Am Landgericht

Lauda: Prozessauftakt nach blutiger Messerattacke

Freunde sitzen zusammen, trinken Alkohol. Plötzlich sticht einer seinem Freund in den Hals, verletzt diesen massiv. Nicht der erste Fall in der Region.

Von 
Simon Retzbach
Lesedauer: 
Nach einer blutigen Messerattacke in Lauda wurde nun am Landgericht Mosbach der Prozess wegen versuchten Totschlags gegen einen Angeklagten (rechts mit Verteidiger Felix Schmidt) eröffnet. © Retzbach

Lauda-Königshofen/Bad Mergentheim. Ein eskalierter Streit wegen offener Schulden? Dies könnte die Ursache für eine heftige Messerattacke sein, über die aktuell die Schwurkammer des Landgerichts Mosbach verhandelt. Dem 35-Jährigen N. wird vorgeworfen, seinem Freund im Oktober 2024 unvermittelt „wuchtig in den Hals gestochen“ zu haben. „Das Opfer wurde erheblich verletzt, verlor enorm viel Blut“, führt Oberstaatsanwalt Hansjörg Bopp aus. Die Tat spielte sich in der Wohnung des Mittdreißigers ab, dieser soll daraufhin sogar die Wohnungstür von innen abgeschlossen haben, um so Hilfe für das lebensgefährlich verletzte Opfer zu verhindern. Die Anklage lautet daher auf versuchten Totschlag.

Zur Tat macht der Angeklagte keine Angaben, da er sich laut Verteidiger Felix Schmidt nicht mehr an den Vorfall erinnern könne. Denn zum Tatzeitpunkt sei er massiv betrunken gewesen, allgemein spielt Alkohol im Leben des N. eine große Rolle. 12 bis 15 Bier trinke er täglich nach der Arbeit, am Wochenende beginne er bereits morgens mit dem Trinken. Mit dem Opfer, am Prozess als Nebenkläger beteiligt, sei er befreundet, man habe sich in Lauda kennengelernt. Schon vor der blutigen Attacke im vergangenen Oktober gab es Konflikte zwischen Angeklagtem und Opfer, sie vertrugen sich jedoch wieder.

In der Tatnacht befanden sich der Angeklagte, das Opfer und ein gemeinsamer Freund in der Wohnung des Angeklagten. Sie tranken Alkohol. „Als ich [mit dem Opfer; Anm. d. Red.] nach Hause gehen wollte, war ich vorher noch kurz am Handy. Auf einmal habe ich gehört, dass etwas passiert ist“, beschreibt der gemeinsame Freund den Moment vor Gericht. Das Opfer habe sich daraufhin die Hand an die Wunde gehalten und um Hilfe gerufen. Er sah, wie der Angeklagte daraufhin die Wohnung abschloss. Durch gedankenschnelles Handeln brachte der Freund den Schlüssel an sich und verließ die Wohnung, um Hilfe zu holen. Aufgrund seiner Klamotten, die durch Erste Hilfe blutgetränkt waren, geriet er sogar kurzzeitig in Tatverdacht. Eine DNA-Untersuchung des Messers schloss ihn anschließend jedoch als Täter aus.

Szenen wie aus einem Horrorfilm, die Richterin spricht von „schlimmen“ Bildern

Es müssen Szenen wie aus einem Horrorfilm gewesen sein. Das schwer verletzte Opfer hält sich die klaffende Halswunde zu, das Blut schießt dennoch in Strömen heraus. Bilder vom Tatort befinden sich in der Gerichtsakte, die erfahrene Richterin Dr. Barbara Scheuble nennt sie „schlimm“, es seien „wirklich massive“ Blutlachen zu sehen. Rettungskräfte erreichten den Tatort mit mehreren Streifen der Polizei, brachten den Schwerverletzten in eine Klinik, wo er mehrere Tage im Koma lag.

Das Opfer, ein Mann aus Bad Mergentheim, ist von der Attacke noch immer schwer gezeichnet. Er sagt vor Gericht aus, flüstert dabei mit heiser klingender Stimme. Denn der Stich hat mehrere Blutgefäße im Hals durchtrennt und beschädigt, sowohl das Sprechen als auch das Schlucken habe er neu lernen müssen. Ob das jemals wieder besser wird, sei laut Fachleuten „unklar“. „Ich spüre Teile meines Kopfs nicht mehr, wurde lange über eine Magensonde ernährt. Psychisch geht es mir überhaupt nicht gut“, beschreibt er den mühsamen Weg zur Besserung.

Die Attacke des N. habe ihn im Aufstehen unvermittelt getroffen, als er sich gerade die Schuhe zuband. „Ich weiß bis heute nicht, warum er mich töten wollte, was ich ihm getan habe“, rätselt der junge Mann. Sowohl ihm als auch dem gemeinsamen Freund sei aufgefallen, dass der Angeklagte an jenem Abend „komisch“ war. Er habe „nicht richtig mit uns gesprochen“, sei immer wieder in seinem Schlafzimmer verschwunden. „Er hat wohl geplant, wie er mich am besten töten kann“, mutmaßt das Opfer vor Gericht.

Frage nach einem Grund für die Tat bleibt offen

Rätselhaft bleibt, warum es zu der Tat kam. Mehrmals wurden Schulden von 50 Euro erwähnt, die der Angeklagte beim Opfer hatte. Doch ob diese Schulden wirklich der Grund für die Bluttat waren, ob sie an jenem Abend überhaupt zur Sprache kamen, wird vor Gericht nicht klar. Für das Opfer war es „eine geklärte Sache“, der gemeinsame Freund hingegen beschreibt, dass das Geld durchaus ein Thema bei Gesprächen war.

Ein Urteil in Mosbach wird für den 3. April erwartet. Zum genauen Ausmaß der Verletzungen sowie der Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt werden noch Gutachter gehört. Offen ist, wie das Gericht die Tat bewertet. Sowohl eine gefährliche Körperverletzung als auch der versuchte Totschlag sind denkbar, auch eine Einschränkung der Schuldfähigkeit durch den massiven Alkoholkonsum könnte eine Rolle spielen.

Die Frage, inwiefern bei einer Messerattacke am Hals ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt, war auch bei der letzten Messertat in der Region Mitte Mai 2024 relevant. In Bad Mergentheim hatte ein Arbeiter seinem Kollegen nach einem Streit mit einem Cuttermesser in den Hals geschnitten. Während damals die Staatsanwaltschaft Ellwangen lediglich gefährliche Körperverletzung anklagte, sah das Amtsgericht Bad Mergentheim einen bedingten Tötungsvorsatz und verwies den Sachverhalt ans Ellwanger Landgericht. Dort kam die Schwurkammer unter anderem aufgrund eher oberflächlicher Verletzungen jedoch zu einem anderen Ergebnis und entschied ebenfalls auf gefährliche Körperverletzung. Ein Gutachten sprach von „einer abstrakten, aber keiner konkreten Lebensgefahr für das Opfer.“ Das Landgericht Ellwangen verurteilte den Angeklagten damals rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, er kam aus der U-Haft frei.

Redaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke