Main-Tauber-Kreis. Es ist leicht, wegzuschauen oder einfach vorbeizugehen, wenn gepöbelt wird, jemand gegenüber einem anderen handgreiflich wird oder aber Geld in abstruser und für den Kunden unüblicher Weise abgehoben wird. Augen zu und durch, mag sich mancher sagen, der nicht behelligt werden will. Doch es gibt auch die anderen, die Alltagshelden, die Licht für denjenigen in Dunkel bringen, der bedrängt oder attackiert wird oder in eine Lage geraten ist, die er selbst nicht zu überblicken vermag. 13 Bürgerinnen und Bürger, die sich teils mutig selbst einer Gefahr aussetzten, teils beherzt handelten oder durch Empathie und Aufmerksamkeit Schlimmes verhinderten, galt es am Dienstag zu ehren.
Landrat Christoph Schauder sprach in seinem Grußwort die Anerkennung für die Menschen aus, die durch ihr mutiges und beherztes Eingreifen in brenzligen Situationen andere Menschen vor Schaden bewahrt haben. Dabei sei selbstloses Handeln alles andere als selbstverständlich. Vielmehr werde in der Gesellschaft viel zu häufig weggeschaut, auch wenn die Hilfe sogar gesetzlich vorgeschrieben ist.
Wertvolles Eintreten für die Gemeinschaft
Deshalb sei das Eintreten für die Gemeinschaft noch nie so wertvoll und wichtig gewesen. Gleichwohl müsse sich niemand selbst in Gefahr bringen. „Oftmals reichen kleine Dinge oder einfach nur ein offenes Ohr aus“, sagte er. Er dankte allen Preisträgerinnen und Preisträgern, da sie „maßgeblich Verantwortung übernommen“ hätten.
Dabei gehe es bei der Verleihung der Zivilcouragepreise nicht etwa darum, den spektakulärsten Fall in den Mittelpunkt zu rücken. Vielmehr soll die spontane Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit der Handelnden hervorgehoben werden. Zivilcourage beweise, wer in Aktion tritt, um anderen Menschen in einer gefährlichen Situation zur Seite zu stehen, so Christoph Schauder.
Polizeivizepräsident Markus Geistler berichtete von den vielen negativen Meldungen, die bei der Polizei tagtäglich eingingen. Umso schöner sei es für ihn und die Kollegen, von Dingen zu hören, die Mut machten. Ziel der Polizei sei es zwar, Straftaten erst gar nicht entstehen zu lassen. Das jedoch sei in der Realität nicht haltbar. Deshalb brauche es Menschen, die Gefahrensituationen mit Empathie und ganz viel Mut begegnen, auch wenn der erste Ratschlag der Polizei immer laute, sich dabei selbst nicht in Gefahr zu bringen.
Rentnerin geschockt durch Unfall der Enkelin Geistler stellte dann auch den ersten Preisträger und seinen Fall vor, der sich im Dezember vergangenen Jahres ereignet hatte. An einem Dienstagnachmittag rief eine fremde Frau einen 88-Jährigen zu Hause an und gab sich als seine Enkelin aus. Mit schluchzender Stimme schilderte sie eine Notlage, woraufhin eine angebliche Polizistin das Gespräch übernahm. Die Enkelin habe bei einem Unfall eine schwangere Frau angefahren, nun drohe Untersuchungshaft. Dies ließe sich nur mit der Zahlung von 40.000 Euro abwenden. Ein vermeintlicher Staatsanwalt bestätigte den „Deal“.
Der 88-Jährige schöpfte keinen Verdacht und machte sich sofort auf den Weg zur Volksbank in Bad Mergentheim, um das Geld abzuheben. Der dortige Mitarbeiter Kurt Kröttinger wurde bei der hohen Summe aufmerksam. Im Gespräch mit dem Kunden merkte er, dass etwas nicht stimmen konnte, und verständigte die Polizei. So wurde der Betrug verhindert und niemand kam zu Schaden. Zivile und uniformierte Streifen nahmen im Anschluss die Ermittlungen auf. Trotz der schnellen Reaktion konnten die Täter aber leider nicht gefasst werden.
Markus Geistler merkte zu den Delikten „Enkeltrick“ an, dass so etwas jeden Tag in allen Ländern der Welt passiere. Die geschulten Täter hätten keinerlei Skrupel, machten Angst und erzeugten Druck. Es handele sich um weltweit organisierte Banden, von denen die Polizei manchmal nur das letzte Glied bei der Geldübergabe erwischen könne. Die großen Fische blieben meist unbehelligt.
Sänger durch schnelles Handeln Leben gerettet
Stellvertretend für alle Bürgermeister im Landkreis überreichte Joachim Döffinger Preise an zwei schnell handelnde Frauen. Barbara Hoch, Leiterin der Notaufnahme, und Gesundheits- und Krankenpflegerin Regina Zembsch reagierten blitzschnell, als ein Sänger des „Singkreises Taktvoll Dittigheim“ nach einem Adventskonzert zusammensackte und nicht mehr ansprechbar war.
