Gottlob-Haag-Ehrenring

Ring ging an Annâweech

150 Gäste feiern Preisverleihung enthusiastisch. Erinnerung an Gottlob Haag als glaubhafte „Stimme Hohenlohes“

Von 
Inge Braune
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Niederstetten. Sie sind die neuen Ringträger: die Mundart-Band Annâweech. Am Montag feierten Gottlob Haag-Leser ebenso wie die Annâweech-Fans gemeinsam mit den bisherigen Ringträgern, Bürgermeisterin Heike Naber und ihren beiden Vorgängern Rüdiger Zibold und Kurt Finkenberger und insgesamt rund 150 Gästen nachdenklich und ausgelassen die Weitergabe des Rings.

In kargen Verhältnissen

Norbert Bach, wohl bester Kenner des literarischen Nachlasses der „Stimme Hohenlohes“ und nach Haag selbst und Arno Boas der dritte Ehrenring-Träger, erinnerte am 15. Todestag an den großen Wildentierbacher Autor, der in kargen Verhältnissen aufwuchs, nur die Volksschule besuchte und sich und seine Familie nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft Jahre lang unter anderem als Nachtwächter und Steinbrucharbeiter und mit Hilfstätigkeiten ernährte, bis er 1961 fest bei der Verwaltung des Niederstettener Heeresflugplatzes angestellt wurde.

Inspiriert von Georg Trakls expressionistigschen Gedichten, die er zufällig auf dem Dachboden entdeckt hatte, entstanden erste Gedichte. In Schriftsprache erschien 1964 mit „Hohenloher Psalm“ der erste Gedichtband, 1970 „Mit ere Hendvoll Wiind“ der erste Mundart-Lyrikband mit - so der Dichter selbst - „Themen, die aus der Landschaft wachsen.“ Haags OEvre ist enorm, umfasst Gedichte, Erzählungen, lyrische Hörbilder und Theaterstücke, bei denen Haag auch Strittiges nicht scheute: Beispiele sind etwa „Dorfidylle 1943 - 45“ und „Blasius Heyden – oder wie merr en Pfarr schlacht“. Mit „Götz vo Berlichinge“ legte Haag anlässlich des 650-Jah r-Stadtjubiläums von Niederstetten den Grundstein fürs Freilichttheater im Tempel. Fast 50 Bücher hat er vorgelegt, zahlreiche Preise erhalten, unter anderem 2007 den Ludwig-Uhland-Preis. Im aus Wien stammenden Goldschmied Helmut Frauenberger fand er einen Geistesverwandten, der für seinen Freund den Gottlob-Haag-Ring schuf, um seine Bedeutung zu würdigen und „Künstler zu ehren, die sich um die Kultur dieses Raumes verdient gemacht haben.“ Nach Frauenbergers Tod, der zuvor jedem Ringträger ein eigenes Exemplar verehrt hatte, sprang die Volksbank Hohenlohe eG, an diesem Abend vertreten durch Marcel Weiszdorn, in die Bresche, um auch weiterhin den Ringträgern einen eigenen Ring überlassen zu können. Das aktuelle Exemplar hat die Künzelsauer Goldschmiedin Regina Hiestand geschaffen.

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Thomas Weller
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Niederstettens Bürgermeisterin Heike Naber hatte es sich trotz der Visite von Ministerpräsident Kretschmann nicht nehmen lassen, an dem „besonderen Ereignis an einem besonderen Tag“ teilzunehmen und gemeinsam mit den fast vollzählig versammelten Ringträgern – nur der Dokumentarfilmer Thilo Pohle hatte eine Teilnahme nicht ermöglichen können – die Übergabe des Rings von Maria und Peter Warkentin an die Mundart-Band „Annaweech“ zu feiern.

Erst vor rund drei Jahrzehnten übersiedelte kam das russland-deutsche Schauspieler-Ehepaar nach Niederstetten, schlug im Vorbachtal neue Wurzeln. Ihre vielschichtige und weit über die Bühne im Oberstettener Amtshaus hinausreichende Auseinandersetzung mit der Bedeutung der „Mudderschprooch“ und dem Themenkreis „Heimat“ seinerzeit Thilo Pohle veranlasst, Warkentins als nächste Ehrenring-Träger auszuwählen.

Wie passend diese Wahl damals war, dokumentierte Maria Warkentin eindrucksvoll mit einem Monolog-Ausschnitt aus dem über 300 Mal aufgeführten Stück des Russland-Deutschen Theaters „Der weite Weg zurück“. Mundart, egal welche, könne manches hochsprachlich nicht Sagbare ausdrücken, so Peter Warkentin. Wirklich eingetaucht in Haags Dichtung seien sie erst, als sie fürs Gottlob-Haag-Kabinett in der Niederstettener Mediothek seine Gedichte einlasen. Einfach „wunderschön“, fanden sie– und Peter Warkentin ließ die Gäste mitschwingen bei einem Auszug aus dem Haags „Hohenloher Psalm“. Dass einer von Haags Gedichtbänden unter dem Titel „Annaweech“ erschien, mag eine erste Spur zur singenden Mundart-Formation „Annâweech“ gelegt haben, und als sie die Musik und Geschichte der inzwischen zum „bekanntesten Aushängeschild der kleinen Szene“ geworden, die sich musikalisch der Hohenloher Mundart verschrieben hat. Bestand gehörenden Gruppe unter die Lupe nahmen, war schnell klar: Die müssen wir hören. Und als sie sie dann in Spielbach Molle, Harry, Gassi, Frett und Sandra, den quirligen „Annâweech“-Neuzugang erlebten, stand die Wahl fest.

Feierlich und herzlich

Auf der Open-Air-Bühne auf dem Frickentalplatz überreichten Peter und Maria Warkentin jetzt „Molle“ Frank Winkler stellvertretend für die ganze Gruppierung den Ehrenring - offiziell, feierlich und vor allem herzlich. Wem eigentlich auch sonst als der „Hohenloher Land“-Singer-Songwriter-Band, den „Laacherfeier“-Liederbuch-Machern und Initiatoren des „Hohenloher Mundartgipfels“?

Persönlich kennengelernt habe er Gottlob Haag zwar leider nicht, aber immerhin mit ihm telefoniert, berichtete Molle. Und für ihn mache die Beschäftigung mit Gottlob Haag deutlich: „Volksschuel langt iwwerich“, um „e Herz voll Poesie“ in der Brust zu haben. Vielleicht sei’s ja, so im Nachhinein betrachtet, „en Seeche“, dass Gottlob Haag in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten sei: Das habe ihm sicher eine andere Sicht auf sich selbst und die Welt vermittelt und vielleicht auch dazu beigetragen, dass mancher seiner Texte den Weg vom Herz direkt über die Hand aufs Papier fand.

Diese Unmittelbarkeit und Heimatliebe spiegelt sich auch in zahlreichen Annâweech-Songs. Gut die Hälfte der Texte stammt aus der Feder von Peter Botsch „Boudsch“, der 2020 überraschend verstarb. Seine helle Freude hätte auch Gottlob Haag an dem Konzert gehabt, mit dem die Gruppe ihren Dank für die Anerkennung abstattete. Wahrgenommen hätte er da tief wurzelnde Liebe und Verbundenheit zur Heimat Hohenlohe – und ganz sicher auch Boudschs Gitarre, die ganz ab und zu leise bei manchem Akkord mitklang. Ob ein Gedicht draus geworden wäre? Wenn ja, dann sicher in Mundart.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.

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