Markelsheim. „Heit is’ Feschd, heit kummt alles z’samm – in Markelse is’ Mundartgipfel“ intonierte „Praxis“, die Abschlussband des Abends, in eingängig-rockigem Rhythmus. Und fasste zusammen, was an diesem Abend vor 600 fröhlichen Besuchern abging: Der 6. Hohenloher Mundartgipfel hielt das Idiom der Landschaft zwischen Crailsheim, Langenburg und Markelsheim ganz hoch. Mit viel Geist, Witz, Stolz und ein bisschen Wehmut wurde die Hohenloher Seele gestreichelt.
Die Veranstaltungsreihe wurde 2016 eher spontan in Brettheim von Frank Winkler („Molle“ von Annâweech) mit einer Handvoll Hohenloher Barden und Comedians ins Leben gerufen und erfreute sich so großer Beliebtheit, dass die Akteure den Gipfel als feste Größe im Hohenloher Kulturgeschehen etablierten.
Die sechste Auflage fand nun am Freitagabend im Markelsheimer Fronhof statt, veranstaltet vom örtlichen Tourismusverein mit Unterstützung vom Jakobshof und der Stadt. Ehrenamtliche des Tourismusvereins, CDU-Ortsverein und fleißige Jungs von BWA-Events kümmerten sich an den Versorgungsständen um das leibliche Wohl der vielen Gäste – ein Angebot, das an diesem warmen Sommerabend ausgiebigst in Anspruch genommen wurde.
Die ersten Lachtränen im Publikum generierten zwei Opas: Ernst und Ernst. Das Komikerduo führte mit viel Wortwitz durch das Programm mit sieben authentischen Gruppen und Solisten, welche die liebevolle Pflege des von der sprichwörtlichen Schlitzöhrigkeit geprägten Dialektes vereint.
Den Auftakt machte Werner Pikulski, Hohenloher Urgestein aus Crailsheim-Onolzheim, der in einer kleinen Geschichtsstunde über die Crailsheimer Horaffen aufklärte und über das Gebäck, dessen Rundungen jener der Bürgermeisters-Frau entsprechen, welche anno 1379 die Stadt vor der Einnahme der Belagerer bewahrte. Sie präsentierte den Feinden ihren stattlichen bloßen Hintern und machte damit klar, dass sich die Craalsemer nicht aushungern lassen.
„Hohenloher Land, i mooch di sou wie’d bisch“ konstatierte der 75-Jährige, der zudem Einblick in eine typische Hohenloher Ehe und in die Landwirtschaft gab und abschließend erklärte: „Für Hohelohisch braucht mer Hiere, des lernt mer net, des musch’d schtudiere“.
Es folgten „Johkurt, Paulaner und Bearnd“. Sie gelten als Urväter des Hohenloher Mundartmusik-Kabaretts und frönen nicht nur dem Blues auf Hohenlohisch. Mit unverfälschtem Blick in die Hohenloher Seele nimmt das Trio alles aufs Korn, was das Leben hier so bietet. Lobliedern auf eines der Nationalgetränke, den „Mouschd“, und auf den Ruhestand („Rente gut, alles gut“) folgte die landschaftstypische Werbung ums weibliche Geschlecht: „Kumm mit mir hamm, mir leiiche ‘d Flurstück z’samm. I brauch a Fraa dohamm, i schaff’ mi sonsch noch z’samm“.
Mit viel Schmackes wurde Elton Johns auf hohenlohisch umgedichteter „Crocodile Rock“ präsentiert und am Schluss sang der ganze Fronhof „I mooch di, moochsch du mi?“ lautstark mit. Zuvor hatte die Band postuliert: „Wenn die Wurscht dicker wie’s Brot is’, is es wurscht, wie dick des Brot ist.“ Noch Fragen?
