Merchingen. Zwei Abende, zwei ausverkaufte Prunksitzungen und eine Show, die keine Wünsche offenließ – die Merchemer Brogge haben am vergangenen Wochenende das Merchinger Schloss zur Fastnachtshochburg gemacht. Ob Freitag oder Samstag, das Programm bot an beiden Abenden ein Feuerwerk an Highlights. Mit einem bunten Mix aus energiegeladenen Tänzen, witzigen Büttenreden und jeder Menge Narretei zeigten sich die Aktiven der Merchemer Brogge in Höchstform und rissen das Publikum mit.
Doch schon bevor das närrische Programm so richtig Fahrt aufnahm, war die Stimmung am Kochen – kein Wunder, denn Sitzungspräsident Maxi Maurer verstand es bestens, das Publikum mit seiner herzlichen Begrüßung auf den Abend einzustimmen. Alleinunterhalter Kurt Essig aus Hüngheim hatte bereits vorab die Gäste musikalisch in Fastnachtslaune versetzt. Unter den Ehrengästen begrüßte Maurer unter anderem Bürgermeister Ralf Killian, Ortsvorsteherin Anne Kämmer sowie Ehrenpräsident Manfred Breuer, bevor er eine kleine Neuerung erklärte: Die Abordnungen befreundeter Fasnachtsvereine kamen in diesem Jahr bereits in großer Zahl am Freitag, während am Samstag das närrische Volk quasi unter sich feierte. Eine Ausnahme machten die Freunde der Schleufer aus Hüngheim, die am zweiten Abend mit dabei waren – und Maurer passend zum diesjährigen Motto „Der Bäcker aus der Bank nun raus, der Brogge macht ne Schule draus“ eine Schultüte überreichten.
Minigarde bringt Stimmung in den Saal
Mit strahlenden Gesichtern und flotten Schritten eröffnete die Minigarde der Brogge die Bühnenshow und brachte sofort Stimmung in den Saal. Als Pinguine und Eskimos wirbelten sie über die Bühne und ernteten begeisterten Applaus. Trainiert wurden sie von Tamara Beikirch und Carola Hügel, die ihre Schützlinge perfekt auf den großen Auftritt vorbereitet hatten. Direkt danach folgte die Kleingarde des MFV in Blau-Weiß, die mit einem schwungvollen Gardetanz ihr Können unter Beweis stellte. Unter der Leitung von Jasmine Östrich und Kerstin Amann präsentierten die jungen Tänzer eine mitreißende Choreografie, die das Publikum begeisterte. Beide Gruppen überzeugten mit ihrem Auftritt und zeigten, dass die Zukunft der Merchemer Fasnacht in besten Händen liegt.
Mit einem kräftigen „Ahoi!“ begrüßte Bürgermeister Ralf Killian anschließend die Broggeschar und nahm in närrischen Reimen die Bürokratie aufs Korn. „Auf die Knie tut man alle zwingen, die Bürokratie tut alles verschlingen.“ Neben den vielen Vorschriften für Vereine beschäftigten auch Themen wie Feuerwehr, Kindergarten und Schule die Verwaltung. Letzteres sogar so sehr, dass die Brogge daraus ihr Motto machten. Passend dazu verlieh Ortsvorsteherin Anne Katrin Kämmer dem Bürgermeister in ihrem närrischen Jahresrückblick den „Ein Herz für Kinder“-Orden, denn schließlich seien unter seiner Regie aus dem Bäcker Schulräume geworden.
