Külsheim. Er bewies Zivilcourage und blieb seinem Gewissen treu, als andere geschwiegen haben. Dafür bezahlte er mit dem Leben. Vor 80 Jahren starb Pater Alois Grimm unter dem Schafott. Gedenkveranstaltungen und ein neues Buch erinnern an den gebürtigen Külsheimer, der am 11. September 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde.
Facettenreiches Lebensbild gezeichnet
„Er hat sich nie in den Vordergrund gedrängt“, sagt Albrecht Schmitt. Er ist ein Enkel des jüngeren Bruders von Alois Grimm. Für eine Biografie seines Großonkels hat er bislang verfügbare Informationen zusammengetragen und sie mit neuen Archivfunden ergänzt. Auf mehr als 200 Seiten entwirft er das facettenreiche Lebensbild eines Menschen, der für seine Überzeugung bis in den Tod gegangen ist.
Alois Grimm wurde am 24. Oktober 1886 als viertes von sechs Kindern des Külsheimer Ehepaares Franz Alois und Maria Theresia Grimm geboren. Als Stammhalter nach drei Mädchen war es ihm eigentlich bestimmt, die elterliche Landwirtschaft zu übernehmen. Für die bäuerlichen Tätigkeiten entwickelte er freilich keine große Leidenschaft, sein Interesse galt vielmehr den Büchern. „Alois ging zu der einen Tür [des Stalles] rein und durch das Scheunentor wieder raus, zog sein Buch unter seiner Kleidung hervor, setzte sich in irgendein Versteck und las“, erinnert sich der sechs Jahre jüngere Bruder Alfons.
Dass Alois Grimm ein heller Kopf war, fiel Adolf Ehrler auf, damals Vikar in der Pfarrgemeinde St. Martin. Es bedurfte allerdings einiges an Überzeugungskraft und der Gebete der Mutter, bis der Vater einwilligte, den Sohn ab 1901 auf das Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim zu schicken. Damit verbunden war der Eintritt in das Erzbischöfliche Knabenkonvikt.
Es stellte sich schnell heraus, dass Alois eine besondere Begabung für die alten Sprachen hatte. Latein und Griechisch waren seine Lieblingsfächer. Ein Mitschüler charakterisiert ihn: „Alois war kein ,Büffler‘ wie so manche andere, die sich unter großer Anstrengung an die Spitze der Klasse arbeiten. Er war einfach ein ,gescheites Haus‘“. Im Frühjahr 1907 legte Alois die Reifeprüfung mit der Gesamtnote „sehr gut“ ab.
Einkehrtage sorgten für Entscheidung
Der weitere Weg war keineswegs vorgezeichnet. Grimm schwankte, ob er Priester werden, Altphilologie studieren oder die Marine-Offizierslaufbahn einschlagen sollte. Einkehrtage bei den Jesuiten in holländischen Valkenburg brachten die Entscheidung. Noch im Herbst 1907 wechselte er als Novize zu den Jesuiten in Tisis im österreichischen Vorarlberg.
Drei Berufswünsche unter einen Hut gebracht
Für Biograf Albrecht Schmitt brachte sein Großonkel damit alle drei Berufswünsche unter einen Hut. Ignatius von Loyola, der Ordensgründer der Jesuiten, „hatte seiner Truppe eine starke Affinität zum Militär mitgegeben“. Und dass Alois Grimm später einmal innerhalb des Ordens als Altphilologe arbeiten würde, habe er, so Schmitt, möglicherweise ahnen können.
Am 1. Oktober 1908 legte Alois Grimm das erste Ordensgelübde ab. Damit war das Noviziat abgeschlossen und er brach auf nach Valkenburg, um dort das dreijährige Studium der Philosophie anzutreten. Eine lateinische Urkunde bescheinigt, dass Alois Grimm am 16. Oktober 1910 in Valkenburg die niederen Weihen empfangen hat. Nach der strengen wissenschaftlichen Grundausbildung folgte eine Phase praktischer Bewährung.
Trotz Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte Alois Grimm zunächst ein Theologiestudium in Valkenburg aufnehmen. Im August 1917 wurde er aber zum Kriegsdienst eingezogen und war bis zum Ende im November 1917 dem Reservelazarett 51 zugewiesen. Anschließend nahm er das Theologiestudium wieder auf. 1920 wurde er zum Priester geweiht.
1921 übernahm Grimm mit einigem Erfolg die deutschsprachige Auslandsseelsorge in Florenz. Es gelang ihm auch, in der protestantisch geprägten Deutschen Schule einen katholischen Religionsunterricht zu etablieren.
Von 1922 bis 1926 setzte Grimm sein Studium an den Universitäten Wien und Heidelberg fort. Klassische Sprachen, Geschichte und Germanistik waren seine Fächer. Auch eine Promotion zog Grimm in Betracht. Als Forscher arbeitete er an einer Ausgabe des Ambrosiaster für das Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum (CSEL) in Wien. Es handelt sich dabei um eine textkritische Ausgabe lateinischer christlicher Autoren der Spätantike. Grimm drängte es aber in die Praxis. Unmittelbar nach dem Staatsexamen trat er im Dezember 1926 eine Stelle als Lehrer an der „Stella Matutina“ in Feldkirch an. Das Jesuitenkolleg hatte einen hervorragenden Ruf und galt als eine der besten Bildungsanstalten in Europa.
