Lauda-Königshofen. BR-Journalist Eberhard Schellenberger, langjähriger Leiter des BR-Studios Würzburg, schilderte seine Erlebnisse mit der Stasi in einer beeindruckenden Lesung im Martin-Schleyer-Gymnasium in Lauda.
Nach der Begrüßung durch Schulleiter Dr. Jürgen Gernert „vor einem kleinen illustren Kreis“ präsentierte Schellenberger sein Buch „Deckname Antenne - als Journalist im Visier der Stasi“. Er las auszugsweise über seine Erfahrungen und Erlebnisse als westlicher Berichterstatter in der DDR. Dazu wertete er eine 400-seitige Akte aus, welche die Stasi seit Anfang der 1980er Jahre über ihn angelegt hatte. „Die Lesung hätte kaum besser platziert werden können als heute Abend am 33. Jahrestag der deutsch-deutschen Wiedervereinigung“, meinte Dr. Gernert und erinnerte an den 17. Juni, der dem Nationalfeiertag am 3. Oktober vorausging.
1953 sei es zu einem Volksaufstand gegen das DDR-Regime gekommen, der nicht zuletzt mit Hilfe sowjetische Panzer niedergewalzt worden sei. Anders habe Gorbatschow gehandelt, „der 1990 letztendlich unsere Schwestern und Brüder in die Bundesrepublik entließ. Dafür genießt er bis heute in Deutschland hohes Ansehen. In Putins Russland mit seiner aggressiven Expansionspolitik natürlich nicht.“
Reale Ereignisse im Fokus
Dr. Gernert erwähnte, sich noch den Film „Wendezeit“ in der Mediathek angesehen zu haben, der zeige, wie die Stasi in der DDR bis zum Schluss operiert habe. Weil der Film aber Fiktion bleibe, freue er sich ganz außerordentlich, dass Eberhard Schellenberger reale Erlebnisse mit der Stasi und seine persönliche Betroffenheit in den Fokus rücke.
Dr. Gernert ließ auch nicht unerwähnt, dass Eberhard Schellenberger sich die Zeit nehme, am nächsten Tag zu Oberstufenschülern des MSG über die gleiche Thematik zu sprechen. Das Zusammentreffen mit den Schülerinnen und Schülern halte er „für mindestens so bedeutsam wie den heutigen Abend.“ Sein Dank galt auch dem BR-Mitarbeiter Jochen Wobser, dem ehemaligen Schüler am MSG, der beide Veranstaltungen angeregt, vermittelt und ganz maßgeblich organisiert habe.
Lesungen stark nachgefragt
Eberhard Schellenberger sagte, er freue sich nicht zuletzt auf Morgen, denn dieses Buch habe er auch für die nachfolgende Generation geschrieben, die es oft nicht glauben könne, was so passiert sei: „Das war überhaupt nicht von mir abzusehen, dass ich nach Erscheinen des Buches vor genau einem Jahr jetzt noch unterwegs bin und lese. Es ist die 39. Lesung; 20 weitere sind in diesem Jahr noch geplant.“
Um die Zuhörer zu informieren, was sie erwarten können, las er das erste Kapitel „Mein Lebensthema“ vor. Darin erläuterte der Autor, dass ihn privat und als langjähriger BR-Journalist das deutsch-deutsche Zusammenleben das ganze Leben begleitet habe. Aufgewachsen sei er in Zeil am Main, 25 Kilometer von der deutsch-deutschen Grenze entfernt. Seine Eltern hätten eine Freundschaft mit einer Familie in der Lausitz unterhalten. 1984 habe es dann die erste private Reise nach Sachsen gegeben.
Sein Buch habe er auch der Geschichte des „Freundeskreises Würzburg-Suhl“ gewidmet, „dessen Gründer und Motor Bernd Höland abseits der offiziellen Städtepartnerschaft Menschen aus Ost und West zusammenbringen wollte, bis zuletzt bekämpft von der Staatssicherheit, die über Bernd Höland die Akte ´Drahtzieher‘ anlegte.“
Seine Lesung bereicherte Schellenberger immer wieder mit Filmbeiträgen, Audio-Material aus dem BR-Archiv, Akten-Ausschnitten und Fotos. Sehr anschaulich wurde dokumentiert, dass seine Telefonate abgehört und Radiosendungen mitgeschnitten wurden.
Diese Akten waren wie ein Spiegel seiner eigenen Vergangenheit, der dem Journalisten zeigte, wie intensiv er überwacht wurde, ohne es damals zu ahnen.
Zeitdokument
Zum guten Ende gab es eine Live-Reportage in der Nacht der Wiedervereinigung am ehemaligen Grenzübergang Eußenhausen-Meiningen. Für Leser, die sich für Geschichte und den Journalismus unter den Augen der Stasi während der deutschen Teilung interessieren, ist dieses Buch definitiv lesenswert. Selbst Interna des BR blieben den Ermittlern durch undichte Stellen oft nicht verborgen.
So ist „Deckname Antenne“ nicht nur ein Erlebnisbericht, sondern auch ein Zeitdokument von aktueller Brisanz, das die Bedeutung eines allein der Wahrheit verpflichteten Journalismus in politisch turbulenten Zeiten hervorhebt.
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