Schlosssaal verwandelt sich in Seniorenheim
Nach den Grußworten übernahm die Juniorengarde die Bühne – und sorgte für ein wahres Wechselbad der Gefühle. Mit ihrem farbenfrohen Schautanz stellten sie das typische Gefühlschaos eines Teenagers dar. Von überschäumender Freude über tiefe Zweifel bis hin zur Liebe – die jungen Tänzerinnen zeigten eindrucksvoll, wie schnell Emotionen in dieser Lebensphase schwanken. Lara Walter und Leonie Bösmüller hatten eine mitreißende Choreografie geschaffen, die perfekt auf die Musik abgestimmt war und am Ende mit tosendem Applaus belohnt wurde. Kaum hatte sich das Publikum von der emotionalen Achterbahnfahrt erholt, stand schon der nächste Höhepunkt auf dem Programm – diesmal mit einer gehörigen Portion Humor. Der obere Schlosssaal verwandelte sich kurzerhand in das Seniorenheim „Alter Narr“, wo die Patienten Melanie und Michael Schindler gemeinsam mit den Pflegern Regina Just und Mario Torkler aus ihrem turbulenten Alltag berichteten. Ob Delphintherapien, Einkaufstouren im Edeka-Markt oder das berüchtigte „Porzellan-Syndrom“, wenn man sprichwörtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank hat – die Büttenredner ließen kein Klischee aus und sorgten mit ihren pointierten Anekdoten für Lacher.
Nach so viel Wortwitz legte die Großgarde des MFV unter der Leitung von Benita Leimbach und Franziska Zier einen schmissigen, schnellen Marschtanz aufs Parkett und beeindruckte mit Präzision und Tempo. Kaum verklang der letzte Takt, wurde es musikalisch – und herrlich lokal: Die Broggesinger Sina Friedlein, Samira Scheuermann, Vanessa Otterbach, Isabell Kilian, Nadine Walter, Silke Hofmann und Gabi Lindner nahmen das Ortsgeschehen unter die närrische Lupe. Unter dem Motto „Jetzt ists wieder soweit, jetzt is Broggezeit“ besangen sie mit humorvoll Texten und eingängigen Melodien das Leben in Merchingen: Volle Biergärten, wo spontane Besuche zur Herausforderung werden, neue Verkehrsregelungen und das allgegenwärtige Schulraumproblem waren nur einige der Themen.
Die gemischte Schautanzgruppe der Hüngemer Schleufer rollte anschließend mit ihrem Pumpi-Express in den Saal und brachte mit einer temporeichen Darbietung auf Rollschuhen echtes Starlight-Express-Feeling auf die Bühne. Mit schwungvollen Choreografien und präzisen Formationen lieferten sie eine Show, die das Publikum begeisterte.
Direkt im Anschluss betrat Angela Higl als „Zensi vom Unterdorf“ die Bütt – und sorgte mit ihrem humorvollen Vortrag für wahre Lachsalven. Sie erzählte davon, wie sie vom Arbeitsamt auf die Alm geschickt wurde und sich dort als Bedienung mit ahnungslosen Städtern herumschlagen musste. Besonders ihre Schilderungen über die Arbeit im Melkstand brachten den Saal zum Toben – vor allem, als sie dafür einen Gast aus dem Publikum einbezog. Mit Kuhglocke um den Hals und wiederkäuend auf allen Vieren spielte er das Kuh-Modell, an dem Higl fachmännisch das richtige Melken demonstrierte.
Großgarde zeigt Marschtanz der Extraklasse
Bevor es in die Pause ging, dominierte noch einmal die Farbe Rot-Weiß die Bühne: Die Großgarde aus Hüngheim, unter der Leitung von Nina Zilke beeindruckte mit einem Marschtanz der Extraklasse, bei dem Präzision und Synchronität perfekt zusammenspielten. Für den perfekten Neustart in den zweiten Programmteil sorgte der Musikverein Merchingen. Dank mitreißender Melodien wurde kräftig mitgeklatscht, mitgesungen und geschunkelt, so dass die Stimmung im Saal ihren absoluten Höhepunkt erreichte. Doch das war erst der Anfang, denn anschließend nahm Maxi Maurer die Bütt in Beschlag. In seinem humorvollen Vortrag erklärte er, wie er dank „Hobby Horsing“ seine Work-Life-Balance in den Griff bekommen habe – und hatte zahlreiche skurrile Geschichten aus dem Pferdestall im Gepäck. Ob die Reitkollegin, die felsenfest davon überzeugt war, dass der Mond näher ist als New York, schließlich könne man ihn ja sehen, oder die lustigen Verwechslungen beim Beruferaten, als sich herausstellte, dass die Neue, die regelmäßig mit vielen Männern schläft, einfach nur im Rathaus arbeitet. Zum krönenden Abschluss holte Maurer, Stefan Friedlein vom Elferrat Hüngheim auf die Bühne und gab ihm eine Einführung ins Hobby Horsing. Gemeinsam präsentierten die beiden eine Kür der etwas anderen Art, die an Komik kaum zu überbieten war.
