Tauberbischofsheim. Lenken, schalten, blinken, dabei stets die anderen Verkehrsteilnehmer sowie die eigene Geschwindigkeit im Auge behalten und bloß nicht den Motor abwürgen: Fahranfänger können schnell mal ins Schwitzen geraten. 18- bis 24-jährige Verkehrsteilnehmer haben auch mit das mit Abstand höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr. 2022 verunglückten in Deutschland insgesamt knapp 55 000 junge Menschen dieser Altersgruppe auf Deutschlands Straßen – 300 von ihnen tödlich. Das begleitete Fahren ab 17, kurz BF17, soll helfen, wichtige Erfahrungen mit einer Begleitperson an Bord zu sammeln. Vor 20 Jahren wurde es erstmals in Niedersachsen eingeführt. Bayern folgte 2005, Baden-Württemberg 2008.
Das BF17 wird in der Region gut angenommen: 2022 haben sich im Main-Tauber-Kreis 785 junge Menschen dafür entschieden, im Jahr 2023 waren es 892 Heranwachsende, informierte der Pressesprecher des Kreises, Markus Moll, die FN. Laut Jan Egenberger, Pressesprecher des Neckar-Odenwald-Kreises, wurden 2022 dort 947 und 2023 913 Anträge auf das begleitete Fahren ab 17 gestellt.
Christoph Heintz ist seit über 25 Jahren Fahrlehrer in Tauberbischofsheim. Bis auf die Busklassen kann man bei ihm in der Fahrschule „Fit for Drive“ jeden Führerschein ablegen. Zudem bildet er angehende Fahrlehrer aus. „Grundsätzlich ist das BF17 eine gute Sache“, sagt er, schiebt aber auch gleich eine Einschränkung hinterher: „Wenn die Leute dann aber auch mit 17 Jahren sofort Auto fahren würden.“ Er erklärt: „Die Wunschvorstellung ist ja die, dass ein Jugendlicher ein ganzes Jahr vor dem 18. Geburtstag Auto fährt und dabei 2000 bis 3000 Kilometer unter Anleitung – zumeist der Eltern – zurücklegt. Doch die Leute melden sich oft erst mit 17 oder 17,5 Jahren an, so dass wertvolle Zeit verstreicht.“ Dann, so seine Erfahrung, machten sie den Führerschein doch erst mit 18 oder seien überwältigt, wie viel Freizeit ihnen durch die theoretische und praktische Ausbildung entgeht. Die Konsequenz: Der Fahrschüler sei nicht in drei Monaten, sondern möglicherweise erst in neun Monaten bereit für die Prüfungen – folglich wird der Zeitraum für das BF 17 wieder kürzer.
Christoph Heintz machte seinen Führerschein einst mit einem Golf II mit vier Gängen. Die Verkehrsdichte habe seitdem immens zugenommen, die Anforderungen an die Fahrschüler seien viel höher als damals. „Heute“, weiß er, „gibt es in Deutschland über 61 Millionen zugelassene Fahrzeuge.“ Seiner Erfahrung nach fielen auch mehr Führerscheinaspiranten durch als früher. Einer der Gründe könnte in der längeren Prüfzeit für die Führerscheinklasse B liegen, die von 45 auf 55 Minuten hochgeschraubt wurde: „Da hat man natürlich mehr ,Möglichkeiten’, einen Fehler zu machen.“
Klare Haltung zu BF16
Zum immer wieder diskutierten BF16 hat Heintz eine ganz klare Meinung: „Leute mit 16 Jahren haben einfach noch nicht das nötige Verantwortungsbewusstsein, das man im Straßenverkehr einem Kind, einer älteren Person oder einem Menschen mit Handicap gegenüber benötigt.“ Bei der Antragstellung für das BF 17 im Büro würden erstaunlicherweise viele Fahrschüler in spe fragen, ob sie unbedingt eine Begleitperson eintragen lassen müssen. „Der Papa ist vielleicht zu unruhig, die Mama zu ängstlich“, vermutet Heintz. Doch das ändert nichts daran, dass eine im Dokument festgehaltene Person dabei sein muss. Christoph Heintz erklärt: „Der Begleiter soll ja nicht Fahrlehrer spielen und aktiv eingreifen, sondern er soll mit dem jungen Menschen am Steuer über Situationen sprechen, ihm das vorausschauende und wirtschaftliche Fahren nahebringen und auch die Verantwortung, die man am Lenkrad hat, verdeutlichen.“
Der Fahrlehrer gibt unumwunden zu, dass der Erwerb des Pkw-Führerscheins nicht zuletzt auch wegen der gestiegenen Lohnkosten, der teuereren Autos und der höheren Anforderungen in der praktischen Prüfung kostenspieliger geworden ist. Zwischen 2900 und 3500 Euro – mit Luft nach oben – koste er in der Region.
Wie viele seiner Kollegen auch, macht er die Erfahrung, dass sich die Klientel verändert. „Die Konzentrationsfähigkeit der jungen Leute hat – bezogen auf die Dauer, aber auch auf die Tiefe hin – abgenommen.“ Er berichtet von einem Anwärter auf den Lkw-Führerschein, der in der 90-minütigen Fahrstunde nach 60 Minuten um eine Pause bat. „Ich habe ihm gesagt, dass die Lkw-Praxis-Prüfung 85 Minuten dauert. Also mussten wir trainieren, damit er die knapp 90 Minuten dann auch durchhält.“
Manche Schüler, findet er, bekämen gar nicht mit, dass sich die theoretische und praktische Ausbildung ergänzen: „Wenn man im Theorie-Unterricht nicht mitmacht oder überhaupt nicht aufpasst, braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn dann mehr Fahrstunden zusammenkommen.“ Außerdem empfiehlt er, vor den eigentlichen Fahrstunden Praxis auf Verkehrsübungsplätzen zu sammeln – auch damit könne man Geld sparen. Ein Fahrsicherheitstraining findet er dagegen erst sinnvoll, wenn der Neuling am Steuer bereits über rund 5000 Kilometer „Fahr-Erfahrung“ verfügt. „Ein Gutschein für ein solches Training ist ein sinnvolles Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk und allemal besser als noch ein weiteres Technik-Gadget“, gibt er zu bedenken.