In Markelsheim bestens bekannt sind „Iwwerzwerch“, das Mundart-Duo aus Niederstetten, das mit seinen lustigen Liedchen stets zum Mitklatschen und Mitsingen animiert. Das Lieblingsgericht „Sauerbraten mit breiten Nudeln“ stand Pate für ihren Ohrwurm der „bräädere braade Nudel’“. Den begleitete das Publikum gesanglich ganz inbrünstig – kein Wunder inmitten der Markelsmer „Nudelbätzer“. Dass „Iwwerzwerch“ eine Beschreibung für „überdreht“ ist, wurde den nicht des Dialekts mächtigen Besuchern mit klarer Ansage verdeutlicht: „Zwaa PS mehr als mer vertreiicht“. Und es gibt noch eine zweite Bedeutungsebene: „I bin der Iwwer und des is der Zwerch“, so Roland Dietz über seinen Bandkollegen Markus Martin, den er längenmäßig um einiges überragt: „Do wo der Koupfwäh hat, hob i Bauchwäh.“
Kurt Klawitter, Hohenloher Barde aus Wiesenbach, landete als nächstes mit seinen „Mouschdpiloten“ auf der Fronhof-Naturbühne und groovte sich mit rhythmischen Trommelklängen in die Gehörgänge des Auditoriums. Auch bei ihren swingig-rockigen Beiträgen war Mitsingen angesagt, etwa wenn dem Schwoof beim Ochsenwirt gehuldigt wird: „I danz mit dir, du danz’sch mit mir“. Den ersten singenden Hund aus Hohenlohe präsentierte Klawitter mit einer Reminiszenz an Elvis. „Can’t help falling in love“ wird dabei wörtlich übersetzt: „I kou mer net helfe…“. Weitere Adaptionen bekannter Songs, etwa von Jürgen Marcus und Insterburg & Co. folgten mit „Ein neues Getriebe ist wie ein neues Leben“ oder „Ich liebte a Mädle aus Rinderfeld etc…“ Mit glockenhellen Stimmen und vielkostümierten Beiträgen zum Lachen und Schmunzeln nahmen die vier Schwestern von Jakobs Stubenmusik als Lokalmatadorinnen das Fronhof-Publikum ganz schnell für sich ein. Dabei packten sie nicht nur ein musikalisches Wörterbuch aus (Beispiel: Hochdeutsch: „Junger Mann, Sie haben mich entzückt“, hohenlohisch: „Gäh mit mir uffs Zimmer, dass i di packe kou“), sondern begaben sich auf die schwarze Seite des Humors: „Wir vier sind wieder zu haben“ – denn schließlich haben sie ihre Männer um die Ecke gebracht. Wenn die sich aber auch übers Essen beschweren und dann zufällig in ein Messer stolpern…
Annâweech, mit mittlerweile elf CDs die „Stars“ der Hohenloher Musikszene um den „Gipfel“-Gründer „Molle“, traten mit Sandra Masuch auf, die nach dem Tod des Bandkollegen Peter Botsch die Formation gesanglich verstärkt.
Es war deutlich zu spüren, dass viele Annâweech-Fans im Publikum waren. Vom ersten Ton an goutierten die Konzertbesucher die variationsreiche Partymusik vom rhythmischen Pop über Balladen mit Hymnencharakter bis hin zu Talking Blues mit Hiphop- und Rap-Einflüssen.
Begebenheiten des Landlebens, Geschichten von Liebe und gutem Essen vertont die Gruppe aus dem Raum Künzelsau mit fröhlichen, aber auch nachdenklich-ironischen Texten. Den Kracher zum Abschluss des fünfstündigen, gleichwohl kurzweiligen Programms bildete „Praxis“, die sofort losrockte mit „Heit is Feschd!“. Dass die erste hohenlohische Rock-Mundartband bereits seit über 40 Jahren „praktiziert“, merkte man den durchaus noch frischen Jungs an, so routiniert wie sie Saiten, Tasten und Drumsticks bedienten. Ihre Songzeile „Heit kummt alles z’samm“ leitet über zum letzten Akt des Abends, bei dem sich alle Mitwirkenden noch mal auf der Bühne versammelten und mit einem jubelnden Publikum das „Hohenloher Land“ besangen mit dem Versprechen: „Mir halte z’samm!“
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