinhart hat sich eingeschaltet. „Dass viele Toiletten defekt sind, ist ein völlig inakzeptabler Zustand. Die ganze Situation gegenwärtig ist untragbar“, so Reinhart gegenüber den FN. Es könne nicht sein, dass Menschen ihre Mobilität einbüßten, weil ein Betreiber nicht in der Lage sei, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Aus diesem Grund werde er sich mit Verkehrsminister Winfried Hermann rasch in Verbindung setzen mit der Aufforderung, Druck auszuüben und darauf zu bestehen, die Lage deutlich zu verbessern.
Fahrgäste, Kommunalpolitiker und Interessenvertreter sind sich einig: So kann es nicht weitergehen. Die Frankenbahn sei nicht irgendeine Strecke, sondern eine zentrale Verbindung für den ländlichen Raum. Ihre Bedeutung gehe weit über reine Transportleistung hinaus – sie sei Teil der Lebensqualität und der Daseinsvorsorge. „Wir haben in der Region lange und hart für den Erhalt dieser Strecke gekämpft“, sagt Dr. Brötel. Jetzt erwarte man, dass sie endlich funktioniere.
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