FN-Interview

Aktenzeichen XY: Ermittler Alfred Hettmer im FN-Interview

Für Alfred Hettmer, Studioleiter des ZDF-Klassikers „Aktenzeichen XY ungelöst“, war die Einführung der DNA-Analyse ein entscheidender Schritt nach vorn. Im FN-Interview gibt der Ermittler einen Einblick in seine Arbeit.

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Klaus T. Mende
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Seit Mitte der 1980er-Jahre ist Alfred Hettmer fester Bestandteil im Team von „Aktenzeichen XY ungelöst“. © Klaus T. Mende

Odenwald-Tauber/München. Nahezu ein halbes Jahrhundert war Alfred Hettmer bei der Kriminalpolizei aktiv, die meiste Zeit davon beim Bayerischen Landeskriminalamt in München. Seit über 35 Jahren gilt er zudem als „das Gesicht“ des ZDF-Dauerbrenners „Aktenzeichen XY ungelöst“ – früher bei Eduard Zimmermann, inzwischen neben Rudi Cerne. Im FN-Interview gibt der Ermittler einen Einblick in seine Arbeit.

Infos zu Alfred Hettmer

Alfred Hettmer, gebürtiger Ingolstädter, war früher beim Landeskriminalamt Bayern.

1973 begann er eine Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei Eichstätt. Danach arbeitete er ein Jahr bei der Polizeiinspektion Dachau und wechselte dann zum LKA Bayern. Während seiner Tätigkeit dort war er unter anderem als Sachgebietsleiter für die Personensuche tätig.

Hettmers „Karriere“ im Fernsehen begann 1986, als er gefragt wurde, beim ZDF-Klassiker „Aktenzeichen XY ungelöst“ mitzuwirken – Start zu seinen regelmäßigen TV-Auftritten.

Am Ende jeder Folge fasst der Oberbayer neben Moderator Rudi Cerne vor der Kamera den Ermittlungsstand zusammen und gibt erste Hinweise.

Für Alfred Hettmer genießt eine wahrheitsgemäße Darstellung höchsten Stellenwert. „Eduard Zimmermann hat uns als Schöpfer des Formats immer eines eingetrichtert: Keine Sensationsgier, wir sind da, um aufzuklären.”

Wenn er an einen Fall denkt, muss Alfred Hettmer schmunzeln: „Einmal hat sich ein Täter vor der Ausstrahlung der Sendung gestellt, weil er sein Porträt nicht millionenfach über den Bildschirm flimmern sehen wollte.”

Herr Hettmer, wie sind Sie seinerzeit zur Polizei gekommen?

Alfred Hettmer: Ziemlich genau 50 Jahre liegt es zwischenzeitlich zurück. Ich habe mich auf mehrere Ausbildungsstellen beworben. Nachdem ich den Einstellungs- und Eignungstest bei der Polizei bestanden und auch die Zusage bekommen habe, musste ich nicht mehr lange überlegen. Ich habe mich sofort dafür entschieden und im Februar 1973 die Ausbildung bei der bayerischen Bereitschaftspolizei in Eichstätt begonnen.

Und worin lag für Sie der besondere Reiz, sich so viele Jahre für die Sicherheit der Bürger einzusetzen?

Hettmer: Dies hängt vermutlich mit Eigenschaften und Wertvorstellungen zusammen, die für mich schon immer sehr wichtig waren: Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit.

Zu Beginn Ihrer Laufbahn waren Sie zunächst als Streifenpolizist im Münchner Umland aktiv. Wie schnell ist denn der Gedanke in Ihnen gereift, beruflich nach Höherem zu streben?

Hettmer: Es stand bereits nach Abschluss meiner Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsbeamten fest, dass ich beim Bayerischen Landeskriminalamt eingesetzt werde. Ich habe mich auf eine freie Stelle dort beworben und hatte das Glück, dass ich den Zuschlag bekommen habe. Bevor ich dort meinen Dienst begann, wurde ich auf einer Polizeiinspektion im Münchner Umland eingesetzt und lernte dort die umfangreichen Aufgaben eines „Streifenpolizisten“ kennen. Beim Bayerischen Landeskriminalamt bekam ich dann 1983 die Möglichkeit zum Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Das Studium an der Beamtenfachhochschule in Fürstenfeldbruck habe ich nach zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen.

