Merchingen. Das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis plant den Bau einer Gemeinschaftsunterbringung für Flüchtlinge im Ahornweg 7 in Merchingen. Das gab die Kreisverwaltung vor wenigen Wochen bekannt. Die Unterkunft soll Raum für 50 bis 75 Personen bieten und ist auf drei Jahre befristet. Um die Bürger zu informieren, fand am Dienstagabend eine Veranstaltung im Merchinger Schloss statt, zu der rund 350 Interessierte gekommen waren.
In zwei nacheinander stattfindenden Runden stellten der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih und sein Team das Vorhaben zunächst vor. Anschließend beantworteten sie die Fragen der Bürger. Vor Ort waren ebenfalls Bürgermeister Ralf Killian, Merchingens Ortsvorsteherin Anne-Katrin Kämmer sowie einige Stadt- und Ortschaftsräte aus Ravenstein. Die wichtigsten Antworten haben die FN nun zusammengefasst.
Was ist geplant?
Auf dem Gelände der AWN, einer 100-Prozent-Tochter des Landkreises, im Ahornweg 7 in Merchingen soll in Containerbauweise eine Gemeinschaftsunterkunft für 50 bis 75 Geflüchtete errichtet werden. Die Laufzeit ist auf drei Jahre begrenzt.
Warum entsteht die Unterkunft im Ahornweg 7?
Der Erste Landesbeamte Kleih machte deutlich, dass es ein sehr großes Problem sei, überhaupt geeignete Liegenschaften für solche Unterkünfte zu finden. „Wir ziehen alle Register“, sagte er. Die Fläche im Ahornwege habe den Vorteil, dass sie leicht zu erschließen sei, Einkaufsmöglichkeiten und der ÖPNV fußläufig erreichbar seien und die Fläche im Eigentum einer 100-prozentigen Tochter des Landkreises ist. Dementsprechend könne sie zur Verfügung gestellt werden.
Gab es alternative Flächen, die ins Auge gefasst wurden?
Zunächst hatte sich der Landkreis mit der Fläche oberhalb des Sportplatzes beschäftigt, die der Stadt gehört. Man bot dieser im Februar 2023 an, diese anzumieten. Die Stadt hielt die Fläche nach Rücksprache mit dem Ortschaftsrat allerdings nicht für geeignet und schlug zwei andere Grundstücke vor: die ehemalige Kläranlage und die Fläche an der Firma Zürn. Daraufhin prüfte das Landratsamt die Vorschläge. Das Gelände der ehemaligen Kläranlage biete für den aktuellen Bedarf keine Lösung, da das Gebäude zunächst zurückgebaut werden müsste und dies erst ab 2025 zu erwarten sei. Das Areal in der Nähe der Firma Zürn hat eine leichte Hanglage und ist nicht erschlossen. Die erwarteten Kosten seien daher zu hoch, erklärte Kleih. Daher nahm man das AWN-Gelände in den Blick.
Wie läuft der Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft ab?
Die Leitung der Unterkunft, ein Mitarbeiter des Landratsamts, ist nicht jeden Tag vor Ort. Das trifft auch auf die Flüchtlingssozialarbeiter zu. Diese Aufgabe wird von einem freien Träger der Wohlfahrtspflege erbracht. Dazu hat das Landratsamt Verträge mit dem Diakonischen Werk, dem Caritasverband und beiden DRK-Kreisverbänden abgeschlossen. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1 zu 90. Außerdem wird sich ein Hausmeister um die technischen Belange kümmern.
Wie Geschäftsbereichsleiter Manfred Schärpf erklärte, werde Flüchtlingssozialarbeit erfahrungsgemäß gezielt zu bestimmten Zeiten wahrgenommen. Daher seien verlässliche Gesprächszeiten wichtiger als eine Dauerpräsenz. Annette Vogel-Hrustic, die Integrationsbeauftragte des Kreises, betonte, dass die meisten Geflüchteten „sehr selbstständig“ seien und daher nicht ständig betreut werden müssten.
Welche Erfahrungen hat das Landratsamt bereits mit dem Betrieb von Unterkünften gemacht?
