Ehemalige Appel-Gruppe

130 Mitarbeiter in Königshofen von Insolvenz bei Rüster betroffen

Wenige Monate nach dem Einstieg ist der neue Investor in Schieflage geraten. Gesellschafter haben auch Interesse an Ruppel in Lauda

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Diana Seufert
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Nur wenige Monate nach dem Einstieg bei der insolventen Appel-Gruppe ist der neue Investor Rüster erneut in Schieflage geraten. © Seufert

Königshofen. Nach dem Aufatmen im Sommer kommt nun die nächste Hiobsbotschaft für die Mitarbeiter: Rüster, die erst vor fünf Monaten Appel übernommen hat, steht vor der Insolvenz.

Für die Beschäftigten ist es ein Schock. Kaum scheint die eine Insolvenz angewendet, steht auch der neue Investor vor dem Aus. Und das nach gerademal fünf Monaten. Für rund 130 Mitarbeiter der ehemaligen Appel-Gruppe in Königshofen und ihren Kollegen in der neuen Rüster GmbH geht das Bangen erneut los. Der Automobilzulieferer Rüster hatte Ende November beim Amtsgericht Göppingen aufgrund von Liquiditätsproblemen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt.

Zur Vorgeschichte: Die Rüster GmbH mit Sitz in Deggingen und unter der Geschäftsführung von Philip Hertzog, der diese Position gleich in verschiedenen Firmen inne hat, entstand zum 1. Juli 2021 aus der Insolvenz der früheren Rüster Präzisionstechnik und hat als Automobilzulieferer Verträge mit namhaften Herstellern der Branche. Genau ein Jahr später, im Juli Sommer 2022, wurden die ebenfalls insolventen Firmen Appel in Königshofen und ETG in Gedern, die zur Appel-Gruppe gehörte, erworben. Appel hatte im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens nach dem Insolvenzrecht einen neuen Geldgeber gesucht, weil man aufgrund von Corona und Lieferengpässen in finanzielle Nöte geraten war (wir berichteten). Dabei war Rüster vor allem auf Betreiben des Hauptauftraggebers VW zum Zuge gekommen. Am 1. August folgte mit der Henniges Automotive aus Rehburg in Südniedersachsen ein weiterer Betrieb, der insolvent war. Nun muss das junge Unternehmen, zu dem noch ein Standort in Polen gehört, einen drastischen Schritt gehen.

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Um die Gruppe mit insgesamt 630 Mitarbeitern wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, wurde der Geschäftsführung mit Christian Stoffler von der Münchner Kanzlei Gerloff Liebler Rechtsanwälte ein Restrukturierungsexperte zur Seite gestellt. „Rüster ist in Liquiditätsschwierigkeiten geraten“, sagt Frank Elsner als Sprecher von Stoffler. Als Gründe führt er die geringeren Kundenabrufe bei den Aufträgen an, aber auch die aktuell schwierige konjunkturelle Situation. Vor allem die Kostensteigerungen im Bereich Energie führten zu den Problemen. Zudem habe es EDV-technische „Prozessverzögerungen bei der Übertragung und Eingliederung der Werke gegeben“. Ein weiterer Faktor, räumt Elsner ein, ist die nicht ausreichende Finanzierung der Unternehmen. Die vorgelegten Konzepte seien nicht in der Lage gewesen, die vorhandenen Probleme aufzufangen.

Während die Mitarbeiter nach FN-Recherchen Lohn und Gehalt erhielten, mussten Lieferanten schon nach kurzer Zeit auf ihr Geld warten. In der Zwischenzeit sollen die Verbindlichkeiten deutlich gestiegen sein. Mittlerweile sollen sogar Teile der Produktion für die Automobilindustrie still stehen.

Christian Stoffler versuche sich derzeit ein Bild von der Lage zu machen. Ziel sei es, „den Geschäftsbetrieb in vollem Umfang aufrecht zu erhalten und zu einer Eigentümerstruktur zu gelangen, die die Finanzierung der Gruppe mit einem Jahresumsatz von rund 120 Millionen Euro nachhaltig sichert“. In Eigenverwaltung, unter Aufsicht des Sachwalters Rechtsanwalt Martin Mucha (Kanzlei Grub Brugger aus Stuttgart), laufen damit die Geschäfte weiter. „Die mittelständischen Einheiten der Rüster Gruppe sind bei ihren namhaften Kunden geschätzt für gute Technologien und Produkte“, so Stoffler in einer Pressemitteilung. Die Gruppe sei grundsätzlich zukunftsfähig aufgestellt und arbeite operativ nach aktueller Planung profitabel.

