Gedenken

Bald erste Stolpersteine in Tauberbischofsheim

Familie Brückheimer sind die ersten zwölf Messingkopfsteine mit biographischen Daten gewidmet.

Von 
Heike von Brandenstein
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Mitglieder der Stolperstein-Gruppe Tauberbischofsheim mit Margrit Lakner (links) und Joram Brückheimer (Vierter von links). Das Bild zeigt (von links) Werner Bartholme, Kerstin Haug-Zademack, Gunter Schmidt und Dr. Sabine Münch. © Heike von Brandenstein

Tauberbischofsheim. Auch in einer Kleinstadt wie Tauberbischofsheim wurden Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt, erniedrigt, bedroht und verfolgt. Auf das Schicksal dieser Menschen sollen ab dem kommenden Jahr Stolpersteine hinweisen. Der Grundsatzbeschluss dazu fiel in der Gemeinderatssitzung kurz vor Weihnachten 2024. Die Tauberbischofsheimer Stadträte stimmten nicht nur der Satzung der Stiftung „Spuren“ zu, in der die Regeln für die Verlegung von Stolpersteinen festgelegt sind, sondern auch der „Erweiterung des Gedenkens an Opfer des Nationalsozialismus“.

Das bedeutet kein ausschließliches Erinnern und Gedenken an die jüdischen Bürger Tauberbischofsheims. Vielmehr soll allen von den Nazis verfolgten Gruppen gedacht werden. Dazu gehören Obdachlose, Zeugen Jehovas, Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, Zwangsarbeiter, Deserteure, Prostituierte, Sinti und Roma oder Menschen, die aufgrund ihrer Religion, politischen Einstellung, Hautfarbe oder religiösen Ausrichtung nicht ins nationalsozialistische Weltbild passten.

Schicksale müssen recherchiert und belegt werden

Voraussetzung für die Verlegung von Stolpersteinen durch den Künstler und Spuren-Initiator Gunter Demnig ist die belegbare Recherche jedes Schicksals von verfolgten, deportierten, drangsalierten oder ermordeten ehemaligen Mitbürgern sowie deren Familiengeschichte. Eine weitere Voraussetzung lautet, dass überlebende Familienangehörige, Angehörige, denen die Flucht gelang oder in Sicherheit gebrachte Kinder sowie Menschen, die aus Verzweiflung Selbstmord begingen, mit einbezogen werden. Für alle Opfer kann bei der Stiftung „Spuren“ ein Antrag auf Verlegung eines Stolpersteins gestellt werden.

Zwar gab der Gemeinderat mit seinem Grundsatzbeschluss den Startschuss, das Projekt Stolpersteine endlich auch in Tauberbischofsheim anzugehen, die Stadt stellte aber klar, dass sie die Recherchearbeit und die Dokumentation nicht leisten könne. Gudrun Weiske (Bürgerliste) hatte mit Werner Bartholme, Gunter Schmidt und Kerstin Haug-Zademack drei Vorstandsmitglieder des Vereins „die schul. Gedenkstätte Synagoge Wenkheim“ mit ins Boot geholt, dessen Vorsitzender Michael Knoblauch das Projekt in der Kreisstadt wohlwollend begleitet. Mittlerweile ist auch die Stadt Tauberbischofsheim Vereinsmitglied. Dr. Sabine Münch von der Stadtverwaltung, die den kooperativen und administrativen Part übernommen hat, ist eine wichtige Ansprechpartnerin für die rund zehn Ehrenamtlichen der Stolperstein-Gruppe.

Gemeinderat votiert am 22. Oktober über Verlegung

Sie hält die Verbindung zur Stiftung „Spuren“, erfragt bei Hausbesitzern die Akzeptanz zur Verlegung, stellt Anträge und erstellt Sitzungsvorlagen für den Gemeinderat, der über jede Verlegung gesondert abzustimmen hat. Für die im Mai 2026 geplante Verlegung soll die Zustimmung in der Gemeinderatssitzung am 22. Oktober erfolgen. Die Stolpersteine werden der Familie Brückheimer gewidmet sein.

Joram Brückheimer und seine Lebensgefährtin Margrit Lakner gaben den Anstoß für diese erste Stolpersteinverlegung in Tauberbischofsheim. Das abwechselnd in Tel Aviv und Zürich lebende Paar kam im Juli 2023 auf einer Radtour entlang der Romantischen Straße auch nach Tauberbischofsheim. Das sollte der Anfang einer Reise in die Familiengeschichte sein.

Geschichtsinteressierte Neffen forschen

Joram Brückheimer erinnerte sich daran, dass er im Alter von 16 Jahren gemeinsam mit seinem Vater den Grabstein seines Großvaters Max gerichtet hatte. Max Bruckheimer war einer der letzten, der auf dem jüdischen Friedhof der Kreisstadt beigesetzt wurde. Seine geschichtsinteressierten Neffen Eldad und Amir Elron waren elektrisiert von dieser Geschichte und den Wurzeln der Familie. Im August 2023 begleiteten sie den Onkel nach Tauberbischofsheim.

Frank Schwartz führte sie auf den jüdischen Spuren durch die Stadt. Die Familie suchte auch das Gespräch mit der Stadt, um für die Verlegung von Stolpersteinen zu werben, die sie selbst finanzieren wollten. Der damalige Bürgermeister-Stellvertreter Gerhard Baumann (CDU) gab das Ansinnen weiter, das letztlich durch die Offenheit von Bürgermeisterin Anette Schmidt in den Gemeinderatsbeschluss mündete.

Akribische Biographiearbeit von Kerstin Haug-Zademack

Ende vergangener Woche besuchten Joram Brückheimer und Margrit Lakner die Stolperstein-Gruppe. Die Recherchen zur Familie Brückheimer sind nicht zuletzt durch die akribische Arbeit von Kerstin Haug-Zademack auf Grundlage der Vorarbeit von Manfred Hau abgeschlossen. Der erste Verlegungsantrag bei der Stiftung „Spuren“ ist gestellt. Viele kleine Puzzleteile wurden zusammengeführt, bei Yad Vashem und in anderen Archiven recherchiert. Eldad Elron, so berichtete Margrit Lakner, kann alte Fotografien beisteuern, die in die noch zu erstellende Dokumentation einfließen sollen.

Letztlich wurden auch Ideen zur Gestaltung rund um die erste Stolperstein-Verlegung gesammelt. Die Kaufmännische Schule Tauberbischofsheim soll durch Schüler aus den Fächern Religion und Ethik in die Biografiearbeit einbezogen und ein Film gezeigt werden. Schließlich soll die Verlegung nicht im Stillen stattfinden, sondern allen Bürgerinnen, Bürgern und Interessierten Gelegenheit bieten, zu gedenken und das Bewusstsein für Ausgrenzung und Verfolgung in einer ganz normalen tauberfränkischen Kleinstadt zu schärfen.

Gunter Demnig, Künstler und Initiator der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an Opfer aus der Zeit des Nationalsozialismus, soll in der Kreisstadt erstmals im kommenden Jahr Stolpersteine verlegen. In Grünsfeld wird er das wiederholt am Mittwoch, 15. Oktober, ab 13 Uhr in der Leuchtenbergstraße tun. © picture alliance/dpa

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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