Königshofen. „Wir hatten im vergangenen Jahr über 330 000 Asylanträge, eine Verdopplung zu 2021. Alleine 36 300 davon in Baden-Württemberg, die Lage in der Migration ist als ernst zu bezeichnen“, fand Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges deutliche Worte.
Nicht nur bei der Unterbringung gerate man an „Grenzen des Leistbaren“, auch hinsichtlich der Bearbeitung von Anträgen und Hilfsangeboten seien die Kapazitäten begrenzt. Man riskiere den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn seitens der Politik dieser Themenkomplex nicht überzeugend bearbeitet und allein der AfD überlassen würde.
"Wir können die Migrationsfrage lösen"
Nach der Bestandsaufnahme hatte die Ministerin jedoch auch eine positive Botschaft im Gepäck: „Es wird zwar schwer, aber wir können die Migrationsfrage lösen.“ Hierbei gebe es jedoch nicht die eine Maßnahme, eine Kombination aus verschiedenen Stellschrauben gelte es zu nutzen.
Über die Migration zu sprechen, ist ein schmaler Grat, der Diskurs in Sachen Migration scheint ein durchaus emotionaler und polarisierender. Auf diesem schmalen Grat sei die CDU bemüht, sich von populistischen Forderungen der AfD einerseits und den Entscheidungen von 2015 gleichermaßen zu distanzieren.
Die Maßnahmen, die sowohl von Gentges als auch der Seniorenunion ins Gespräch gebracht werden, sind dabei letztlich alle bekannt. Grenzkontrollen, strengere Regeln bei der Rückführung, die Begrenzung von Leistungen und eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt – alles Forderungen, die wiederholt in entsprechenden Debatten erwähnt wurden.
Hochkomplexes Geflecht
Wer der Ministerin zuhörte, gewann ein Bild über die Migration, in dem zahlreiche Fäden zu einem hochkomplexen Geflecht zusammenkommen. Verschiedene Gesetzgebungen auf nationaler und internationaler Ebene, Zuständigkeiten von Bund und Ländern und schwierige Verhandlungen mit den Herkunftsländern – simple Forderungen greifen da zu kurz.
Einzelne Aspekte beeinflussen sich bei der Migration auch gegenseitig, wie die Ministerin anschaulich erklärte. So seien beispielsweise die vergleichsweise hohen Leistungen für Flüchtlinge in Deutschland ein Hindernis bei den Verhandlungen zu Rückführungsabkommen. Denn die Herkunftsländer profitierten von bedeutenden Summen, die von den Geflüchteten aus Deutschland in die Länder überwiesen würden, hätten dementsprechend kein Interesse an einer Rücknahme ihrer Staatsbürger.
Allzu oft beschreibt die CDU-Ministerin Probleme in der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, diese setzt nach ihren Schilderungen den Bemühungen Baden-Württembergs allzu enge Grenzen und hohe Hürden.
Klar, die Bundesregierung kritisiert sich leicht, so lange hier keine Parteikollegen vertreten sind. Doch für simple Regierungskritik ist Gentges nicht zu haben, benennt auch Fehler der eigenen Partei in der Vergangenheit. Reflexartiges Wettern gegen „Bürokratie“, die man „mal ausmisten muss“, sieht sie ebenfalls kritisch und fordert konkrete Vorschläge statt beliebiger Allgemeinplätze.
„Wir müssen uns grundsätzlich Gedanken über das Asylsystem machen“, forderte sie unter dem Beifall der Anwesenden. Das bisherige System überfordere und schütze zugleich nicht die wirklich Schutzbedürftigen, sondern nur die, welche die lange Strecken erfolgreich hinter sich bringen können.
"Massengrab" Mittelmeer
Es würde Menschen dazu verleiten, sich auf diese gefährlichen und langen Fluchtwege zu begeben und letztlich dafür sorgen, dass das Mittelmeer ein „Massengrab“ sei. „Das können wir als Christdemokraten nicht wollen, das müssen wir überdenken“, ist sie überzeugt.
Zugleich mischt sich in die nachdenklichen Töne eine gewisse Härte. Straftäter würde sie auch nach Afghanistan und Syrien abschieben, allgemein konsequenter in der Rückführung krimineller Asylbewerber sein. Solche Vorhaben blockiere aber der Bund.
Die baden-württembergische Justizministerin warb auch um Verständnis dafür, dass vermeintlich gut integrierte und berufstätige Flüchtlinge abgeschoben würden, was auch bei der Seniorenunion im Main-Tauber-Kreis auf Unverständnis stieß. „Die Bevölkerung kennt hier oft nicht das ganze Bild und wir dürfen die Umstände auch nicht sagen. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich aber um schwere Straftäter. Und da sind wir dann konsequent“, erklärte sie das Vorgehen.
Ihr Fazit: „Es gibt kein Recht zur Resignation. Wir haben Handlungsoptionen für ein erträgliches Niveau bei der Migration. Dazu braucht es eine Mischung aus Cleverness, Fairness, Menschlichkeit und Konsequenz.“ Zahlreiche Fragen im Anschluss zeigten, wie wichtig dieses Thema auch den Zuhörern im Main-Tauber-Kreis ist.
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