Tauberbischofsheim. Der eigene Haushalt ist kaum mehr zu schaffen, das Treppensteigen fällt schwer, das Einkaufen mit Rollator macht Mühe. Alt werden ist kein Kindergeburtstag, heißt es landläufig – und tatsächlich ist da was dran. Nicht ohne Grund beschäftigen sich Politik, Krankenkassen, Sozialverbände und Wissenschaft mit den Themen Zukunft der Rente und Pflege.
Der Main-Tauber- Kreis mit einem Bevölkerungsanteil von 25,5 Prozent im Alter zwischen 60 und 80 Jahren und der Neckar-Odenwald-Kreis mit einer Quote von 25,4 Prozent in dieser Altersgruppe gehören zu den Landkreisen mit der prozentual ältesten Bevölkerung in Baden-Württemberg. Das zumindest sagen die Zahlen des statistischen Landesamts. Bei den über 80-Jährigen rangiert der Main-Tauber-Kreis mit 7,3 Prozent vor dem Neckar-Odenwald-Kreis mit 7 Prozent.
Rücklagen sind meist schnell aufgebraucht
„Wir sind einer der ältesten Landkreise in Baden-Württemberg und spüren das auch deutlich bei den Neuantragszahlen für die Hilfe zur Pflege“, erläutert Nicole Schwarz, Leiterin des Amts für Pflege und Versorgung beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis. „Mit den steigenden Zahlen älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger kommen immer mehr Senioren dazu, die ihre Pflegekosten nicht mehr selbst bezahlen können“, meint sie. Die Rücklagen seien durch hohe finanzielle Belastung schlichtweg aufgebraucht, so dass der Staat die Kosten übernehmen muss.
In der Tat: Pflege in einer stationären Einrichtung ist teuer. Die Rente reicht in der Regel nicht, um den Eigenanteil für einen Pflegeheimplatz zu stemmen. Durchschnittlich erhält ein Rentner laut „Bürger & Geld“ seit der Rentenerhöhung im Juli 1.100 Euro pro Monat, wobei das Alterssalär bei Männern 1346 Euro und bei Frauen 903 Euro beträgt.
Eigenanteil in Baden-Württemberg über 3500 Euro
Im Schnitt beläuft sich der Eigenanteil für einen stationären Pflegeheimplatz in Deutschland nach Abzug von Zuschüssen laut Statista auf 3.378 Euro im Monat. In Baden-Württemberg liegt dieser Satz momentan bei 3.542 Euro ab Pflegegrad 2. Spitzenreiter in der Bundesrepublik ist Bremen mit 3766 Euro, gefolgt vom Saarland mit 3.671 Euro und Nordrhein-Westfalen mit 3566 Euro. Den günstigsten Eigenanteil weist Sachsen-Anhalt mit 2.679 Euro, gefolgt von Niedersachsen mit 2870 Euro und Mecklenburg-Vorpommern mit 2.916 Euro auf. Bei all diesen Zahlen klafft eine riesige Lücke zwischen der Summe, die als Rente reinkommt, und der, die für ein Pflegeheim zu zahlen ist. Tatsächlich handelt es sich bei den genannten Zahlen lediglich um Durchschnittswerte. Je nach Anbieter können die Preise wesentlich höher sein und die 4.000 Euro leicht überschreiten. Nach oben ist ohnehin keine Grenze gesetzt.
Je länger jemand in einer stationären Einrichtung gepflegt und betreut wird, desto niedriger wird die eigene Zuzahlung. „Seit dem 1. Januar 2022 gibt es einen Leistungszuschlag“, erläutert Nicole Schwarz. Im ersten Jahr sind das 15 Prozent, im zweiten 30 Prozent, im dritten 50 und im vierten Jahr 75 Prozent. Für Baden-Württemberg bedeutet dies eine entsprechende prozentuale Minderung des Eigenanteils der Pflegekosten. Der liegt im ersten Jahr im Landesschnitt aber immer noch bei 3237 Euro.
Pflege verschlingt 9 Prozent des Sozialetats
Der Sozialetat hat von diesem Zuschlag allerdings nicht profitiert, wie Sozialdezernentin Elisabeth Krug ausführt. „Übergangsweise wurden die Hilfebeträge zwar reduziert, die Pflegevergütungen sind aber bereits 2024 so massiv angestiegen, dass sie nicht mehr mit den Leistungszuschlägen kompensiert werden können“, so Krug. Im Main-Tauber-Kreis macht die Hilfe zur Pflege mittlerweile neun Prozent des gesamten Sozialetats aus ¬– Tendenz steigend.
Grund für die Kostensteigerungen sei der hohe Investitionskostenbetrag, erläutert die Sozialdezernentin. Ist ein Pflegeheim neu und nach aktuellem Standard ausgestattet, schlägt das bei diesen Kosten zu Buche. 2002 ist das Land Baden-Württemberg aus der Förderung für Pflegeheime ausgestiegen, wodurch die öffentliche Finanzierung von Investitionskosten beendet wurde. Zuvor war dieser für Bau und Sanierung von Heimen gewährt worden. Seitdem müssen diese Kosten von den Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner oder die kommunalen Sozialhilfeträger gedeckt werden.
