Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Amtsverweser-Suche - Ehrenamtlicher Dauereinsatz muss Schlusspunkt finden. Verunsicherung überträgt sich auch auf Rathausmitarbeiter

Harte Vorwürfe aus Niederstetten: „Vom Landratsamt im Regen stehengelassen“

Jetzt wird – nach erheblichem Hin und Her und letztlich inhaltlich neutral – ein Amtsverweser für das Niederstettener Rathaus gesucht. Zum Warum äußerten sich die Stadträte Ulrich Roth und Klaus Lahr in deutlichen Worten. Sie bemängeln dabei auch eine fehlende Unterstützung durch das Landratsamt Main-Tauber.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Im Nachgang einer „Rathaussschließung“ wurde Bürgermeisterin Naber durch das Landratsamt vorläufig ihres Dienstes enthoben. © Michael Weber-Schwarz

Niederstetten. Bürgermeisterstellvertreter Ulrich Roth sagte in seiner Stellungnahme vor dem Gemeinderat, dass die Zeit der Suche seit Anfang 2022 äußerst komplex gewesen sei, nachdem es in Sachen Amtsverweser „kein Ergebnis durch diverse direkte Kontaktansprachen“ gegeben habe.

Landratsamt: Abwartekurs

Zunächst habe es aus Richtung Landratsamt geheißen, man müsse abwarten, „ob die Beschwerde gegen die vorläufige Dienstenthebung vom VGH zugelassen“ würde. Nun heiße es, „wir sollen den Ausgang des Verfahrens abwarten“. Im Mai hat es laut Roth ein Gespräch mit der Spitze des Landratsamts und der Kommunalaufsicht mit der Bitte um Unterstützung bei der Amtsverweser-Suche gegeben. Dies „wurde abgelehnt“. Zusätzlich „wurde uns noch ein Paket mit auf den Heimweg gegeben“ – wegen der Aufwandsentschädigungen für die Stellvertreter.

Die Vorgeschichte reicht mittlerweile Jahre zurück: Auseinandersetzungen mit Bürgermeisterin Naber mündeten u. a. in einer ersten Dienstaufsichtsbeschwerde, die „von uns ohne Rechtsanwalt bearbeitet und vom Landratsamt vollumfänglich bestätigt“ wurde, so Roth.

Im November 2020: Nach Prüfung durch einen Rechtsanwalt empfiehlt dieser eine weitere Aufsichtsbeschwerde inklusive Verdacht auf Urkundenfälschung und Falschbeurkundung im Amt. Nach fruchtlosen Gesprächen mit Naber folgt eine weitere Dienstaufsichtsbeschwerde und eine Strafanzeige samt Rücktrittsforderung aller Gemeinderatslisten und Ortsvorsteher. „Auch diese Dienstaufsichtsbeschwerde wurde bis auf eine kleine Ausnahme vollumfänglich bestätigt“, hält Roth fest.

Dezember 2020: Antrag durch das komplette Gremium an das Landratsamt auf vorläufige Dienstenthebung, offener Brief der Rathausmitarbeiter, der Krankenstand Nabers – sie ist nicht mehr im Amt; Ende April 2021 dann die vorläufige Dienstenthebung der Bürgermeisterin.

Alle „hängen in der Luft“

Zum Jahreswechsel 2020/2021 erfolgte die Übernahme der Amtsgeschäfte durch die Bürgermeisterstellvertreter. „Diese Situation besteht nun seit eineinhalb Jahren“, sagt Roth (etwa die Hälfte davon lief mit Unterstützung durch Klaus Brodbeck).

Doch bei aller konstruktiven Arbeit: Die Mitarbeiter im Rathaus und bei der Stadt allgemein „hängen in der Luft, die Bürger ebenso“. Der ehrenamtliche Einsatz habe immense Zeit und Energie gekostet – neben einem Hauptberuf in Vollzeit samt „Zumutung für die Familien und Angehörigen“. Für ihn müsse die Situation auch einmal einen Schlusspunkt finden, und zwar „in sehr naher Zukunft“.

Beispiel für ein laufendes Verfahren: Die Architekten machten mittlerweile Ansprüche in den von Heike Naber (Vorhalt: Kompetenzüberschreitung) abgeschlossenen Verträgen „in mittlerer bis höherer sechsstelliger Summe“ geltend; es sei ein Schiedsverfahren eingeleitet. Anschließend gelte es möglicherweise Schadenersatzansprüche gegen Naber gerichtsfest aufzubereiten, damit das Landratsamt diese geltend machen könne. Er hoffe deshalb, so Roth, dass „wir kurzfristig eine kompetente und geeignete Person als Amtsverweser finden“, dies sei „absolut notwendig“.

