Tausende von Süßwassermuscheln, die den Asch-bachsee bei Niederstetten-Herrenzimmern bevölkern, sind bereits verendet. Elmar Patermann versucht zu retten, was noch zu retten ist.
Herrenzimmern. Die Situation ist dramatisch: Als Naturschützer Elmar Patermann am Sonntagabend einen Spaziergang am Freizeitsee beim Niederstettenener Ortsteil Herrenzimmern macht, bemerkt er, dass der Wasserspiegel stark gesunken ist. Rund sechzig Zentimeter sind es, das hat der Markelsheimer mit dem Meterstab nachgemessen. Die Uferbereiche sind entsprechend trocken gefallen – man kann in den flacheren Zonen teils mehrere Meter in das Bett des Sees hineinlaufen.
Überall glitzert das Innere von großen Süßwassermuscheln, das Perlmutt. Eine enorme Population dieser geschützten Tiere bevölkert den See, aber wenn die Schalen weit aufgeklappt sind, ist es für die empfindlichen Tiere bereits zu spät. Tausende Muschelschalen säumen die Uferbereiche. „Ich könnte heulen“, sagt Patermann und hebt einige geschlossene Muscheln auf, begutachtet sie kurz. Wenn sich ein herausragender „Fuß“ am Muschelrand zeigt, hat das Tier Glück. Es lebt noch. Patermann setzt es in tiefere Gewässerbereiche. Doch für eine große Zahl kommt sein Rettungsversuch zu spät.
Was kann der Grund für das Trockenfallen sein? Patermann weiß es nicht. Fest steht nur: Er fließt weniger Wasser aus den kleinen Seitentälern zu, als irgendwo abfließt.
Das Ausbreitungspotenzial der Muscheln gilt als außerordentlich gering, so dass sogar verschiedene Flussgebiete oder ökologisch abgeschlossene Seen genetisch ganz eigenständigen Populationen beherbergen können. In Herrenzimmern scheinen sie sich jedenfalls seit vielen Jahren wohl zu fühlen.
Großmuscheln stehen stellvertretend für alle Tiere des Gewässergrundes. Da sie sich nur sehr langsam bewegen, sind sie äußerst empfindlich gegenüber Eingriffen: Werden Fließgewässer etwa ausgebaggert, sterben die Muscheln und viele andere Bodenorganismen im ausgehobenen Baggergut ab.
Gleiches gilt selbst bei kurzen Trockenperioden: Die Tiere sind nicht in der Lage, selber wieder ins tiefere Wasser zurückzukehren. Da sie permanent Flüssigkeit filtern und sich so auch immer mit Sauerstoff versorgen, sterben sie schon kurze Zeit nachdem der Wasserstrom unterbrochen wird, ab.
Auch die Biber haben in Herrenzimmern aktuell ein Problem: Die ansonsten unterirdischen, sprich: unter der Wasserlinie befindlichen Eingänge zu den Biberburgen liegen derzeit frei. Das von ihnen aufgetürmte, schützende Holzdach über den Bauten rutscht seewärts ab.
Von beeindruckender Größe
Folge eines solchen Muschel-Massensterbens ist eine Verarmung der Seen-Fauna, eine ökologische „Uniformierung“ der Lebensräume. Die leeren Schalen der Muscheln, die auf den Uferbanketten liegen bleiben, „sind dabei Zeugen eines vielfachen Sterbens der Gewässertiere, da viele weitere Arten des Gewässergrundes sehr viel kleiner und damit unauffälliger, aber genau so bedroht sind. Großmuscheln sind nur die auffallendsten Opfer und stehen mit ihrem Schicksal stellvertretend für die gesamte Bodenfauna der Gewässer“, schreibt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) über andere Fälle.
Bei den Tieren im Herrenzimmerner See handelt es sich wohl um Teichmuscheln (Anodonta), die in mehreren Unterformen in Deutschland heimisch sind. Sie erreichen eine beeindruckende Länge von rund 15 Zentimetern und können viele Jahre alt werden.
Der Aschbachsee kann aus den umliegenden Orten Weikersheim (etwa sieben Kilometer vom See entfernt), Igersheim und Bad Mergentheim gut erreicht werden. Verwaltungstechnisch gehört er zu Niederstetten und verfügt über eine Schutzhütte, eine Liegewiese und einen kleinen Badestrand. Vor allem im Sommer ist er ein beliebtes Ausflugsziel.
Im Jahr 2015 stattete der damalige Regierungspräsident Johannes Schmalzl dem kleinen See eine Besuch ab, weil das Land Eigentümerin eines Waldabschnitts am Ufer ist. Der wurde extra gekauft, um dem Biber Flächen für seine „Fällarbeiten“ zur Verfügung zu stellen.
Zuständig für den See ist auch der Fischereiverein in Niederstetten. Die Naturschützer haben am Montag umgehend versucht, mit den Verantwortlichen Kontakt aufzunehmen. Elmar Patermann hat im Sinne der Tiere spontan und menschlich gehandelt, weil er akut Gefahr im Verzug gesehen hat.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/niederstetten_artikel,-niederstetten-einzelkaempfer-gegen-das-massensterben-_arid,1733016.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/niederstetten.html