Es gibt zu wenig Fahrlehrer
Seinen Beruf bezeichnet der frühere Erzieher als „einen der schönsten überhaupt“. Das ginge vielen seiner Kollegen genauso. Allerdings fehle ihm und den meisten anderen Fahrschulen in Deutschland etwas ganz Elementares: „Wir haben viel zu wenig Fahrlehrer. Gerade hier auf dem Land sind wir aber auf die eigene Mobilität angewiesen.“
Seine Frau Elke, die in der Fahrschule für die Bürokratie-Arbeit zuständig ist, sagt: „Wenn Leute bei uns anrufen, um sich für eine Fahrausbildung anzumelden, fragen viele zuerst: Nehmen Sie überhaupt noch Fahrschüler auf?“
Ein Fahrlehrer sei in seinem Auto sein eigener Chef und könne sich seine Zeit selbst einteilen – eine gute Portion Organisationstalent ist da natürlich von Vorteil. Als selbständiger Fahrlehrer gibt es für ihn jedoch auch mal 70-Stunden-Wochen. Aber die Freiheit und die Freude, wenn man einen Nicht-Autofahrer zu einem guten Autofahrer gemacht hat, der die Prüfung dann auch mit Bravour besteht, wiege die Arbeitsbelastung dann auch wieder auf, meint er.
Die Abbruchquote bei der Ausbildung von Fahrlehrern liege allerdings bei 67 Prozent. Warum ist das so? Christoph Heintz sieht das Problem in der anspruchsvollen und zeitaufwendigen Ausbildung: „In sieben, acht Monaten Schule muss man Dinge lernen, für die man normalerweise zwei Jahre brauchen würde.“
Der Theorieteil dauere über fünf Monate, danach müsse man in einer Fahrschule ein fünfmonatiges Praktikum absolvieren. Alles in allem kostet die Ausbildung rund 16 000 Euro.
Umso froher sind Christoph und Elke Heintz an ihren beiden angestellten Fahrlehrern – einer von ihnen ist Josef Horvath aus Buchen.Er ist seit 1996 Fahrlehrer und startete 2012 in der Tauberbischofsheimer Fahrschule. Auch heute noch ist er mit Freude bei der Sache. Für ihn liegen die Vorteile des BF17 auf der Hand: „Die zweijährige Probezeit beginnt dann auch schon mit 17 und nicht erst mit 18. Außerdem haben die jungen Leute, die das Abitur machen wollen, den Fahrprüfungsstress schon hinter sich, wenn es dann in der Schule so richtig zur Sache geht.“
Er verweist außerdem auf die geringere Zahl von Unfällen, die Teilnehmer des BF17-Programms verursachen. Nicht zuletzt sei durch die Teilnahme am BF17 auch die Kfz-Versicherung für das erste eigene Auto der jungen Fahrer oft günstiger.
Allgemein stellt Horvath fest, dass seine „Schützlinge“ heutzutage mehr Stress durch die Schule und den Beruf hätten als damals, als er mit dem Fahrunterricht anfing. „Darauf muss man dann eben bei der Ausbildung eingehen“, sagt er.
Er versteht allerdings wie viele seiner Kollegen bis heute nicht, warum Baden-Württemberg mit der Einführung des BF17 so lange zögerte und erst die Erfahrungen anderer Bundesländer abwarten wollte: „Das war richtig beschämend – ausgerechnet das Land, in dem das Auto quasi erfunden wurde, ließ sich so lange Zeit damit.“ Er bedauert auch, dass es BF17-Absolventen nur in Österreich gestattet sei, am Steuer zu sitzen. In anderen Ländern sei das nicht erlaubt.
Panik auf dem Beifahrersitz
Zurück zur Familie Heintz. Das Paar hat selbst zwei mittlerweile erwachsene Kinder und erinnert sich noch gut an die BF17-Zeit. „Anfangs hatte ich auf dem Beifahrersitz richtig Panik. Das hat sich dann zum Glück gelegt“, berichtet Elke Heintz. Ihr Mann sagt: „Kurz vor dem jeweiligen 18. Geburtstag sind wir beide dann wieder richtig anstrengend geworden, weil wir meinten, wir müssten ihnen jetzt noch den letzten Schliff mitgeben. Auch die erste Zeit, in der unser Sohn und unsere Tochter dann alleine mit dem Auto fuhren, waren wir beide nervös.“ Elke Heintz erinnert sich: „Und dann kamen sie unversehrt nach Hause und sagten: ,Chillt doch mal’!“
Eine Frage muss natürlich sein: Wer ist denn der bessere Fahrer bei der Familie Heintz? Er erklärt lachend: „Auch die eigene Ehefrau ist ja oft noch Fahrschülerin. Sie ist aber auf jeden Fall die bessere Beifahrerin.“
Sie ergänzt: „Und er der bessere Fahrer“.
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