Sie sahen sich im Verlauf Ihrer beruflichen Karriere mit vielen Tötungsdelikten konfrontiert – an welcher Fall erinnern Sie sich besonders? Und weshalb ist das so? Gibt es denn Fälle, die Ihnen besonders nahe gegangen sind?

Hettmer: Es gibt nicht „den Fall“, an den ich mich am nachhaltigsten erinnere. Es sind auch nicht nur Tötungsdelikte, die bleibende Erinnerungen hinterlassen. Auch einen schweren Verkehrsunfall mit Toten und Verletzten, einen Familienstreit mit Gewalt gegen Frauen und Kinder, Obduktionen in der Rechtsmedizin oder Menschen, die Selbstmord begingen, vergisst man nicht so schnell. Ein sehr schwer zu ertragender Anblick war für mich eine Bahnleiche. Das sind fürchterliche Bilder, die sich für immer „einbrennen“ und unvergesslich bleiben.

Wie schwer war/ist es für einen Polizeibeamten, bei Mordermittlungen sich voll und ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren?

Hettmer: Bei einem bedeutenden Verbrechen wie Mord oder Totschlag werden die Ermittlungen in aller Regel von einer ad hoc eingerichteten Sonderkommission übernommen. Das Team besteht aufgrund der Komplexität der Ermittlungshandlungen aus Sachbearbeitern und Spezialisten. Die Ermittlungsarbeiten werden damit auf „viele Schultern verteilt“ und bleiben nicht an „einem Ermittler“ hängen. Damit wird auch die psychische Belastung für den Einzelnen reduziert und jedes Soko-Mitglied kann sich voll und ganz auf seinen Aufgabenbereich konzentrieren.

Erfolgserlebnisse sind für uns alle sehr wichtig. Sie geben Kraft, Selbstvertrauen und Zuversicht.“
Alfred Hettmer

Was geht überhaupt in einem Beamten vor, wenn in einem Mordfall/Tötungsdelikt nach langer und umfangreicher Ermittlungsarbeit endlich der Durchbruch gelungen ist?

Hettmer: Erfolgserlebnisse sind für uns alle sehr wichtig. Sie geben Kraft, Selbstvertrauen und Zuversicht. Bei der Polizei ist es sozusagen die Belohnung für die oftmals mühevolle und langwierige Ermittlungsarbeit und gleichzeitig der Ansporn zur Bewältigung neuer Aufgaben.

Blicken wir mal auf Ihre Anfangszeit zurück – welche Möglichkeiten hat es da gegeben, in einem Fall zu ermitteln? Wie hat sich die Ermittlungsarbeit verändert und weiterentwickelt?

Hettmer: Kriminalbeamte untersuchen Tatorte, sichern Beweise, vernehmen mutmaßliche Täter, befragen Zeugen und Opfer und versuchen, Zusammenhänge herzustellen, Straftaten aufzuklären und Straftäter festzunehmen. Sie müssen zudem Berichte über ihr Tun verfassen und Ermittlungsakten führen. Die Ermittlungsarbeit an sich besteht sowohl aus einer empathisch-analytischen als auch einer technischen Komponente. Das war früher so und ist auch heute noch so. Betrachtet man die technische Komponente etwas genauer, wird man sehr schnell feststellen, dass im Vergleich zu heute die Kriminaltechnik damals noch in den Kinderschuhen steckte.

Das heißt?

Hettmer: Selbstverständlich wurden auch zur damaligen Zeit am Tatort Spuren gesichert, Beweismittel sichergestellt, Zeugen vernommen usw. Der Tatort wurde auch damals vermessen und fotografisch dokumentiert. Das ist aber nur ein Aspekt. Die gesicherten Spuren müssen dann im Labor ausgewertet und für spätere Abgleiche in Datenbanken gespeichert werden. Hier hat es in den letzten Jahrzehnten fast in allen Bereichen der Kriminaltechnik enorme Fortschritte, Verbesserungen und Innovationen gegeben.