Immer wieder seien Fragen aus der Bevölkerung an ihn herangetragen worden, „was die Stellvertreter und Herr Brodbeck die Stadt gekosten haben“ – offenbar getragen von der Sorge, „wir würden hieraus einen Vorteil ziehen“. Bei keinem der Stellvertreter sei dies der Fall: „Stand heute haben die Bürgermeisterstellvertreter für die Führung der Amtsgeschäfte keinen einzigen Euro erhalten.“ Es seien zwar Beträge gezahlt worden (nach der Entschädigungssatzung und mit Gremienbeschlüssen), „dabei hatten wir hunderte geleistete Stunden nicht geltend gemacht“.

Das Landratsamt habe aber „in Folge eines erhaltenen Hinweises und wohl in Unkenntnis der lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen“ die Auszahlungspraxis beanstandet und der Landrat habe persönlich die vollständige Rückzahlung der erhaltenen Entschädigungen gefordert.

„Dem sind wir fristgerecht nachgekommen“, sagt Roth. Das Landratsamt habe anschließend nicht nur nicht mitgeteilt, wie eine nach seiner Auffassung kommunalrechtlich richtige Auszahlung lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich richtig sei. „Im Gegenteil wurden wir zu einem Vorgehen aufgefordert, das bei der Lohnsteuer rechtswidrig wäre und die Verantwortlichen der Stadt Niederstetten in die Gefahr des Sozialversicherungsbetrugs treiben würde.“ Dies „werden wir selbstverständlich nicht tun. Da von hauptamtlichen Verwaltungsfachleuten keine Lösung gefunden wurde, bleibt diese Aufgabe bei den Ehrenamtlichen hängen“, so Roth.

Die nun zu erwartende Auszahlungspraxis unter Anrechnung aller geleisteten Stunden „wird die Stadt geschätzt einen niedrigen fünfstelligen Betrag mehr kosten“. Den finanziellen Nachteil für die Stadt „haben der Hinweisgeber und das Landratsamt zu verantworten“.

Zum Abschluss hält Ulrich Roth folgendes fest: „Bei der nun rückabgewickelten Auszahlungspraxis waren die Bruttokosten der Stadt von Januar 2021 bis März 2022 für Herrn Brodbeck und die vier Stellvertreter zusammen weniger als 70 Prozent von den Bruttokosten für Frau Naber, die in der Zeit nicht einen Tag für die Stadt gearbeitet hat. Dies auch nach Neuabrechnung mit sinkender Tendenz, da Herr Brodbeck ja seit März keine Honorartätigkeit mehr für die Stadt erbracht hat.“

Großes „Behördenversagen“

Auch Klaus Lahr wird deutlich: Er spricht von einem breiten „Behördenversagen“, in dem es für Stadt und Ehrenamtliche derzeit „kein Licht am Ende des Tunnels“ gebe. Niemand fühle sich zuständig, Behörden träfen keine Entscheidungen – „das kann man so nicht vor sich hindümpeln lassen“. Letztlich würden „5000 Bürger alleine gelassen.“

Das Landratsamt selbst – es biete keinen Verweser mit verwaltungsrechtlichem Background an. Dabei, so Lahr, habe gerade dieses Amt doch nicht nur eine Aufsichtspflicht für seine Kommunen, sondern auch eine Fürsorgepflicht inklusive Verwaltungskompetenz. Vom Landratsamt „fühlen wir und aber im Regen stehengelassen.“ Man wolle alles andere als „Krawall machen“, sondern „friedlich arbeiten“, doch die jetzige Situation – inklusive einer „Fehlberatung“ bei der Auszahlungspraxis (Lahr: „Wir sind Laien. Da muss doch das Landratsamt die Regularien vorgeben.“) – führe zu einer massiven Verunsicherung bei den Ehrenamtlichen. Final schlage das auch aufs Klima im Rathaus durch. Lahr: „Verunsicherung überträgt sich“ – sprich, es sei eine noch stärkere Personalfluktuation zu erwarten, wenn nicht schnellstmöglich eine Form von Ruhe und Perspektive in der Verwaltung einkehrt.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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