Barbara Hoch begann sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung, während Preisträgerin Regina Zembsch im Rathaus Dittigheim einen Defibrillator holte. Das Gerät kam mehrfach zum Einsatz. Gemeinsam, mit Wiederbelebung und Atemspende, stabilisierten die beiden den Sänger. Er kam wieder zu Bewusstsein; das alarmierte DRK versorgte ihn mit Sauerstoff und Infusionen.
Mit Unterstützung von Sängerfreunden und dem DRK wurde der Mann in den Rettungswagen gebracht, vom Notarzt untersucht und ins Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim gefahren. Dem entschlossenen Handeln der beiden Frauen ist es zu verdanken, dass er den Vorfall überlebt hat – und heute sagen kann, dass ihm das Leben noch einmal geschenkt wurde.
Gewinnchancen gegen Bezahlung versprochen
Mark Meisel, der bei der Sparkasse in Wertheim arbeitet, erhielt den Preis aus Händen von Sozialdezernentin Elisabeth Krug. Sie merkte an, dass Meisel den Preis bereits 2018 für die Entdeckung eines Betrugsversuchs erhalten habe. Im diesjährigen Fall erhielt eine 78-Jährige ein Schreiben der mutmaßlichen Firma „BestLotto“, in dem garantierte Gewinne und außergewöhnlich hohe Gewinnchancen versprochen wurden. Voraussetzung war eine monatliche Zahlung von rund 75 Euro sowie eine einmalige Gebühr von über 350 Euro – angeblich zur Teilnahme an mehreren Verlosungen.
Mark Meisel hatte bereits eine Überweisung veranlasst, wurde jedoch misstrauisch, stoppte den Zahlungsvorgang noch rechtzeitig und verhinderte so einen finanziellen Schaden. Er informierte die Polizei, die ein Strafverfahren einleitete und Ermittlungen zum Betrugsversuch und der angeblichen Firma „BestLotto“ aufnahm.
Rabiaten Ladendieb in Drogeriemarkt gestellt
Den räuberischen Diebstahl von Anfang Juni in einer Drogerie in der Fußgängerzone der Kreisstadt beleuchtete Landrat Christoph Schauder, der in diesem Fall gleich vier Personen auszeichnete: die Familie Geiger mit Vater Matthias, Mutter Sonja und Sohn Aaron sowie die Verkäuferin Kadriye Uras. An einem Samstagnachmittag meldete Sonja Geiger dem Polizeirevier Tauberbischofsheim einen renitenten Ladendieb in einem Drogeriemarkt in der Fußgängerzone.
Im Drogeriemarkt packte ein Mann Waren aus und wurde dabei beobachtet. Als er an der Kasse vorbeigehen wollte, sprach ihn eine Mitarbeiterin an und bat um Einsicht in seinen Rucksack. Der Mann verweigerte dies und versuchte zu fliehen. Zwei Kunden, Vater und Sohn, stellten sich ihm in den Weg, stoppten ihn und hielten ihn fest. Es entwickelte sich ein Wortgefecht, in dessen Verlauf der Mann der Mitarbeiterin mit Schlägen drohte. Plötzlich riss er sich los und legte der Frau einen Würgegriff an. Beide stürzten zu Boden. Den beiden Kunden gelang es, einzugreifen, den Griff zu lösen und den Mann bis zum Eintreffen der Polizei zu fixieren.
Bei der Durchsuchung seines Rucksacks fanden die Beamten mehrere Artikel aus der Drogerie. Aufgrund der Schwere des Vorfalls übernahm die Kriminalpolizei Tauberbischofsheim die weiteren Ermittlungen.
Vertrauen erschlichen und Geld eingeheimst
Eine besonders perfide Methode wandte ein Mann gegenüber einer 68-Jährigen an, bei der Sparkassen-Mitarbeiterin Elisabeth Hutsu noch Schlimmeres verhinderte. Hutsu konnte den Preis nicht selbst entgegennehmen. Ein Fall von „Love Scamming“: 2021 lernte eine Frau über Facebook einen Mann kennen. Aus täglichen Nachrichten wurden bald regelmäßige Videoanrufe. Vertrauen wurde aufgebaut, die Verbindung wurde zunehmend intensiv. Der Mann gab sich aufmerksam, machte der Frau viele Komplimente und zeichnete ein gemeinsames Zukunftsbild.
Als das Zutrauen gefestigt war, schilderte der Mann immer neue Notlagen und bat um finanzielle Unterstützung. Über einen längeren Zeitraum überwies die emotional stark eingebundene Frau insgesamt mehr als 62.000 Euro auf verschiedene Konten in Deutschland, Italien, Belgien und Polen – in dem Glauben, ihrem Partner in schwierigen Situationen beizustehen.
Schließlich nahm sie einen weiteren Kredit über 30.000 Euro auf und wollte das Geld nach Malta überweisen. Bankmitarbeiterin Hutsu wurde stutzig, hielt die Zahlung zurück und informierte die Tochter der 68-Jährigen. Diese schaltete umgehend die Polizei ein. Erst da wurde der Frau das Ausmaß der Vorgänge der vergangenen vier Jahre bewusst. Durch das besonnene Eingreifen der Bank konnte weiterer finanzieller Schaden verhindert werden.
