Creglingen. Der Fund war "reiner Zufall", erinnert sich Ulrich Schönberger. Kürzlich suchte er im ehemaligen Bauhof nach Brauchbarem für den Gewerbeverein. "Da habe ich die Inschriftenplatte gefunden."
Wie die Platte da hingelangte, ist unklar. Allerdings soll sich diese Tafel noch bis Ende der 1980er Jahre am Grabstein von Ferdinand Löwenthal befunden haben, erklärte Albert Krämer im Gespräch mit unserer Zeitung. Anzunehmen ist deshalb, dass sie sich wohl infolge von Jahrzehnte langen Witterungseinflüssen vom Grabstein gelöst hatte und wahrscheinlich von einem Bauhof-Mitarbeiter in der Scheune gelagert wurde. Danach geriet sie aus unbekannten Gründen in Vergessenheit, bis Ulrich Schönberger sie fand.
Schnell war dem Finder, den anderen Vertretern der Stiftung des Jüdischen Museums Creglingens und Bürgermeister Uwe Hehn klar, was mit dieser Platte geschehe sollte: "Wieder dahin, wo sie war und hingehört, nämlich an den Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in Creglingen", machte der Bürgermeister am Donnerstag bei der aus diesem Anlass organisierten Feierstunde deutlich.
Dazu war aus Stuttgart der Landesrabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), Netanel Wurmser, angereist. Mit dabei waren zudem Dr. Christoph Bittel und Martin Heuwinkel, Ingrid Thomé-Reinhard und Ulrich Schönberger von der Stiftung Jüdisches Museum Creglingen sowie Albert Krämer und Stadträtin Anita Bone-Czerniejewski.
Albert Krämer machte einige Angaben zur Person des am 24. Dezember 1866 in Archshofen geborenen Ferdinand Löwenthal, der als drittes von fünf Kindern des Ehepaares Anselm Löwenthal und seiner aus Dittigheim stammenden Frau Johanna, geborene Steinhardt, in Archshofen aufwuchs. Dort lebten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Löwenthal-Familien.
1882 zogen vier von ihnen mit insgesamt 25 Personen nach Rothenburg, Ferdinand Löwenthal aber blieb in seiner Heimatgemeinde. Am 1. Juli 1901 heiratete er Betty Staudecker aus dem badischen Merchingen, die Trauung in Würzburg vollzog ein Rabbiner namens Bamberger. "Ferdinand Löwenthal war ein angesehener Bürger und das einzige Mitglied jüdischen Glaubens im 1868 gegründeten Männer-Gesangverein", verdeutlichte Krämer. Auf einem Foto von 1902, das anlässlich der Fahnenweihe entstand, ist Ferdinand Löwenthal zu sehen. Gestorben ist er am 27. Dezember 1932 im Alter von 66 Jahren, kurz nachdem er sich in Bad Mergentheim einer Operation unterziehen musste. Der Landesrabbiner, Ulrich Schönberger und Martin Heuwinkel legten dann gemeinsam Hand an und befestigten die Inschriftenplatte wieder am Grabstein. Netanel Wurmser las aus dem 119. Psalm und sprach das Erinnerungsgebet für die Verstorbenen. Weiter machte Wurmser darauf aufmerksam, dass die hebräische Inschrift auf einen "gradlinigen Menschen" hinweise, der ein "koscheres Leben" geführt habe.
Da der Friedhof im Besitz der IRGW ist - für die Pflege ist die Stadt zuständig, die Kosten trägt das Land - nutzten die Anwesenden die Gelegenheit für einen Rundgang. An zahlreichen der aus Sandstein gefertigten Grabsteine nagt der Zahn der Zeit, doch bei einigen könnte eine fachgerechte Restaurierung den weiteren Zerfall aufhalten. Wie so häufig ist auch der Erhalt der Gräber eine Geldfrage, insofern "sind Spenden immer willkommen", waren sich Uwe Hehn und der Landesrabbiner einig. Angesprochen wurde auch der Archshöfer Thora-Vorhang, der in der Stuttgarter Synagoge ausgestellt ist. Die Mitglieder der Stiftung würden diesen gerne bei einer Sonderausstellung im Museum zeigen. "Da spricht nichts dagegen", sagte Wormser, der sich selbst die Frage stellte, wie der Vorhang nach Stuttgart gekommen ist. "Ich weiß es nicht." Gleichwohl sei es ein schönes Zeichen, dass nicht alles zerstört wurde.
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