Zukunftsdialog „Reden wir über . . .“ - Gesundheitsversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis diskutiert / Zu wenige Ärzte im ländlichen Raum / Überversorgung bei der stationären Pflege

Kreiskliniken setzen auf Spezialisierung

Von 
Brunhild Wössner
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Beim Zukunftsdialog „Reden wir über . . .“ des DGB Neckar-Odenwald und der Volkshochschule Mosbach stand die Gesundheitsversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis im Mittelpunkt. © Brunhild Wössner

Beim Zukunftsdialog des DGB Neckar-Odenwald und der Volkshochschule Mosbach stand die Gesundheitsversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis im Mittelpunkt.

Mosbach. In einer Kooperationsveranstaltung des DGB Neckar-Odenwald und der Volkshochschule Mosbach im Rahmen ihres Zukunftsdialogs „Reden wir über...“ ging es diesmal um das Thema „Gesundheitsversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis“. Diskutiert wurde ein breites Spektrum, von der Notfall-, Ärzte- und Krankenhausversorgung bis zur Pflege älterer Menschen. Auch der Frage, ob sich die Bürger im Neckar-Odenwald-Kreis gut versorgt fühlen, und wo gibt es Verbesserungsbedarf, wurde nachgegangen.

Es diskutierten Landrat Dr. Achim Brötel, Joachim Stutz, stellvertretender Geschäftsführer der AOK Rhein-Neckar-Odenwald, Simon Schreiweis, Betriebsratsvorsitzender der Neckar-Odenwald Kliniken und Nicola Laukenmann, Leiterin der Einrichtung „Wohnen & Pflege“ im Buchener Pflegeheim „Sonnengarten“. Zunächst hob Robin Friedl, DGB-Kreisvorsitzender, die Bedeutung des Themas hervor: „Wie ist der Ist-Stand und wo wollen wir hin?“ Dr. Katrin Sawatzki, Leiterin der VHS Mosbach, betonte, dass man mit verschiedensten Angeboten dem Thema gerecht werde.

Zunächst lieferte der Landrat Zahlen. So gab es 2018 im Kreis 82 niedergelassene Hausärzte und mit den niedergelassenen Fachärzten insgesamt 198 Ärzte. Engpässe gebe es bei den Kinder- und Augenärzten. Momentan sei die Ärzteversorgung noch gut, so Brötel. Betrachte man allerdings die Alterspyramide der Ärzteschaft, werde es kritischer. Es sei abzusehen, dass diese über kurz oder lang in Rente gehen würden.

Da Ärzte heute zunehmend Schwierigkeiten haben, sei man im Landratsamt aktiv geworden. Im Bereich der Kreisentwicklung habe man eine Stabstelle geschaffen, die ab 1. November diesen Jahres mit Lisa-Marie Bundschuh besetzt ist. Eine der Aufgaben werde sein, mit einer Bewerbungsmappe auf Bewerbungstour zu gehen und die Vorzüge des Kreises für angehende und interessierte Mediziner ansprechend darzustellen. Begonnen werde schon in den Abiturklassen bei den sich für ein Medizinstudium interessierten Schülern. Mit modernen Kommunikationstools wie Apps informiere man diese über Angebote im Kreis.

Im Wettbewerb behaupten

Die Chancen, dass die jungen Menschen zurück in den Kreis kommen erhöhen sich durch den Umstand, dass die Kliniken in Mosbach und Buchen akademische Lehrkrankenhäuser seien. Der ländliche Raum müsse sich im Wettbewerb um junge medizinische Fachkräfte gegen die Anziehungskraft der Städte behaupten. Für Brötel ist die Gesundheitsversorgung ein besonders wichtiges infrastrukturelles Ziel.

Es stehen Überlegungen im Raum wie bei der Vermittlung von Praktika, Weiterbildungsplätzen oder auch bei der Finanzierung des Medizinstudiums behilflich zu sein, gegen die Auflage, sich für eine gewisse Zeit im Kreis als Arzt niederzulassen. Aus dem Ausland Mediziner zu rekrutieren, betrachtet der Landrat als problematisch, da diese Menschen zum einen zuhause gebraucht würden und die Verständigung im Einzelfall schwierig werden könne.

