Märzrevolution vor 175 Jahren

Bedenkliche Stimmung wegen „großer Armuth“

In der Gegend rund um Mudau herrschte damals großer Aufruhr

Von 
Hans Slama
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Das Rentamt in Ernsttal wurde geplündert, die Menge verbrannte Akten. © Hans Slama

Mudau. Eines der Zentren in der Frühphase der Badischen Revolution 1848 war neben dem Schwarzwald der durch die Agrarkrise besonders benachteiligte Odenwald rund um Mudau. Die Agrarrevolte, die sich mit der politischen Erhebung vereinte begann von Frankreich aus über den Rhein zu schwappen. Im April 1847 verteilte der Seifensieder und Hausierer Anton Stoll aus Mudau ein Flugblatt, auf dem zur Zusammenrottung, auf der im Odenwald bekannten „Spießerheumatte“ am 12. April aufrief.

Abendzeitung berichtete

Diese liegt am alten Neckarweg an den Gemarkungsgrenzen von Langenelz, Balsbach und Unterscheidental. Die Abendzeitung in Mannheim berichtete am 10. April, dass der Aufruf von „Unzufriedenen oder aber von Ränkeschmieden ausgegangen sey“. Er beginnt mit „Brüder und badische Mitbürger“ und schließt mit „Freunde des Vaterlandes“. „Gott, heißt es darin, habe den Hunger unter die Menschen geschickt, damit das deutsche Volk aufwache und sich einander liebe wie Brüder und auch wie Brüder miteinander und für einander streite.

Das Ziel, wozu eine „Revolution“ ausbrechen solle, sey 1) der Adel müsse vernichtet 2) die Juden müssen aus Deutschland vertrieben werden, 3) alle Könige und Herzoge und Fürsten „müssen weg“ und Deutschland ein Freistaat wie Amerika werden, 4) alle Beamten müssen gemordet werden.“

„Die waffenfähigen Männer und Burschen der Ämter Mosbach, Eberbach und Buchen sollten sich mit Gewehr, Säbel und gerade gemachten Sensen versammeln und jeder Ort seinen Anführer wählen.“ Aus Mosbach, wo es ruhig blieb, hieß es, dass „dagegen nicht zu leugnen ist, daß in vielen Orten des Odenwaldes wegen der überaus großen Armuth und Nahrungslosigkeit eine bedenkliche Stimmung herrscht, welche anfängt, sich in Drohbriefen u. dgl. Luft zu machen.“

Das war aber erst der Anfang. Parallel zu den Aktionen der liberalen Wortführer im Anschluss an die französische Februarrevolution 1848 kam es in den ersten Märztagen zu Agrarrevolten. Es ging jedoch dabei im von Armut und Missständen gebeutelten Landstrich im Nordbadischen Raum nicht um Pressefreiheit, Geschworenengerichte und deutsches Parlament.

Als sich nach dem 4. März Bauern und Bürger erhoben, die Rentämter in Buchen, Neckarelz und das Schloss in Adelsheim geplündert wurden, hielten vielmehr die Odenwälder vor 175 Jahren ihre Zeit für gekommen, sich von den alten Feudallasten zu befreien. Den Sturm auf das Mudauer Rathaus vereitelte zwar am 9. März der Bürgermeister, doch dafür plünderte nach einem Besuch der dortigen Brauerei eine rund 300-köpfige Menge, das Rentamt in Ernsttal und verbrannte Akten.

Zug nach Amorbach

Die bewaffneten Bauern zogen am folgenden Tag, deren Zahl zwischen 800 bis 3000 betragen haben soll, von Mudau nach Amorbach, um beim Hause Leiningen ihre Forderungen vorzutragen. An der Spitze ritt hoch auf dem Pferd, von der Amorbacher Bürgerwehr mit Herunterschießen bedroht, Johann Adam Hofmann von Steinbach, ein Veteran von 1812. Deshalb wurde er auch der alte Napoleon genannt.

Kleinere Zugeständnisse wurden gemacht und die Verhandlungsdelegation bewegte die Bauern zur Rückkehr. Das Gesetz vom 10. April 1848 über die Aufhebung der Feudalrechte gegen Entschädigung soll auf die Bauern keinen besonderen Eindruck gemacht haben. Sie hatten ihr Ziel erreicht und erhielten unter anderem auch die Jagd- und Fischereigerechtigkeit seit vielen Jahrhunderten wieder. Deshalb wilderten sie auch unerlaubt im Wildpark des Fürsten.

Aufständische Rädelsführer

Am 3. Mai überreichten die Gemeinden des Mudauer Odenwaldes dem Bezirksamt in Buchen mit 38 Übelständen. Gegen die aufständischen Rädelsführer wurden sofort Untersuchungen wegen Urkundenerpressung und rachsüchtiger Beschädigung eingeleitet. Lehrer Söhner von Mudau und seine beiden Brüder, ebenfalls Lehrer in Steinbach und Hollerbach, waren Organisatoren der Erhebung. Sie flüchteten nach Amerika, ebenfalls der Gastwirt und Zehntrechner Sachs aus Langenelz mit der Zehntkasse. Militär wurde einquartiert und es herrschte, auch wegen der nun folgenden freiheitlichen Erhebungen 1849, der Kriegszustand bis 1852. Der große Brand von Mudau 1849 belastete die Bewohner zusätzlich. Die Rädelsführer aus Mudau wurden am 13. November 1849 verurteilt, im Revisionsverfahren ermäßigt, teils freigesprochen. Für die Verteilung des Flugblattes wurde Stoll 1847 wegen Hochverrats zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung wanderte er 1858 mit der Familie nach Brasilien aus. Die Nachforschungen ergaben, dass die Familie nach der Ankunft in Juiz de Fora verstarb (Fieber). Adam Stoll starb 1859, der Sohn Franz ebenfalls, die Tochter Clara schon 1858 in Rio de Janeiro und die Ehefrau Rosine, geborene Berberich, 1863. Hans Slama

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