Im Rahmen eines Investorenprozesses sollen nun neue Geldgeber gefunden werden, die sich in dem Unternehmen finanziell engagieren. Der Gesellschafter, die Navigator Group, hätte bereits mitgeteilt, dass er dazu keine Möglichkeit sehe, so Elsner.

Da verwundert allerdings, dass besagte Navigator Group plant, das ebenfalls angeschlagene Familienunternehmen Peter Ruppel in Lauda zu übernehmen. Auf Nachfrage bei der Geschäftsführung der Navigator Group, ob hier nur Kapital verschoben wird, schreibt Jochen Brinkmann: „Diese Frage ist nachvollziehbar. Die Navigator Group hat es sich zum Ziel gesetzt, die Unternehmen der Gruppe langfristig zu entwickeln. Einer unserer wesentlichen Grundsätze ist es, dass es keine branchenübergreifenden Querfinanzierungen gibt. Es gibt bei uns weder ein Cash-Pooling noch Ergebnisabführungsverträge.“ Bei Ruppel laufen die Verhandlungen noch.

Mit Blick auf den Betrieb in Königshofen, ob der Investor mehr finanzielle Mittel hätte einbringen müssen, schreibt Brinkmann weiter: „In solchen Fällen stellt sich diese Frage zurecht immer wieder. Das zusammen mit den Führungsteams der übernommenen Einheiten, mit den Kunden als auch der Verkäuferseite ausgearbeitete Übernahmekonzept zeigte im Ergebnis eine komfortable Finanzausstattung und Profitabilität. Auch wenn die Gesellschaft nach der Übernahme in jedem Monat profitabel war, blieb der Aufbau der Finanzmittel aufgrund in mehrerer Hinsicht widrigen Gegebenheiten deutlich hinter den Erwartungen zurück.“ Oberstes Ziel sei es von Anfang an gewesen, die Standorte der Rüster-Gruppe zu erhalten. „Wir sind überzeugt, dass dies auch weiterhin erfolgen kann. Das Verfahren bedeutet letztlich auch, dass die bisherigen Eigentümer dabei eine geringere Rolle spielen und Alternativszenarien ergebnisoffen im Sinne der Standorte geprüft werden. Die in diesem Zusammenhang gezeigten Gespräche zeigten erneut, dass die hinter dem Konzept stehende industrielle Logik auch weiterhin besticht.“

Hat man sich übernommen? „Letztlich gilt dies wohl bei jeder Insolvenz, so auch bei dieser. Zusammen mit Kunden- und Lieferanten haben wir ein aus seinerzeitiger Sicht belastbares Gesamtkonzept entwickelt. Leider hat sich die Situation bereits kurz nach Übernahme in Teilen anders entwickelt als erwartet, mit in der Summe drastischen Auswirkungen“, so Brinkmann. Zusammen mit der Restructuring Alliance aus Stuttgart (deren Geschäftsführer Philip Hertzog ist, Anm. der Red.) sei ein Konzept zur Übernahme und Konsolidierung in der Automobilzulieferindustrie entwickelt worden, „dass von allen Beteiligten, auch den Kunden, sehr positiv bewertet wurde. Im Grundsatz halten wir diesen Ansatz immer noch für tragfähig und glauben an das Fortbestehen des Unternehmens in seiner Gesamtheit“, macht Brinkmann deutlich. Zur Standortsicherung in Königshofen hätten intensive Gespräche mit Beteiligten bzw. Betroffenen stattgefunden. „Aktuell arbeiten wir weiterhin mit Geschäftsführung und Sachwalter an einer für alle Standorte der Gruppe nachhaltige Lösung und versuchen hierbei maximal unterstützend zu wirken.“

Für die Beschäftigten von Rüster heißt die neue „finanzielle Restrukturierung“, dass ihre Gehälter von November bis Januar von der Agentur für Arbeit im Rahmen des Insolvenzgeldes gezahlt werden. „Für die Mitarbeitenden ist diese Entwicklung nachvollziehbarerweise bitter. Es wurde hart und gut gearbeitet“, räumt Brinkmann ein. „Jetzt geht es darum zu schauen, dass die Gruppe gerettet und auf neue Beine gestellt werden kann“, spricht Elsner abschließend über einen „vielversprechenden Investorenprozess“.

Redaktion Hauptsächlich für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim im Einsatz

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