15-Jähriger stellte sich Körperverletzung entgegen
Viel Lob für sein beherztes Eingreifen hatte Elisabeth Krug für den zur Tatzeit (Anfang Juli) 15-jährigen Mohammed-Ali Fares. Sie bescheinigte ihm besonderen Mut, weil die Frau, um die es ging, nicht nur von ihrem Kind, sondern auch von ihrem Lebensgefährten begleitet wurde. Polizeilich handelte es sich um Körperverletzung an einem sechsjährigen Kind. Am Laudaer Bahnhof beobachtete Mohammed-Ali Fares, wie eine Frau einen etwa sechsjährigen Jungen mehrfach ins Gesicht schlug. Er wählte den Notruf und sprach die Frau anschließend energisch auf ihr Verhalten an – trotz der Tatsache, dass sie mit ihrem Lebensgefährten unterwegs war.
Da die Beteiligten in den Zug nach Bad Mergentheim stiegen, bat Fares eine ihm unbekannte Mitreisende, die Situation im Blick zu behalten. Die Frau kam der Bitte nach und hielt sich im Zug in der Nähe der Familie auf. In Bad Mergentheim kontrollierte eine Polizeistreife die Beteiligten. Nach ersten Feststellungen lag der Verdacht nahe, dass das Kind sowohl von der Mutter als auch von deren Lebensgefährten geschlagen worden war. Durch das beherzte Eingreifen des Jugendlichen konnten die Übergriffe zumindest unterbrochen werden. Die Polizei leitete Strafverfahren ein und informierte, wie in solchen Fällen üblich, das zuständige Jugendamt.
Beherztes Eingreifen verhinderte Flucht
Zwei Frauen aus Weikersheim erhielten Zivilcouragepreise für ihr beherztes Eingreifen. Im Eingangsbereich des Kauflands in Igersheim wurden Kathrin und Waltraud Englerth auf einen jungen Mann aufmerksam. Eine Kassiererin hatte ihn kurz zuvor gebeten, einen Blick in seinen Rucksack zu werfen – an der Kasse hatte er lediglich versucht, einen Pfandbon auszahlen zu lassen. Der Mann verweigerte die Kontrolle, sprang über die Absperrung und rannte in Richtung Ausgang – direkt auf die beiden Frauen zu.
Die beiden Frauen entschieden sich, einzugreifen. Sie stellten sich dem Flüchtenden in den Weg und versuchten, ihn festzuhalten. Der Mann wehrte sich heftig, stieß Kathrin Englerth zu Boden. Waltraud Englerth packte ihn am Pullover, wodurch seine Flucht verlangsamt wurde. Er nahm dann seinen Rucksack und schlug Waltraud damit auf die Hand und die Finger, so dass es ihm gelang, auf den Parkplatz zu entwischen. Allerdings nur für kurze Zeit: Eine Streife nahm ihn unmittelbar nach Verlassen des Marktes fest. In seinem Rucksack fanden die Beamten Diebesgut aus dem Kaufland.
Durch das entschlossene, wenn auch nicht ungefährliche, Eingreifen der beiden Frauen wurde die Festnahme möglich. Beide erlitten Verletzungen an Hand und Rücken. Die Kriminalpolizei übernahm noch am selben Tag die Ermittlungen wegen räuberischen Diebstahls.
Angebliche Haftverschonung gegen Geldzahlung
Beim letzten Fall ging es wiederum um einen Enkeltrick, den Volksbank-Mitarbeiterin Ulrike Pleninger bemerkte. An einem Freitag im Januar gab sich eine unbekannte männliche Stimme am Telefon bei einer 85-Jährigen als Polizeibeamter aus. Er behauptete, die Tochter der Frau habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Kind ums Leben gekommen sei. Die angebliche Haft könne nur durch die sofortige Zahlung einer Kaution abgewendet werden.
Als die Seniorin daraufhin einen ungewöhnlich hohen Betrag bei ihrer Bank abheben wollte, wurde Mitarbeiterin Ulrike Pleninger misstrauisch und alarmierte die Polizei. Zivilkräfte begleiteten die weiteren Schritte und waren bei der Frau zu Hause, als der Anrufer sie erneut kontaktierte. Nach Anleitung der Beamten versuchte die Seniorin, eine Geldübergabe zu vereinbaren. Das Gespräch brach jedoch ab, nachdem der Anrufer Unstimmigkeiten bemerkte.
Auch wenn es nicht zur Festnahme kam, wurde dank des wachsamen Handelns der Bankmitarbeiterin ein erheblicher finanzieller Schaden verhindert.
Alle Preisträger erhielten eine Urkunde sowie einen Gutschein, den in diesem Jahr die Sparkasse zur Verfügung stellte. Sparkasse und Volksbank unterstützen den Förderverein AkS und wechseln sich bei der Bereitstellung des Preisgelds ab.
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