Adolzhausen. Irgendwie haben sie ein wenig Pech mit ihren Jubiläen. Sowohl ihr 30-jähriges Bestehen als auch das 60-jährige feierten sie mit einjähriger Verspätung. Macht’s da noch etwas aus, wenn das 100-jährige Jubelfest mit zweijähriger Verzögerung gefeiert wird? Wohl kaum, zumal, wenn es nun wirklich externe Zwänge waren, die den Organisatoren der bereits 2020 komplett mit einem Dreitagesprogramm mit Comedy, Singnachmittag und Heimatabend durchgeplanten Jubiläumsfeier einen dicken Strich durch die Feierlichkeiten machten.
Dass sie auch 2021 nicht einmal mit der einjährigen Traditions-Verschiebung feiern konnten, trugen Renate Meinikheim, seit 2016 Vorsitzende des Gesangvereins Harmonie Adolzhausen, Chorleiterin Anna Leuser-Valls und der gesamte Chor mit denkbar großer Fassung. Dann also jetzt, 2022, auch, wenn die Sängerkraft im Lauf der pandemiebedingten Probenpausen ein wenig gelitten haben sollte. In anderen Vereinen sieht’s ja nicht besser aus. Und weil das Virus immer noch nicht aufgab, beschlossen sie, statt an drei Tagen nur an einem Tag zu feiern – da aber richtig! Und mitten drin im Dorf!
Adolzhausen feiert gastfreundlich – mit reichhaltigstem Mittagstisch und konditoreiwürdigen Kuchentheken. Dazu Gesang von vier Chorformationen – kein Wunder, dass die rund 60 Biertisch-Garnituren den ganzen Nachmittag über gut besetzt waren.
Den Gottesdienst mit Pfarrer Volker Layer begleiteten neben dem Jubelchor Anja Schmezer, Matthias Döhler und Tom Stirnkorb mit Saxophon, Keyboard und Drum – und auch die Besucher – darunter auch zahlreiche ehemalige Adolzhäuser und verdiente ehemalige Chor-Aktive – sangen kräftig mit.
Das große Jubelfest zog sich bis in den späten Abend. Da sorgten dann die „Rotweinschlotzer“ aus Münster für nicht nur musikalisch beste Stimmung, denn die komplette Gästeschar verwandelte sich in eine spontane und stimmstarke Chorgemeinschaft. Ganz Adolzhausen schwelgte in heiterer Harmonie.
Besondere Beziehung
Im Gottesdienst hatte Pfarrer Layer den Adolzhäuser Gesangverein Harmonie unter anderem als Träger des Trostes gewürdigt, Adolzhausens Ortsvorsteher Jürgen Striffler lobte das Durchhaltevermögen der Sänger und Sängerinnen: „Einhundert Jahre Vereinsarbeit – das ist ein Wort!“ Gewürdigt hatten das bereits Bundespräsident Steinmeier, in dessen Vertretung der damalige Landrat Frank einer kleinen Chor-Delegation die Zelter-Plakette verlieh.
Für die Stadt Niederstetten überbrachte Klaus Lahr als stellvertretender Bürgermeister Glückwünsche. Wunderbar sei es doch, das Jubiläum wenigstens nachfeiern zu können. Oliver Paul, seit rund einem Jahr Vorsitzender des Chorverbands „Hohenloher Gau von 1884“, hat eine besondere Beziehung zu Adolzhausen: Vor über sechs Jahrzehnten unterrichtete hier sein Großvater Erich Paul, der den Chor etliche Jahre leitete. Bereits damals, so sein Enkel, habe man sich zur Singstunde in der Schule getroffen – und wohl spätestens in der Nachsitzung auch besprochen, was sich die jungen Zöglinge die Woche über geleistet hatten. Der Chor als Klassenbuchersatz: auch nicht schlecht! Oliver Paul überreichte der Vereinsvorsitzenden die Ehrenurkunde des Deutschen Chorverbands.
„Singen macht Spaß“
Besondere Glückwünsche hatte auch Tamara Petersik mitgebracht. Als Vorsitzende des Patenvereins Liederkranz Niederstetten ermutigte sie nach der für die Chöre wirklich „sauren“ Zeit des Singens auf Abstand den Jubilar-Verein: „Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade draus!“ Oder eben auch Zitronenlikör, den sie – Vitamine helfen ja auch dem Immunsystem auf die Sprünge – gemeinsam mit einem Körbchen Zitronen Renate Meinikheim überreichte.
Mit weit über den Platz schwingenden Klängen hatte der Gesangverein Harmonie Adolzhausen unter der Leitung von Karin Kraft bereits den Gottesdienst begleitet, mit Manfred Siebalds Lied „Gut, dass wir einander haben“ das Fest auf einander ergänzendes Miteinander eingestimmt.
Mit Uli Führe verkündeten sie klangvoll „Singen macht Spaß“, und mit dem von Kurt Herrmann (Vereinsvorstand von 1960 bis 1965) und Anne Beyer (Dirigentin von 1991 bis 2007) getexteten und von Hermann-Josef Beyer – letzterer lieferte den Chören perfekte Keyboard-Unterstützung – gesetzten Adolzhäuser Heimatlied beschworen sie gekonnt das Wurzelwerk, aus dem sich auch die langjährige Gesangstradition speist. Ganz schwungvoll folgte „Griechischer Wein“ – und nach den Grußworten der Dorfrocker-Song „Im Dorf, wo ich geboren bin“.
Fein abgestimmt
In gleich zwei Formationen begeisterte der Liederkranz Niederstetten das Publikum – in der etwas reduzierten 20-köpfigen Originalbesetzung unter anderem mit „Marina, Marina, Marina“ und dem „Alten Haus“, in der „Reloaded“-Formation unter anderem mit „Somewhere over the Rainbow“ von Harold Arlen und E.Y. Harburg aus dem Musicalfilm „Der Zauberer von Oz“ und dem Lovland/Graham-Popsong „You Raise Me Up“.
Beide Formationen, die unter der Leitung von Edith Wolff auftraten, wurden für ihre schwungvollen, sehr fein abgestimmten und anspruchsvollen Interpretationen mit kräftigen Beifall belohnt.
Den gab es auch hoch verdient für die zweite Adolzhäuser Formation, die „Harmonists“, die sich unter der Leitung von Karin Kraft an Lorenz Maierhofers alpine Pop-Ballade „Über’n See“ heranwagte. Sie meisterten die Herausforderung mit Bravour – auch dank hervorragender Vorarbeit von Dirigentin Anna Leuser-Valls, die den Dirigentenstab kurz nach der Geburt ihres Jüngsten gern der Vize-Dirigentin überließ. Hoch zufrieden zeigte sie sich auch mit der „Harmonists“-Interpretation des Folk-Rock-Songs „Hallelujah“ von Lohnard Cohen.
Trotz der immensen Herausforderung, die Corona für die Chöre ist, stehen nach diesem Festtag die Zeichen für den Gesang gut: Ein Chor, der schon die Klippen von zwei Weltkriegen und einer Pandemie umschifft hat – die kleine Geschichtsausstellung belegt es – , schafft es auch in und durch weitere Krisen, den Menschen als Tröster und Hoffnungsspender zur Seite zu stehen.
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