Merchingen. Der kleine „Little“ kommt vertrauensvoll auf Adriana Schulz-Stubenrauch zu. Er ist erst vier Wochen auf dem Gnadenhof in Merchingen. Seine Hinterhand ist deformiert. „Die Muskulatur ist sehr schwach. Damit zieht er beim Zumsammensein mit anderen Ponys immer den Kürzeren. Und Reiten kann man ihn auch nicht“, so die „Pferdeflüsterin“ auf dem Gnadenhof in Merchingen. Aber sie ist zuversichtlich, für den sonst so munteren „Little“ wieder einen neuen Besitzer oder einen Paten zu finden.
„Nicht so schnell aufgeben“
Mit „Annabelle“, dem anderen weißen Pony, hat sich „Little“ schon ganz gut angefreundet. „Annabelle“ ist auch ein ganz schlimmer Fall. Sie stammt aus Tierversuchen und hat viel durchgestanden“, erklärt Adriana Schulz-Stubenrauch beim Rundgang im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten.
Oft haben die Tiere, bevor sie auf den Hof von Adriana Schulz-Stubenrauch gekommen sind, viele negative Erfahrungen mit den Menschen gemacht. Und manchmal ist es gar nicht so einfach, die gepeinigten Tiere aus einer solch miserablen Situation herauszuholen.
Aber kämpfen konnten Adriana Schulz-Stubenrauch und ihre Mitstreiter von „Pony in Not“ schon immer. „Da darf man nicht so schnell aufgeben“, weiß sie aus Erfahrung. Manche Pferde sind alt und müde. Manche auch krank. Auf dem Gnadenhof von Adriana Schulz-Stubenrauch dürfen sie sich ausruhen, schlafen und fressen.
Auf Spenden angewiesen
Weil es viel kostet, Stall und Auslauf zur Verfügung zu stellen, Futter und Medizin zu kaufen, braucht ein Gnadenhof viele Spenden. Deshalb hat sie zusammen mit anderen schon 1986 den überregionalen Verein „Pony in Not“ gegründet.
„Mitglieder, Paten und Förderer unterstützen den Verein oder übernehmen Patenschaften für bestimmte Tiere“, ist sie immer wieder dankbar. Allerdings stellt sie auch fest, dass die Spenden mit der Corona-Krise deutlich zurückgegangen sind.
Auf der anderen Seite seien die Leute im Verein auch treu. So gebe es einige, die zwar ihren Beitrag gesenkt haben, weil sie ihren Job verloren haben. „Aber sie leisten immer noch einen Obolus. So, wie es eben geht“, erklärt die Pferdeflüsterin.
Der Hof vor dem Sandplatz ist matschig und müsste geschottert werden. „Und auch die Motorsäge ist kaputt“, sagt Adriana Schulz-Stubenrauch. Aber momentan ist eine Reparatur finanziell nicht drin.
„Das wird eben in Angriff genommen, wenn es wieder möglich ist. Es gibt schließlich Schlimmeres“, steht für die Pferdeflüsterin fest und ergänzt: „Das Leben hat mir gezeigt, dass immer wieder ein Türchen aufgeht.“
Froh ist sie darüber, dass es gelungen ist, mit dem Saatgut und dem Wachsen der Pflanzen die biologische Vielfalt auf dem Hof zu fördern. „Dank der ökologischen Bewirtschaftung der Pferdeweiden wurde aus elf Hektar überdüngtem Ackerland ein Zuhause für viele Tiere“, freut sich sich.
Die „Aktion Pferdelocke“, mit der sie die Artenvielfalt auf dem Gnadenbrothof fördern wollte, sei auf jeden Fall von Erfolg gekrönt.
Für Mühen entschädigt
Ihre Hände sind rau, ihre Arbeit auf dem Hof ist körperlich anstrengend und abends fällt sie todmüde ins Bett. Freie Tage und Urlaub kennt sie nicht.
Doch wenn durch Misshandlung verstörte Tiere wieder Vertrauen gewinnen und sich wohlfühlen, ist Adriana Schulz-Stubenrauch für alle Mühen, die das arbeitsreiche Leben auf dem Gnadenhof mit sich bringt, entschädigt: Sie strahlt und scheint für diesen einen Augenblick der glücklichste Mensch auf der Welt zu sein.
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