Zusatzkosten lassen Kosten steigen
Außerdem fließt eine Ausbildungspauschale in den Eigenanteil ein, die in Baden-Württemberg derzeit bei 4,81 Euro pro Tag liegt. Zudem sei der 1,5-prozentige Gewinnzuschlag der Pflegeheimbetreiber einzukalkulieren, erläutert Elisabeth Krug. Auch die vielen Variationen beim Personalschlüssel, die von den jeweiligen Trägern und ihren Konzepten abhingen, wirkten sich auf die Kosten aus.
„Mir geht das Geld langsam aus“, lautet ein Satz, der von Bewohnern von Pflegeheimen immer wieder zu hören ist. In der Tat schmilzt das Ersparte oder der Erlös aus dem Verkauf des Eigenheims schnell dahin, wenn ein Pflegeheimplatz bezahlt werden muss. Allein 10.000 Euro – das sogenannte Schonvermögen – werden nicht angetastet. Auch Kinder sind selten unterhaltspflichtig. Seit 2020 gilt die 100.000-Euro-Grenze pro Kind. Liegt das Bruttoeinkommen darunter, fordert das Sozialamt in der Praxis keinen Elternunterhalt ein. Bei einer alternden Gesellschaft bleibt Senioren dann nur der Weg zum Amt, der oft mit Scham verbunden ist.
Elisabeth Krug und Nicole Schwarz spüren die demografische Entwicklung deutlich. „Der Ansatz für die Hilfe zur Pflege im laufenden Haushalt wird nicht ausreichen“, so Krug. Die überplanmäßigen Ausgaben werden hoch sein. Landrat Christoph Schauder fragte bei dem riesigen Kostenanstieg für den Eigenanateil am Pflegeheimplatz in seiner Haushaltsrede: „Wer kann sich das noch leisten?“ Insgesamt sei der Etat für stationäre und ambulante Pflege für das kommende Jahr optimistisch auf 8,2 Millionen Euro angesetzt, was eine Steigerung von satten 30 Prozent bedeute.
Hauptlast der Pflege tragen Angehörige
Froh sind die Verantwortlichen, dass die Familie nach wie vor für die Senioren da ist. „Die Hauptlast der Pflege leisten Angehörige“, weiß Nicole Schwarz. Laut Pflegestatistik 2023 hatten 9448 Menschen im Main-Tauber-Kreis Anspruch auf Leistung der Pflegeversicherung, 7888 von ihnen wurden zu Hause versorgt. In Schwarz‘ Ressort fällt auch der Pflegestützpunkt, der Rat und Hilfe für Senioren und für Angehörige bietet.
Schwarz empfiehlt, sich rechtzeitig mit dem Thema Pflege auseinanderzusetzen. So könne die Wohnsituation frühzeitig geklärt und seniorengerechte Umbauten in Angriff genommen werden. Außerdem sollte für den Fall der Fälle eine Betreuungsvollmacht erteilt werden. Darüber hinaus könnte sich über eine Versorgung im Pflegefall informiert werden. Welche ambulanten Dienste können helfen, um im eigenen Haushalt zu bleiben, ist die Pflege durch Angehörige leistbar oder kommt eine stationäre Unterbringung in Frage? Und wie ist diese zu bezahlen, lauten die Fragen.
Überhaupt nimmt die Finanzierung im Pflegefall einen breiten Raum ein, der nicht leicht zu durchschauen ist. Die Broschüre „Leistungsübersicht der Pflegeversicherung“, die das Team des Pflegestützpunkts Main-Tauber-Kreis herausgegeben hat, ist zwar übersichtlich gestaltet, inhaltlich aber äußerst komplex. Gerade deshalb empfiehlt sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema und eine persönliche Beratung.
Was der Pflegestützpunkt bietet
- Der beim Landratsamt angesiedelte Pflegestützpunkt hat eine neue Homepage , auf der alle Informationen rund um das Thema Pflege aufgelistet sind.
 - Dort findet sich neben allen Broschüren auch eine Checkliste unter der Überschrift: „Plötzlich Pflege – was tun?“
 - In sieben Schritten werden die wichtigsten Fragen gestellt und Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt.
 - Kacheln leiten zu weiteren Themen wie Unterstützung zu Hause und außer Haus, Beantragung eines Pflegerads und Begutachtung, gesetzliche Leistungen , Patientenverfügung und Vollmacht, pflegende Angehörige und Demenz.
 - Bei allen Themen sind Dienste, Adressen und Ansprechpartner hinterlegt.
 - Außerdem finden sich die Termine der Außensprechstunden des Pflegestützpunkts in Creglingen, Bad Mergentheim, Lauda, Niederstetten und Wertheim. hvb
 
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