Dörzbach/Jagsttal. Während Corona war es still am alten Bahnhof in Dörzbach, wo das Vereinsheim der Jagsttalbahnfreunde liegt. Aus den beiden Lokschuppen kamen keine Geräusche vom Hämmern, Schleifen oder Sägen – die Türen waren fest verschlossen. Doch mit den Lockerungen der Corona-Regeln kehrt wieder Leben auf das Bahnhofsgelände zurück.
In der rund einjährigen Pause hat sich aber trotzdem etwas getan, versichert Ron Scherhaufer: „Wir haben eine neue Website gestaltet und unsere Unterlagen digitalisiert – das war mehr Arbeit, als wir dachten.“ Dennoch sieht man dem 18-Jährigen an, dass er froh ist, endlich wieder „richtig arbeiten“ zu können. Dabei wird das Ziel nicht aus den Augen verloren: „Die Betriebsaufnahme der Jagsttalbahn“, sagte er.
Infrastruktur und Fahrzeuge
Dazu sind zwei Dinge elementar wichtig: Zum einen die Infrastruktur – also die Gleise, auf denen die Schmalspurbahn später rollt –, zum anderen die Fahrzeuge, also Lok und Waggons, wieder instand zu setzen. Deshalb war eines von vielen Großprojekten des Vereins, der sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert, die Schienen im Bahnhof bis hin zum ersten Bahnübergang zu erneuern. Das war jedoch nicht so einfach, wie zunächst angenommen: „Wir haben die Schienen gebraucht erworben, dafür waren sie krumm, da sie ursprünglich in einer Kurve lagen“, so Scherhaufer. Die Begradigung hat die Vereinsmitglieder einige Zeit und Nerven gekostet.
Damit am Ende auch Züge über die Gleisanlage rollen dürfen, müssen die Gleise erst vom Eisenbahnbundesamt abgenommen werden. Wann das sein wird, ist noch offen. „Die haben aber ein paar Mängel gefunden“, schmunzelte Scherhaufer. Also muss in einem weiteren Schritt noch mal nachgebessert werden. Außerdem soll an den alten Lokschuppen, in denen die Waggons stehen, das Fachwerk verstärkt werden. „Da sind wir aktuell auch dabei“, erklärte Ron Scherhaufer.
Wenn keine weiteren Mängel festgestellt werden und die Infrastruktur abgenommen wurde, können auch die Waggons und die Lok inspiziert werden. „Dafür muss eine Probefahrt gemacht werden, weshalb die Abnahme der Fahrzeuge noch nicht erfolgte“, erklärte Scherhaufer, denn einige der Waggons sind schon fertig.
Geschichte der Jagsttalbahn
- Erste Planungen für eine schmalspurige Dampfstraßenbahn von Möckmühl über Dörzbach nach Bad Mergentheim gab es bereits 1889.
- Der Vertrag zum Streckenbau wurde dann 1895 unterzeichnet. Die Trasse sollte von Möckmühl nach Dörzbach führen. Es gab eine Option zur Weiterführung bis Künzelsau oder Bad Mergentheim.
- Am 13. März 1901 wurde die Strecke für Güter- und Personenverkehr vollständig in Betrieb genommen. Vier Dampflokomotiven waren im Einsatz.
- Am 25. Juli 1971 eröffnet die Dampflok „Helene“ den den Museumsbetrieb im Jagsttal.
- 1986 waren zeitweilig sechs Dampflokomotiven im Jagsttal, die Museumsbahndienste leisten.
- Der Betrieb auf der Schmalspurbahn wurde 1988 eingestellt. Rund 44 000 Besucher waren vor Ort.
- Im Dezember 1988 wurde die Strecke aufgrund zahlreicher Mängel an den Gleisen gesperrt.
- Am 13. März 2021 feierte die Jagsttalbahn 120-jähriges Bestehen. nb
Der Barwagen ist fertig
Der „Barwagen“ – Waggon 371 – wurde bereits komplett aufgearbeitet. „Am Anfang wollten wir nur ein paar Kleinigkeiten ausbessern, am Ende wurde bis auf den Rahmen alles neu gemacht“, sagte der 18-Jährige und lachte. Das meiste wurde in Eigenarbeit geleistet. „Wir haben im Verein Feinmechaniker, Schreiner, Elektriker, Personen aus der Metallverarbeitung – das hilft bei den Restaurationen natürlich enorm.“ Da das Ganze aber nur ein „Nebenprojekt war, haben die Erneuerungsmaßnahmen schlappe zehn Jahre gedauert. „Es gab aber auch drei Jahre, da ist gar nichts passiert“, so Scherhaufer. Der Barwagen beherbergt, wie der Name schon sagt, eine Bar. Im hinteren Teil des Waggons gibt es noch Sitzbänke für die Passagiere. Bei Bahnhofstagen (Tage der offen Tür) kann er als Verkaufswaggon für Getränke oder Kaffee und Kuchen genutzt werden.
Waggon 113, der „Sommerwagen“, ist ebenfalls fertiggestellt. Er ist nur für den Personentransport vorgesehen, daher sind ausschließlich Sitzreihen im Wagen zu finden. An Waggon 89 wird gerade gearbeitet. „Er ist originalerhalten von 1900. Wir haben die Türen teilweise aufgearbeitet – eine Schiebetür und eine Flügeltür. Der Plan ist, bis zum nächstes Frühjahr fertig zu sein“, erklärte Simon Geist, der sich am Wagen zu schaffen machte. Früher war Nummer 89 zweigeteilt und wurde zum Transport von Gepäck und Post verwendet. Die Außenfarbe ist ein dunkles Grün. „Um den Waggon wieder originalgetreu zu streichen, haben wir extra Holzproben genommen“, erinnerte er sich. Da die Farbe abgeplatzt war, wusste keiner mehr, wie der Wagen ursprünglich aussah. Weil die ganzen Waggons aber auch von einer Lok gezogen werden müssen, wurde natürlich auch eine solche restauriert. Die Lok 22/02 war früher ein Teil des „Jagsttalkrokodils“ – ein Logo des Tiers erinnert noch heute daran. Die Diesellok wurde einmal „komplett aufgearbeitet“, weiß Scherhaufer. „Der Motorraum war vollkommen kaputt. Wir haben circa sechs Jahre gebraucht, um alles zu reparieren.“ Die letzten Runden im Jagsttal drehte sie 1988.
Außerdem steht im Lokschuppen ein weiteres Prachtexemplar, das allerdings viel Liebe nötig hat. Die „Kunigunde von Krautheim“, auch Lok 24 genannt, stand jahrzehntelang auf dem Denkmalsockel am Dörzbacher Bahnhof. Dementsprechend mitgenommen sieht sie aus. Die Farbe blättert ab, der Rost hat Löcher in das Metall gefressen und der Motor funktioniert sicher nicht mehr. „Das ist ein Großprojekt, das wir irgendwann auch angehen wollen. Allerdings ist das natürlich auch mit viel Geld verbunden.“ Und auch auf dem Bahnhofsgelände warten weitere Waggons auf die Restauration. Einige Zukunftsprojekte also, denen sich die Mitglieder der Jagsttalbahnfreunde in den kommenden Jahren widmen wollen. Die Arbeitseinsätze finden immer samstags ab 9 Uhr statt. „Jeder kann kommen, es gibt immer etwas zu tun“, sagte Ron Scherhaufer und lachte. Und wer erstmal da ist, kann sich dem Charme der Jagsttalbahn womöglich nicht mehr entziehen.
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