Seit 2015/16 waren im Landkreis insgesamt 30 Flüchtlingsunterkünfte in Betrieb. Dieser verlief meist reibungslos, so Schärpf. Die Belegung erfolgt unter Berücksichtigung nationaler und ethnischer Belange. „Wir schauen, dass Ruhe herrscht“, versicherte er. Sollte es doch zu Problemen kommen, können Personen in eine andere Unterkunft verlegt werden. Er erklärte außerdem, dass Gemeinschaftsunterkünfte trotz voller Belegung selten „tatsächlich voll“ seien. Die Geflüchteten seien an vielen Tagen unterwegs, weil sie andernorts eine Arbeit gefunden haben oder Familie und Freunde besuchen würden.
Wie sieht die Einbindung von Gemeinschaftsunterkünften aus?
Auf Landkreisebene gibt es die Stabsstelle Integrationsbeauftragte, die als Anlaufstelle dient. Außerdem wurde über die Jahre ein großer ehrenamtlicher Helferkreis im gesamten Kreis aufgebaut. Die Freiwilligen unterstützen die Flüchtlinge bei der Integration. Die Initiative zur Bildung eines Helferkreises geht beispielsweise von Gemeinden, Vereinen, dem DRK oder Einzelpersonen aus. „Begegnung ist das A und O, um mehr übereinander zu erfahren“, betonte Vogel-Hrustic. Je besser sich die Bevölkerung einbringe, desto besser seien die Erfahrungen und das Zusammenleben. Fundierte Sprachkenntnisse seien ebenfalls wichtig. Wer sich engagieren möchte, kann sich bei der Stadt Ravenstein melden.
Wie geht es nun weiter?
Der Bauantrag für die Gemeinschaftsunterkunft wurde noch nicht gestellt. Über diesen muss der Gemeinderat zunächst entscheiden und im Vorfeld gegebenenfalls den Ortschaftsrat anhören. „Es ist noch alles offen“, betonte Merchingens Ortsvorsteherin Anne-Katrin Kämmer. Sollte das Gremium zustimmen, ist der Baubeginn für das erste Quartal 2024 geplant, erläuterte Kleih. Die Inbetriebnahme solle im zweiten Quartal 2024 folgen. Allerdings könnte der Kreis womöglich auch ohne die Zustimmung des Gremiums bauen. „Das hängt davon ab, wie der Gemeinderat den Beschluss begründet,“, erklärte Kleih.
Wieso muss der Landkreis Geflüchtete aufnehmen?
Die Aufnahme ist gesetzlich im Flüchtlingsaufnahmegesetz geregelt. Die Personen werden nach dem Königssteiner Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt und kommen zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung. Von dort geht es weiter in die Vorläufige Unterbringung, für die die Landratsämter und Stadtkreise verantwortlich sind. „Das ist eine Pflichtaufgabe“, betonte Kleih. Das Landratsamt ist dafür zuständig, die ihm zugeteilten Personen aufzunehmen und in Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen unterzubringen. Der dortige Aufenthalt sollte höchstens 24 Monate dauern, bevor die Geflüchteten in die Anschlussunterbringung in den Städten und Gemeinden kommen. Dazu muss deren Asylantrag genehmigt werden.
Vor welchen Herausforderungen steht der Neckar-Odenwald-Kreis?
„Uns läuft die Zeit davon“, machte der Erste Landesbeamte Kleih deutlich. Wenn nicht rechtzeitig genug Wohnraum für Geflüchtete für die Vorläufige Unterbringung zur Verfügung stünden, müssten Sporthallen als Interimslösung herhalten. „Das wollen wir vermeiden.“
Momentan befinden sich insgesamt 1011 Personen in der vorläufigen Unterbringung. Davon sind 341 Ukrainer und 166 sogenannte „Fehlbeleger“. Das sind Personen, die bereits in der Anschlussunterbringung sein sollten. „Wir puffern hier also zugunsten der Städten und Gemeinden “, erklärte Kleih.
159 nominell freie Plätze gibt es aktuell, von denen aber nur 95 belegbar sind. „Wenn in eine Wohneinheit mit sechs Plätzen eine vierköpfige Familie einzieht, ist diese belegt“, erklärte Kleih dazu. Er rechnet in den kommenden Monaten außerdem mit weiter steigenden Zuweisungen und stellte klar: „Wir haben die Aufgabe, dass am Ende kein Flüchtling auf der Straße sitzt.“
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