Mosbach. Der Neckar-Odenwald-Kreis baut auf historischem Grund in Mosbach das neue Hauptgebäude des Landratsamtes. Hier hat ehemals die jüdische Familie, inmitten einer überwiegend christlichen Gemeinschaft, gelebt und gearbeitet.
Die Rede ist von Leopold Blum, dem Besitzer einer einst blühenden Zigarrenfabrik. Dessen Wohnhaus und Kontor standen auf eben diesem Gelände und wurden erst 1978 abgerissen, um dem Postanbau Platz zu machen. Das heutige Landratsamtsgebäude in der Scheffelstraße 1 diente dem Fabrikant als Tabaklager.
Blum, geboren 1854 in Hochhausen am Neckar, errichtete 1888 in seinem Heimatort eine Zigarrenfabrik. Die Geschäfte liefen so gut, dass er nach Mosbach übersiedelte und dort in der Neckarelzer Straße den Hauptsitz seines Betriebes samt Wohnhaus errichtete. Hochhausen blieb als Filiale bis 1931 erhalten, eine weitere kam 1907 in Lohrbach dazu. Allein dort waren zeitweise über 100 Menschen beschäftigt.
Mit seiner Frau Rosa hatte der Fabrikant drei Töchter: Ida, Lina und Anna. Lina verheiratete sich mit Adolf Kohlmann, der ab 1928 allein die Geschicke der Zigarrenfabrik leitete. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Seniorchef, der wohl aufgrund eines Schlaganfalls an Lähmungen litt, schon lange aus dem Geschäft zurückgezogen. Die aufkommenden Diskriminierungen der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten ab 1933 erlebte er noch. Die systematische Verfolgung, deren Beginn mit der Reichspogromnacht gleich gesetzt wird, allerdings nicht mehr: Der Witwer starb eine gute Woche zuvor am ersten November 1938. Da war auch sein Schwiegersohn schon nicht mehr im Besitz des Familienerbes. Im Sommer 1938 musste Adolf Kohlmann dem Druck, der auf jüdische Geschäftsleute ausgeübt wurde, nachgeben. Er verkaufte die Fabrik weit unter Preis an den Germersheimer Zigarrenfabrikanten Bumiller. Die Familie Kohlmann emigrierte noch im Dezember des gleichen Jahres über England nach Amerika. Der neue Besitzer zahlte im Übrigen 1950 im Rahmen eines Vergleichs noch einmal mehr als das Doppelte des ursprünglichen Kaufpreises an Kohlmann, wahrscheinlich um einem entsprechendem Gerichtsverfahren aus dem Weg zu gehen. Ida, eine in Pforzheim verheiratete Schwester Linas, wanderte ebenfalls nach Amerika aus. Allerdings erst nach dem Krieg, zuvor hatte sie die Hölle im Lager von Gurs in Südfrankreich und in anderen Konzentrationslagern durchlebt. Die dritte Tochter, Anna, wurde 1942 in Auschwitz ermordet.
Wie selbstverständlich das Zusammenleben von Juden und Christen war, zeigt eine in "Unser Land 2010" veröffentliche Geschichte von Else Ernst, in der diese von ihrer Mutter Laura Neureuther (geborene Ihrig) erzählt. Die Lohrbacherin war von 1925 bis 1929 als Haushaltshilfe im Fabrikantenhaushalt Blum in Mosbach beschäftigt und hatte es dort "sehr gut getroffen". Sie pflegte den gelähmten Leopold Blum, schob ihn am Sabbat im Rollstuhl in die Synagoge, lernte kochen und erhielt im Gegenzug eine gerechte Entlohnung, großzügige Geschenke und nicht zuletzt ein hervorragendes Dienstzeugnis für "vorbildlichen Fleiß, Sauberkeit und strenge Ehrlichkeit".
Um die Geschichte der Zigarrenfabrik Blum nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wird im Eingangsbereich des neuen Hauptgebäudes des Landratsamtes eine Gedenktafel angebracht. Das dauert allerdings noch etwas. Ab Mitte April soll das neu gestaltete Haus, das einen kundenorientiert gestalteten Eingangsbereich mit Behindertensprechzimmer erhalten wird, bezogen werden. Im völlig entkernten, 1978 errichteten "modernen" Anbau des alten Postamts (Baujahr 1931), werden künftig auch Landrat Dr. Achim Brötel und der Erste Landesbeamte Martin Wuttke ihre Büroräume haben.
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