Ihre Geschichten füllen Bücher und Zeitungsspalten, ihre Lesungen ganze Säle. Die Kreuzwertheimer Autorin Gusti Kirchhoff ist auch mit 84 Jahren noch aktiv und gefragt bei ihrem Publikum.
Kreuzwertheim. Wenn dieser Artikel erscheint, hat Gusti Kirchhoff gerade wieder drei Lesungen hinter sich gebracht – und das allein in der jetzt zu Ende gehenden Woche. Ältere Menschen haben ihr beim Wertheimer Seniorenclub genauso zugehört, wie Viertklässler der Kreuzwertheimer Grundschule. Manchmal sind auch alle Altersgruppen gemischt um sie versammelt, Kinder, junge und ältere Erwachsene. Wie kürzlich im Fürstin-Wanda-Haus, bei einer Veranstaltung des Geschichts- und Heimatvereins. Bei dieser Veranstaltung reichte die ursprünglich vorgesehene Zahl der Plätze bei weitem nicht aus. Man musste noch zusätzliche Stühle in den Saal bringen (wir berichteten).
Obwohl Gusti Kirchhoff inzwischen über reichlich Erfahrungen mit diesen Situationen verfügt, ist sie vor solchen Veranstaltungen immer noch ein wenig unsicher. „Werden überhaupt Leute kommen?“ Und aufgeregt ist sie. „Sie glauben gar nicht, wie viel Baldrian ich geschluckt habe“, kokettiert sie im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Immer wieder stelle sie sich die Frage: „Warum tue ich mir das an?“, um sich selbst unmittelbar darauf die Antwort darauf zu geben: „Ich lese halt schon gern.“ Genauso gerne, wie sie schreibt. Wieder. Denn es gab eine Zeit, „da konnte ich halt nicht so viel schreiben“.
Vor knapp drei Jahren, im Januar 2017, starb ihr Mann. Eiserne Hochzeit könnten Gusti und Herbert Kirchhoff am 18. Dezember feiern. „Mein Mann ist das Wichtigste in meinem Leben“, sagte die Autorin einmal. Er war es, der nicht nur das Herz der Kreuzwertheimerin gewonnen hat. Er hat sie auch wieder zum Schreiben gebracht. Geschrieben hat sie ja schon immer gern, zum Beispiel als Schülerin Aufsätze für sich und andere – manchmal als Gegenleistung für Mathematikaufgaben. Die waren nicht so ihre Stärke. Und dann hat sie einmal über Herbert Kirchhoff geschrieben. „Mein Mann ist ein Flüchtling“ hieß die Geschichte. Eine ausgezeichnete. Denn damit gewann sie den ersten Preis bei einem Wettbewerb der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Ein Vierteljahrhundert ist das jetzt bald her und war sozusagen der Startschuss für die späte Karriere als Autorin.
Drei Bücher mit ihren Lieblingsgeschichten sind seither erschienen und ungezählte Zeitungskolumnen. Die schreibt sie noch heute, obwohl Gusti Kirchhoff ja immer wieder befürchtet, es könne ihr nichts mehr einfallen, besonders nach dem Tod ihres Mannes. „Aber es geht jetzt, ich habe mich wieder aufgerappelt“, berichtet sie tapfer. „Abends, im Bett, da kommen sie noch, die dunklen Stunden. Und wenn ich schlechte Tage habe, dann sage ich, ich bin 84 –sonst bin ich ja viel jünger“, sagt sie lächelt leicht und bestätigt damit das eben Gesagte.
Jetzt schreibt sie also wieder, hält ihre Alltagsbeobachtungen fest. „Ich weiß anfangs nicht, was und worüber ich schreibe“, schildert die Autorin. Nur die Überschrift, die stehe meist schon früh fest – und die erscheint im Druck dann so gut wie nie. „Wenn die Geschichte toll ist, dann ist sie in einer halben Stunde fertig.“ Eine besondere Tageszeit, um kreativ zu sein, hat Gusti Kirchhoff nicht. „Wenn ich eine Idee und Zeit habe, dann muss sie raus.“ Dann schreibt sie. Über den Black Friday etwa. Oder über das junge Pärchen, das sie in einem Café gesehen hat und das, statt miteinander zu reden, die ganze Zeit nur mit dem jeweiligen Smartphone beschäftigt war. „Wer weiß, vielleicht haben die beiden ja darüber kommuniziert?“ Verteufeln will die 84-Jährige die moderne Technik übrigens nicht. Im Gegenteil, sie nutzt sie sogar. Über WhatsApp etwa nimmt sie am Leben ihrer inzwischen drei Urenkel teil. Und ohne Computer ginge sowieso nichts. „Das habe ich zum Glück ja noch in der Schule gelernt.“ Nicht als Schülerin natürlich, sondern in ihrer Zeit als Sekretärin im Beruflichen Schulzentrum. Mit EDV hätte sie sich damals nicht mehr befassen müssen, „so als Frau im fortgeschrittenen Alter“. Hat sie aber doch und ist froh darüber. Und ihre Leser natürlich auch. Sonst hätte es die Geschichten von Gusti Kirchhoff womöglich nie gegeben.
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