Und damit war man beim Thema „Krankenhaus“. Im Kreis wurden etwa 60 000 Fälle in den Kliniken behandelt, davon rund 20 000 stationäre und 40 000 ambulante. Diese Patienten kämen nirgendwo anders unter, so der Landrat. Mit rund 1000 Mitarbeitern und 120 Ärzten in den Kliniken, die zu den fast 200 niedergelassenen Ärzten noch dazu kämen, leiste das Gesundheitssystem im Kreis also Beachtliches. Ziel sei es, eine Grund- und umfassende Regelversorgung anzubieten. Auf dem Land müsse man besonders die älteren Menschen medizinisch versorgen.

Obwohl die Station der inneren Medizin zu über einhundert Prozent ausgelastet war, habe man dort ein hohes Defizit erzielt. Denn gerade dort würden die Leistungen nur unzureichend vergütet. Man müsse diese Leute aber versorgen, so der Landrat und die Politik dürfe davor nicht die Augen verschließen.

Das Krankenhaus in Hardheim habe sich inzwischen zu einem reinen Belegkrankenhaus entwickelt und sei ein unverzichtbarer Notfallstandort für den nördlichen Kreis. Inzwischen versorge man dort Patienten aus angrenzenden Kreisen wie dem bayerischen Miltenberg, wo die Klinik geschlossen worden sei. Das Konzept für die Kreiskliniken setze ganz auf Spezialisierung, bei der Mosbach und Buchen eigenen Profile entwickeln.

Die Krankenhausversorgung im ländlichen Raum habe ganz andere Aufgaben als die in der Stadt. „Man bräuchte keine – heute besonders lukrativen – Hüftoperationen, wenn der Rest am Standort verbleibt und auskömmlich finanziert wird“, so Brötel mit Blick auf die Bundespolitik. Aktuell betrage die strukturelle Unterfinanzierung der Neckar-Odenwald-Kliniken sieben Millionen Euro, die genaue Zahl für dieses Jahr kenne man noch nicht. Mit Sicherheit werde das Defizit jedoch höher ausfallen als im vergangenen Jahr. Man verliere zu viele Patienten nach draußen.

Auch auf die Notarztstandorte ging er ein. Die integrierte Leitstelle in Mosbach müsse unbedingt erhalten werden, denn Ortskenntnis sei auch durch die beste EDV-Anwendung nicht zu ersetzen. Dazu sei in Mosbach noch die Feuerwehr mit integriert. Bei den Pflegeeinrichtungen sei man im Kreis überversorgt. Es gebe 33 stationäre Pflegeeinrichtungen mit knapp 1900 Dauerpflegeplätzen. Als Gründe für den Verkauf des Wohn- und Pflegeheims in Hüffenhardt nannte Brötel zum einen das stark wachsende Defizit der Einrichtung und dass der Betrieb im Gegensatz zur Trägerschaft für die Kliniken keine Pflichtaufgabe des Landkreises sei. Der Kreistag werde dem Landrat zufolge am kommenden Mittwoch darüber beraten.

Zum Schluss warf er noch einen kurzen Blick auf die Situation bei den Apotheken. Auch hier drohe das Gleiche wie bei der Ärzteversorgung. Seine Vision für 2030 lautete, dass es die Kliniken noch geben werde, sich die Fachärzte um die Klinikstandorte konzentrieren würden und digitale Einrichtungen wie „DocDirekt“ manches erleichtern. Er sieht mobile Hausärzteteams in der Fläche sowie neue Praxisformen mit einem Leiter und angestellten Ärzten.

In der von Herbert Weisbrod-Frey moderierten Diskussion stimmte Joachim Stutz von der AOK Brötel im Wesentlichen zu. Für ihn wird das Stadt-Land-Gefälle noch extremer werden. Denn 70 Prozent der Medizinabsolventen seien Frauen, die nicht mehr sieben Tage pro Woche rund um die Uhr verfügbar seinen wollten.

Baden-Württemberg habe circa 6700 Ärzte, rechnerisch 400 zu viel, so Stutz. Dennoch gebe es lokale Engpässe, weil die Ärzteschaft nicht optimal verteilt sei. Stutz erinnerte an die Versprechen von Bund und Ländern, den ländlichen Raum zu stärken. Passiert sei wenig bis gar nichts, so Stutz.

Schreiweis wies anschließend auf die schlechte Versorgung der Kliniken mit Krankenpflegekräften hin und Laukenmann, die von der Altenpflege kommt, sieht hier den Zug, Fachkräfte zu finden, schon abgefahren und keine zufriedenstellende langfristige Lösung dieses Problems.

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