Den nächsten Programmhöhepunkt setzte die gemischte Schautanzgruppe, die als furchtlose Piratencrew die Bühne eroberte. Leinen los, Segel gesetzt! Mit beeindruckenden Hebefiguren und synchronen Bewegungen begaben sich die Tänzer auf die abenteuerliche Suche nach dem Piratenschatz – ein bildgewaltiger Tanz, der die Zuschauer in eine andere Welt entführte. Direkt im Anschluss nahm Bernd Otterbach in der Bütt Platz – von Sitzungspräsident Maxi Maurer als „Urgestein der Merchinger Fastnacht“ angekündigt, ließ er es sich nicht nehmen, mit feinsinnigem Humor und treffsicheren Spitzen das Leben unter dem Motto „Wo Mensche sen, do menschelts“ zu analysieren. r nahm die Politik auf die Schippe: „Jeder dritte Politiker ist so falsch wie die andern zwee“, und auch die Jugend bekam mit Blick auf die Cannabislegalisierung ihr Fett weg: „So brauchbar wie ein Messer ohne Klinge, wo der Griff fehlt“.
Büttenrede mit „Hanni das Handy“
Danach wurde es wieder tänzerisch: Das Männerballett entführte das Publikum in die Broggeschule, wo sie mit einer humorvollen Inszenierung und mitreißender Choreografie punkteten. Unter der Leitung von Jasmine Östrich, Kerstin Amann, Elisabeth Dörr und Nadine Walter präsentierten sie eine Show voller Witz und Bewegung, die mit viel Applaus belohnt wurde. Für eine moderne Büttenrede sorgte dann Nadine Walter als „Hanni das Handy“. Obwohl sie bereits mehrfach zurückgesetzt wurde, hatte sie noch einiges von ihren Vorbesitzern gespeichert. Ob Chatverläufe des Sitzungspräsidenten, die gerne mit zusätzlichen Smileys versehen wurden, oder die Fotoflut der Vereinsvorständin Andrea Pfautz – Hanni wusste bestens Bescheid. „Ohne Handy geht es heute nicht“, stellte sie treffend fest, und als dann auch noch diverse Apps auf einmal aktiv wurden, wurde es richtig lustig: Die sächsische Yoga-App forderte das Publikum auf, sich in Positionen wie den Baum, die Katze oder das Kamel zu begeben, während die Brogge-App Fasnachtslieder im Gepäck hatte und für spontanes Mitsingen sorgte.
Den krönenden Abschluss setzte kurz nach Mitternacht die Showtanzgruppe des MFV. Unter dem Motto „Weinwunder – von der Traube bis ins Glas“ wurde auf der Bühne geerntet, gekeltert und gefeiert, was das Zeug hält. Unter der Leitung von Lena Zeitler und Tamara Beckmann lieferten sie eine Darbietung auf höchstem tänzerischem Niveau und erhielten verdient die letzte Rakete des Abends. Zum großen Finale kamen noch einmal alle Mitwirkenden auf die Bühne, um diesen furiosen Fasnachtsabend gemeinsam ausklingen zu lassen. Sitzungspräsident Maxi Maurer bedankte sich herzlich bei allen Akteuren vor und hinter den Kulissen – für eine Prunksitzung, die das Publikum fünf Stunden lang zum Lachen, Staunen und Mitfeiern gebracht hatte.
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