Gibt es ein Beispiel?

Hettmer: Heute kann etwa ein Fingerabdruck von einer Person mit einem mobilen Gerät digital gescannt, zum automatischen Fingerabdruck-Identifizierungssystem beim Bundeskriminalamt versandt und mit den dort vorhandenen Fingerabdrücken abgeglichen werden. Das Ergebnis liegt in wenigen Augenblicken vor. Zur damaligen Zeit wäre dies aufgrund der fehlenden Technik nicht möglich gewesen.

Was war/ist denn aus Ihrer Sicht die wesentlichste Neuerung, die bei der Aufklärung eines Tötungsdelikts ganz entscheidend geholfen hat?

Hettmer: Bei dieser Frage fällt einem sofort die DNA-Analyse ein. Mit dieser Methode können Blutspuren oder Spuren von Körperflüssigkeiten an Tatorten analysiert und einer bestimmten Person zugeordnet werden. Für die Zuordnung einer unbekannten DNA gibt es mittlerweile spezielle Datenbanken, in denen das genetische Profil von Straftätern gespeichert ist. In Deutschland ist das beispielsweise eine Datenbank beim Bundeskriminalamt. Mit dieser Methode wurden auch schon lang zurückliegende Fälle noch geklärt.

Wohin wird sich denn die Ermittlungsarbeit in Zukunft entwickeln? Welche unterstützenden Maßnahmen und Mittel werden immer mehr Gewicht erhalten?

Hettmer: Eine detaillierte Prognose ist schwierig. So wie ein Wirtschaftsunternehmen flexibel auf ein sich ständig wandelndes Konsumverhalten der Kunden reagieren muss, so muss auch die Polizei sich auf wandelnde Kriminalitätsentwicklungen einstellen und diesen Entwicklungen mit angepassten Maßnahmen begegnen. Wer hat sich etwa vor etwa 30 Jahren schon Gedanken über eine Handyortung gemacht?

Eine Spezialistin der Polizei bei der Spurensicherung an einem Tatort. „Mit Hilfe einer speziellen Datenbank können hierzulande auch lange zurückliegende Fälle noch geklärt werden“, sagt der langjährige Beamte des Bayerischen Landeskriminalamtes und Leiter des Aufnahmestudios des ZDF-Dauerbrenners „Aktenzeichen XY ungelöst“, Alfred Hettmer, im Interview mit den Fränkischen Nachrichten. © DPA

Ist denn zu erwarten, dass die Aufklärungsquoten künftig weiter steigen?

Hettmer: Betrachtet man die Kriminalstatistik, ist eine positive Entwicklung in den letzten Jahren erkennbar. Die Zahl der registrierten Straftaten ist zurückgegangen, die Aufklärungsquote hingegen gestiegen. Man darf aber auch nicht übersehen, dass in manchen Deliktsbereichen wie zum Beispiel der Cyberkriminalität ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen ist. Ob es so weitergeht, lässt sich nur schwer voraussagen. Grundvoraussetzung für eine weitere positive Entwicklung ist aus meiner Sicht eine „starke Polizei“ – eine Polizei, die personell, technisch und organisatorisch so gut ausgestattet ist, dass sie den enormen Anforderungen auch standhalten kann.

Würden Sie unter den heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wieder in den Polizeidienst gehen?

Hettmer: Die Entwicklungen in den letzten Jahren geben natürlich Anlass zum Nachdenken. Die Gewalttaten gegen Polizeibeamte, aber auch gegen andere Einsatzkräfte nehmen kontinuierlich zu. Aber genau deshalb ist es umso wichtiger, dass junge Menschen den Polizeiberuf ergreifen und sich für Sicherheit, Recht und Ordnung einsetzen. Ich würde deshalb auch heute wieder in den Polizeidienst gehen.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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