Kirchberg. Unter der Überschrift „Herbstball“ des Ludendorf-Netzwerks war in Kirchberg unerwünscht“ berichtete unsere Zeitung am 26. Oktober über den rechtsextremen Verein Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff), kurz BfG. Dieser ist Teil des Ludendorff-Netzwerks und pflegt die antisemitische und rassistische Ideologie Mathilde Ludendorffs (1877 – 1966).
Die „Herbstkulturtagung“ fand vom 30. September bis 2. Oktober im „Jugendheim Hohenlohe“ in Herboldshausen bei Kirchberg statt. Das Haus ist seit Anfang der 1970er-Jahre im Besitz des Ludendorff-Netzwerks. In der – lediglich intern beworbenen – Einladung stand, dass Ingrid B. aus Rieschweiler-Mühlbach (Rheinland-Pfalz) die Anmeldungen zur Veranstaltung entgegennehme, entweder über ihre private Telefonnummer oder eine E-Mail-Adresse der Ludendorffer. B. trat bereits mehrfach im Kontext des Ludendorff-Netzwerks in Erscheinung. Zum Beispiel wurde sie bei den beiden Sommersonnwendfeiern vom 19./20. Juni 2021 und 25./26. Juni 2022 in Herboldshausen gesichtet. Nun legte das Hohenloher Tagblatt ihre Tätigkeit im Naturschutzbund (Nabu) offen: B. ist Vorstandsmitglied in der Ortsgruppe Zweibrücken und Sprecherin der Naturschutzjugend (NAJU). Die NAJU ist die Kinder- und Jugendorganisation des Nabu. Just nach der Berichterstattung reagierte der Nabu – und zeigte eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus.
Ingrid B. trat 2008 in den Nabu ein. Fast 15 Jahre war sie über eine Familienmitgliedschaft im Verband. Nie sei sie durch rechtsextreme Äußerungen und Positionen während ihrer Nabu-Tätigkeit in Erscheinung getreten, heißt es. „Sonst hätten wir umgehend reagiert“, schreibt Matthias Laurisch auf Nachfrage. Laurisch ist Mitglied in der Nabu-Bundesgeschäftsstelle und Leiter im Fachbereich „Engagement und Verbandsentwicklung“.
Erst durch die Berichterstattung erfuhr der Verband von den rechtsextremen Aktivitäten seines Mitglieds. Bereits vor ein paar Monaten soll es einen vagen Hinweis gegeben haben, weshalb der Verband eine Person an die Seite von Ingrid B. gestellt haben soll. Man wollte beobachten, wie sie mit den Kindern und Jugendlichen agiert. Damals konnte kein auffälliges Verhalten beobachtet werden. Laurisch berichtet über den internen Umgang beim Nabu mit dem Fall. Die Bundesgeschäftsstelle, der Landesverband Rheinland-Pfalz und die Ortsgruppe Zweibrücken koordinierten das gemeinsame Vorgehen. Die Ortsgruppe habe den Vorstand einberufen und Ingrid B. mit den Vorwürfen konfrontiert. Sie soll im Zuge dessen behauptet haben, kein Mitglied im BfG zu sein. Aber, so Laurisch: „Sie ist daraufhin als Beisitzerin im Vorstand und NAJU-Sprecherin zurückgetreten und hat zudem angekündigt, ihre Mitgliedschaft zu beenden.“ Der Nabu-Landesverband Rheinland-Pfalz wird das weitere Vorgehen in einer außerordentlichen Vorstandssitzung beschließen. Laurisch erklärt: „Als Beschlussvorschlag steht die Feststellung der Verletzung wichtiger Interessen des Nabu, eine darauffolgende Anhörung der Beschuldigten und die Anordnung von Sofortmaßnahmen sowie ein darauffolgender Antrag auf Vereinsausschluss im Raum.“
Laut Laurisch solle der Ausschluss unabhängig vom angekündigten Austritt angestrebt werden. Der Nabu hatte bereits einen Fall mit ähnlichem Charakter. Damals schloss der Verband ein Vorstandsmitglied eines Landesverbandes mit Kontakten in die „Reichsbürger“-Szene aus.
Stadträte sind sich einig
„Rechte Einflussnahme auf den Nabu ist kein Phantom, sondern real. Natur- und Artenschutz werden genutzt, um undemokratische oder menschenfeindliche Gesellschaftsbilder zu transportieren.“ Das stellte der Nabu im Rahmen einer Studie zu Versuchen rechtsextremer Einflussnahme auf den Verband fest. In der Studie wurde ermittelt, wie und wo die extreme Rechte versucht, Einfluss zu nehmen, und was der Nabu (Mitglieder, Ortsgruppen, Landesverbände) gegen die Versuche der Einflussnahme tun kann. Die Studie, an der mehr als 250 Ortsgruppen und alle Landesverbände teilnahmen, wurde gemeinsam mit der Stiftung Naturschutzgeschichte und der Universität Kassel erstellt. Die Ergebnisse, die 2021 veröffentlicht wurden, verdeutlichen: Es gibt unzählige Anknüpfungspunkte zwischen dem Naturschutz und der rechtsextremen Ideologie. Das wird nicht zuletzt an der Parole „Umweltschutz ist Heimatschutz“, die in der extremen Rechten beliebt ist, deutlich. Der Nabu veröffentlicht immer wieder Statements, um den Bestrebungen der extremen Rechten entgegenzuwirken.
Die Kirchberger Stadtverwaltung, alle 14 Stadträtinnen und Stadträte sowie der gesamte Ortschaftsrat Lendsiedel haben sich in einem Brief an den Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) gewandt, der sein „Jugendheim Hohenlohe“ auf Kirchberger Markung führt. Als das Schreiben im oberbayrischen Tutzing nicht zugestellt werden konnte, wurde es in Herboldshausen eingeworfen.
Bürgermeister Stefan Ohr sieht in der einhelligen Zustimmung zu diesem Schreiben ein gutes Zeichen. Mehr könne die Stadt Kirchberg nicht tun; ordnungsrechtlich habe sich der Verein nichts zuschulden kommen lassen. Gemeinderat Max Botsch (Aktive Wähler) hätte sich mehr gewünscht. Seine Fraktion behalte sich weitere Anträge vor. Das Anschreiben an die Vorsitzende Gudrun Klink im Wortlaut: „In letzter Zeit zog Ihre vereinseigene Immobilie in Herboldshausen viel Aufmerksamkeit auf sich. Unter anderem fand am 18. Juni 2022 eine Demonstration an Ihrem Anwesen statt. Insbesondere die Vermietungen dieses Anwesens sind dabei negativ in der Öffentlichkeit und der Bevölkerung aufgenommen worden. Dies hat ein Gespräch mit den Herboldshäuser Bürgerinnen und Bürgern am 13. Juli m2022 im Kirchberger Rathaus gezeigt. Die Stadt Kirchberg möchte Sie deshalb darauf hinweisen, dass sowohl im Rahmen von vereinseigenen Veranstaltungen als auch künftigen Vermietungen kein rechtsextremistisches Gedankengut etabliert, verbreitet und konspirativ entwickelt werden darf. Sowohl Stadtverwaltung als auch Gemeinderat der Stadt Kirchberg treten für die freiheitlich demokratische Grundordnung ein. Wir möchten klarstellen, dass jegliche rechtsextremistische Gesinnung in unserer Gesellschaft und insbesondere in Kirchberg an der Jagst keinen Platz finden soll.“
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