Odenwald-Tauber. „Ich rate allen, die jetzt gerade verzweifelt nach Themen suchen, um das gähnende Sommerloch zu füllen, zunächst einmal die Fakten zu sortieren. Der Beschluss, die Wahlkreise von 299 auf 280 zu reduzieren, stammt nämlich noch aus dem Jahr 2020 und somit aus der Zeit der Großen Koalition“. beantwortet Dr. Achim Brötel, Landrat des Kreises Neckar-Odenwald, eine Anfrage der Fränkischen Nachrichten. „Inzwischen hatten wir bekanntlich eine Bundestagswahl und zugleich einen Regierungswechsel. Die Ampel will aber stattdessen einen ganz anderen Weg gehen, der die Zahl der Wahlkreise unangetastet lässt und den Bundestag auf eine Regelgröße von 598 Sitzen begrenzt.“ Über die konkrete Zusammensetzung soll dann die Zweitstimme entscheiden. Überhang- und Ausgleichsmandate würden wegfallen.
Verkleinerung steht außer Frage
Im Übrigen: Es stehe außer Frage, dass der Bundestag inzwischen schlicht deutlich zu groß sei und deshalb zwingend wieder kleiner werden müsse, so der Landrat weiter. „Dass die Mitgliederzahl derart aufgebläht wurde, liegt aber doch nicht an der (gleichbleibenden) Zahl der Wahlkreise, sondern schlicht daran, dass das jetzige System durch das Institut der Überhang- und Ausgleichsmandate immer wieder Bewerber in das Parlament schwemmt, die von ihrem ,Erfolg’ am Ende im Zweifel selbst am allermeisten überrascht sind.“
Deshalb müsse man, wenn man etwas ändern wolle, doch auch dort ansetzen und nicht etwa bei der Zahl der Wahlkreise. Das gelte erst recht, als der vorgeschlagene (neue) Wahlkreis Tauber-Hohenlohe (aus Main-Tauber-Kreis und Hohenlohekreis) am Ende deutlich weniger Einwohner hätte als der (alte) Wahlkreis Odenwald-Tauber (aus Main-Tauber-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis). „Wo bitte liegt denn da die Logik, wenn man das Parlament verkleinern will?“
Miteinander verbunden
„Ich wüsste aber auch sonst keinen Grund, warum man eine seit vielen Jahren bewährte Struktur zerschlagen sollte. Der Wahlkreis Odenwald-Tauber umfasst in seinem bisherigen Zuschnitt zwei Landkreise mit einer absolut vergleichbaren Ausgangssituation, die in vielen Bereichen sehr eng und besonders auch sehr gut zusammenarbeiten und die auch in übergreifenden Einheiten miteinander verbunden sind“, meint Dr. Brötel. „Ich erinnere nur etwa an die Justiz mit dem gemeinsamen Landgerichtsbezirk Mosbach, die Polizei und die Staatsanwaltschaft, die DHBW oder auch die Arbeitsagentur.“ Unterschiedliche Regierungsbezirke allein könnten ja wohl kein Argument sein. Solche Konstellationen gebe es anderenorts in Deutschland auch.
„Nicht vorbeimogeln“
„Wer den Bundestag kleiner machen will, was ich für absolut richtig halte, muss das Problem deshalb an der Wurzel packen und darf sich nicht, wie es die Wahlkreiskommission tut, am eigentlichen Grundübel kurzerhand vorbeimogeln“, findet der Landrat klare Worte. „Da ist deshalb jetzt die Ampel und dann vor allem der Bundestag und nicht irgendeine Kommission am Zug.“ Ein entsprechender Gesetzentwurf solle bereits im Entstehen sein.
„Warten wir doch den erst einmal ab und regen wir uns bis dahin über die Dinge auf, die es wirklich wert sind.“
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