Osterburken. Die Energiewende wäre unter weitgehender Nutzung regionaler Potenziale möglich – und erneuerbare Energien wären ab 2040 marktfähig: Das war der Tenor des „Strommarkts der Zukunft“, den die beiden Genossenschaften Energie & Umwelt Neckar-Odenwald und Main-Tauber am Montag in der Osterburkener Baulandhalle ausrichteten.
Referent war Dr. Matthias Stark: Als Leiter Erneuerbare Energiesysteme des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (Berlin) stellte er praktikable Lösungsansätze vor.
Zunächst begrüßte Vorstandsvorsitzender Wendelin Geiger (Werbach) das Publikum vor Ort und im Livestream, der Nachmittag verstand sich als hybride Veranstaltung. „Wir wollen die Energiewende aktiv mitgestalten, indem wir zukunftsweisende Energieprojekte umsetzen und die Menschen der Region auf das aufmerksam machen, was uns erwarten könnte“, betonte er. Die Energiewende könne man „nur gemeinsam bewältigen“, was auch Dr. Matthias Stark festhielt. „Erneuerbare Energien erzeugen klimafreundlichen Strom, ermöglichen die Teilhabe aller Bürger an der Energiewende und können an jedem Standort betrieben werden“, erklärte er. Strom dürfe kein Luxusgut werden, wobei die Kosten der Stromproduktion über die Erlöse gedeckt werden müssen. Auch die Versorgungssicherheit müsse stets gewährleistet sein. Alle diese Rahmenbedingungen würden durch die Energiewende umgesetzt.
Sein informatives, mit Schaubildern unterlegtes Sachreferat gliederte der Experte in drei Teile. Es galt der Studie zum Strommarkt der Zukunft auf Basis Erneuerbarer Energien, die der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. in Auftrag gegeben hatte. In Zusammenarbeit mit den Fraunhofer Instituten für Energiewirtschaft und Netzbetrieb (IEE) und Solare Energiesysteme (ISE) enstanden, erörtert sie die sinnvolle Gestaltung des zukünftigen klimaneutralen Stromsystems.
Grundlage aufzeigen
Der Studie liegt das Ziel zugrunde, eine betriebswirtschaftliche Grundlage für erneuerbare Energien aufzuzeigen. Dabei bestehe die Herausforderung darin, dass Photovoltaik und Wind aufgrund ihrer gleichzeitigen Stromproduktion sich selbst die Strompreise kannibalisieren: „Bei niedrigem Marktniveau wären in der Zukunft ohne ein neues klimaneutrales Strommarktsystem und ohne Förderungen weder Weiterbetrieb noch Neuanlagen wirtschaftlich“, gab Stark zu bedenken.
Ausgangslage ist die gegenwärtige Marktsituation: Externe Faktoren wie CO2- und Gaspreise führen zu exorbitanten fossilen Kosten des preissetzenden Grenzkraftwerks. „Beruhigt sich der Gasmarkt, gehen auch die Strompreise zurück“, erklärte der Referent. Fernerhin reduzierten erneuerbare Energiemengen dem Strompreis an der Börse, da sie deutlich niedrigere Stromgestehungskosten haben. Andererseits erfordere die Umsetzung der Energiewende „eine Neuausrichtung der Märkte“: Bis 2045 seien 730 Gigawatt an Erneuerbarer Leistung zu realisieren, wodurch erneuerbare Energien eine „systemsetzende“ Funktion zuteil werde.
Im zweiten Modul ließ er wissen, dass die Studie im Unterschied zu anderen Studien – die oftmals rein volkswirtschaftlich orientiert sind – die betriebswirtschaftliche Grundlage für Erneuerbare Energien und deren benötigten Flexibilitäten als auch die Versorgungssicherheit als zentrale Elemente betrachtet wurden.
Zudem werden durch die Strommarktdesignstudie auch spezifische Fragen zur Ausgestaltung des Terminmarkts ausschließlich auf Basis Erneuerbarer Energien, die Umsetzung einer dezentral geprägter Strom- und Energieversorgung als auch deren sinnvollen Einbindung der Bioenergie.
Weiterführend ging Stark auf die Ergebnisse der Studie ein, die in Basis- und Reformszenario unterteilt sind. Er ließ wissen, dass die Energiewende unter weitgehender Nutzung heimischer Potenziale möglich sei und der Kohleausstieg kein Wunschdenken bleibe: „Ab 2030 wären Kohle- und Kernausstieg denkbar, während erneuerbare Energien geringere spezifischer Förderung bedürfen und ab 2040 marktfähig sein könnten“, führte der Experte aus.
Im Reformszenario seien auch der klimapolitisch notwendige Ausbau und das Erreichen der Klimaziele sichergestellt. Das Basisszenario hingegen, welches den bisherigen regulatorischen Rahmen darstellt, habe gezeigt, dass weder unter einem förderfreien noch unter einem Förderregime bis 2050 die betriebswirtschaftliche Grundlage für den benötigten erneuerbaren Ausbau von 730 GW erreicht und somit die Klimaziele verfehlt werden.
Mit Zukunftsprognosen rundete er seinen Vortrag ab. Sowohl das Basis- als auch das Reformszenario haben gezeigt, dass Deutschland Stromexporteur verbleibe mit der Schweiz, Österreich und den Niederlanden als Hauptabnehmer. Recht genau wurde die Kostenlage beziffert: Während die Systemkosten im Energiesystem aktuell mit größtenteils fossilen Energieträger derzeit etwa 220 Milliarden Euro pro Jahr verschlingen, sind es künftig in einem erneuerbar geprägten Energiesystem nur noch rund 170 Milliarden Euro. Mit einer interessanten Fragerunde schloss der Nachmittag: Bereitwillig beantwortete Dr. Matthias Stark diverse Fragen der Zuhörer. ad
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/osterburken_artikel,-osterburken-wollen-die-energiewende-aktiv-mitgestalten-_arid,1968932.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/werbach.html