Zur Bedeutung des Gymnasiums hat Alois Grimm sich wiederholt geäußert: „Als Vorbereitung auf die Hochschule muss das Gymnasium vor allem für die formale Ausbildung sorgen. Sie besteht in der Schulung des Verstandes, in der geschickten Handhabung der Muttersprache in der Übung des Gedächtnisses der Phantasie und des Willens.“
Als Lehrer verstand er sich immer auch als Erzieher und Seelsorger. Der 1910 gestorbene Pfarrer Wilhelm Igel erinnert sich an seine Schulzeit: „So verband sich mir als Vorstellung von P. Grimm immer wieder: Gediegenes Wissen und Herzensgüte – auch Frömmigkeit.“
Ab 1934 unterrichtete Grimm im Kolleg St. Blasien im Schwarzwald. 1939 musste es auf Druck der Nationalsozialisten geschlossen werden. Grimm kehrte daraufhin nach Feldkirch zurück, wo er im Exerzitienhaus in Tisis die jungen Novizen in den alten Sprachen und in Deutsch unterrichten sollte.
Am Morgen des 14. Oktobers 1943 wurde Grimm verhaftet, als er von der Frühmesse ins Pfarrhaus von Tisis zurückgekehrt war. Dass er schon längere Zeit unter der Beobachtung der Gestapo stand, war ihm bewusst. Trotzdem nahm er auch in der Öffentlichkeit kein Blatt vor den Mund. In seiner Predigt am Passionssonntag 1943 erklärte er: „Wir leben in einer Zeit, in der die Kirche Gottes, das Reich Gottes auf Erden angegriffen wird wie fast nie zuvor. Nicht gegen die eine oder andere Wahrheit des Christentums stürmen die Gegner heute an, sondern gegen die letzten Grundlagen, auf denen der gesamte Bau unseres Glaubens ruht.“
Grimm hat sich „um Kopf und Kragen geredet“
Zum Verhängnis wurden Pater Grimm Gespräche mit zwei Spitzeln, die behaupteten, in die katholische Kirche aufgenommen werden zu wollen. Albrecht Schmitt hat Dokumente ausgewertet, die im Staatsarchiv Wertheim (heute im Kloster Bronnbach) gelagert sind. Danach sei ihm klar geworden, dass sein Großonkel „sich um Kopf und Kragen geredet“ hat. So äußerte Grimm mehrfach Zweifel an der staatlichen Propaganda vom bevorstehenden „Endsieg“ und machte beim Personenkult um den „Führer“ nicht mit.
Der Prozess gegen Pater Grimm war eine Farce. Das Urteil war schon besiegelt, bevor die Verhandlung begann. Roland Freisler sprach Grimm am 12. August 1944 schuldig wegen Wehrkraftzersetzung und Defätismus und verurteilte ihn zum Tode.
In seinem Abschiedsbrief schrieb Pater Grimm: „Die Stunde ist gekommen, ich rüste mich zur Heimkehr in die Ewigkeit. In einigen Stunden stehe ich vor meinem Richter, meinem Erlöser und Vater. Es ist so Gottes Wille, er geschehe in allem. (. . .) Trauert nicht über mich: Ich gehe heim. Ihr müsst noch ausharren. Ich gebe mein Leben für das Reich Gottes, das kein Ende kennt, für die Gesellschaft Jesu, für die Jugend, für die Religion unserer Heimat.“
Todesurteil am 11. September 1944 vollstreckt
Das Todesurteil wurde am 11. September 1944 vollstreckt. Die Sterbeurkunde vermerkt als Todeszeitpunkt 13.14 Uhr. Die Urne mit seiner Asche wurde fünf Jahre nach Grimms Hinrichtung im Kolleg St. Blasien beigesetzt.
Heute erinnert ein Gedenkstein bei der Külsheimer Kirche an Pater Alois Grimm. Die Straße am Geburtshaus wurde in Pater-Grimm-Straße umbenannt. Und die Schule in der Brunnenstadt trägt ebenfalls seinen Namen.
Anlässlich des traurigen Jahrestags finden zur Erinnerung an Pater Alois Grimm mehrere Veranstaltungen statt. Albrecht Schmitt stellt am Samstag, 14. September, ab 19.30 Uhr im Alten Rathaus Külsheim die von ihm verfasste Biografie vor.
Alois Grimm ist auch der Gottesdienst am Sonntag, 19. September, in der Stadtkirche St. Martin gewidmet. Pater Joos vom Jesuitenkolleg München hält die Predigt. Beginn ist um 10.30 Uhr. Im Anschluss erfolgt eine Kranzniederlegung am Gedenkstein.
Literaturhinweis: Albrecht J. Schmitt: Von keiner Macht gezwungen. Lebensbild Alois Grimm SJ. Norderstedt: Books on Demand 2024.
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