Geschäftsaufgabe

Königheim: Bäckerei Achstetter schließt nach 105 Jahren

Letztmalige Öffnung am 12. April. Traditionsreiches Handwerk im Kernort nun nicht mehr vertreten.

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Heike von Brandenstein
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Ein eingespieltes Team in der Backstube (von links): Silke Egles, Andrea Richter, Steffi Schiefermeyer-Egles und Ruthard Achstetter. © Heike von Brandenstein

Königheim. Eine Ära geht zu Ende. Nach 105 Jahren schließt der Familienbetrieb Achstetter seine Bäckerei in Königheim. Letzter Öffnungstag wird der 12. April sein. „Ich möchte nicht aufhören, wenn ich körperlich nicht mehr kann“, begründet Ruthard Achstetter seinen Entschluss. Seine Frau Waltraud hat den Ruhestand offiziell bereits zum 1. April angetreten. Für den Bäckermeister reicht es nach 48 Jahren Arbeitsleben und einem Nach-Tag-Rhythmus, den die meisten dankend ablehnen würden, jetzt auch.

Ab Mitte April wird es in Königheim keinen Bäcker mehr geben. Die Schaltzentrale in der Ortsmitte, in der Informationen ausgetauscht, neueste Nachrichten verbreitet und einfach nett miteinander geplaudert wird, ist dann Vergangenheit. Bei der Kundschaft, die sich im wahrsten Sinne des Wortes die Klinke in die Hand gibt, herrscht schon jetzt – bei allem Verständnis für diese persönliche Entscheidung – regelrechte Trauer.

Treffpunkt in der Ortsmitte

Die beiden Schwestern Waltraud Achstetter und Edith Fischer erleben das jeden Tag. „Es ist so schade, dass ihr aufhört“, sagt eine Frau. Ein älterer Herr meint: „Wo soll ich dann Brot und Brötchen kaufen?“ Beiden tut es gut, dass ihr Geschäft so geschätzt wird. Denn es ist weit mehr als eine normale Bäckerei. Es ist eine Art Konsum mit Augenmerk auf Backwaren. Wer Eier möchte, bekommt sie frisch vom Wennes-Hof aus dem benachbarten Dienstadt. Darüber hinaus erhält man in der Bäckerei Achstetter Brausebonbons, Konserven, Zeitungen und allerhand mehr, was zum Leben und Überleben gebraucht wird.

Die Temperatur seines Ofens hat Bäckermeister Ruthard Achstetter immer im Blick. © Heike von Brandenstein

Während im Laden direkt an der Hauptstraße Hochbetrieb herrscht, geht es im hinteren Bereich des Anwesens professionell und superschnell zu. „Wir arbeiten Hand in Hand, um Feierabend zu haben“, sagt Ruthard Achstetter um 8.15 Uhr am Morgen. Seit 2.30 Uhr in der Nacht sind er und seine Mitarbeiterinnen nicht nur auf den Beinen, sondern in der Backstube aktiv. Sie sind ein eingespieltes Team, bei dem jeder Handgriff sitzt. Wer Andrea Richter, Silke Egles oder Steffi Schiefermeyer-Egles beim Flechten von Zopfbrötchen aus süßem Teig zusieht, dem kann schwindelig werden, so schnell verwandeln sie die drei Stränge zu einem veritablen Teigling.

Im Ort „Xandersbäck“ genannt

1920 gründeten Julius Achstetter und seine Frau Barbara die Bäckerei Achstetter in Königheim. Der 1884 geborene Sohn stammte aus einer Maurerfamilie. Diesen Beruf erlernten fast alle aus der Familie, nur Julius, klein gewachsen, wurde empfohlen, einen anderen Weg einzuschlagen: den des Bäckers. Er lernte das Handwerk in Kirchheim, ging auf die Walz und legte seine Meisterprüfung im März 1914 in Würzburg ab. Im Herbst begann der Erste Weltkrieg. Julius wurde eingezogen und überlebte. Zurück in der Heimat Königheim heiratete er Barbara, Tochter des Schusters Alexander Schneider. Auf dessen Anwesen gründete er 1920 seine Bäckerei, die im Ort deshalb „Xandersbäck“ genannt wurde. Wie Ruthard Achstetter berichtet, wurde dort auch ungesäuertes Brot – Matzen – für die jüdischen Mitbürger gebacken.

Im Haus des Schwiegervaters Alexander Schneider gründeten Julius und Barbara Achstetter 1920 ihre Bäckerei. Im Ort wurde sie deshalb „Xandersbäck“ genannt. © Achstetter

Julius und Barbara Achstetter hatten eine Tochter und einen Sohn namens Alfred, der bei seinem Vater das Bäckerhandwerk erlernte. Der musste bereits ein halbes Jahr früher als vorgesehen seine Gesellenprüfung ablegen, denn der Zweite Weltkrieg tobte. Alfred war damals 17 Jahre alt, wurde eingezogen und überlebte den Krieg ebenso wie sein Vater den Ersten Weltkrieg. Damals war Nahrung knapp, eine Bäckerei mit all den Schwierigkeiten, an Rohstoffe zu kommen, für die Bevölkerung lebenswichtig.

Auf dem Weg zur Backstube überfahren

Julius und Barbara sind die Großeltern von Ruthard Achstetter, Alfred sein Vater. Letzterer heiratete 1955 Hildegard, legte 1956 die Meisterprüfung ab und übernahm die Bäckerei vom Vater. Im gleichen Jahr wurde Sohn Lothar geboren sowie Wohnhaus und Laden neu gebaut. Julius Achstetter, den Großvater von Ruthard, sollte ein tragisches Schicksal ereilen. Auf dem Weg in die neue Backstube wurde er von einem alkoholisierten Motorradfahrer überfahren. Zwei Tage später war er tot.

Ruthard, der zweite Sohn von Alfred und Hildegard Achstetter, erlernte das Bäckerhandwerk bei Konrad Stein in Tauberbischofsheim. Im Juni 1977 begann er seine Ausbildung. Es folgte der Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz in Tauberbischofsheim. Als sein Vater 1983 erkrankte, wechselte er ins elterliche Geschäft nach Königheim.

1984 zerstörte das Hochwasser Laden und Backstube. © Achstetter

Im Juni 1984 ereignete sich die große Katastrophe für den Brehmbachtalort: das Hochwasser. Alles war kaputt. Der Vater erlag ein Jahr später seiner schweren Erkrankung. Wie sollte es weitergehen, war die große Frage. Wiederaufbau oder Aufgabe war das große Thema für Ruthard und Waltraud Achstetter. Ruthard besuchte damals parallel zur Arbeit in der Backstube die Meisterschule und erhielt deshalb die Genehmigung zur Weiterführung des Meisterbetriebs. Seine Mutter überschrieb ihm diesen zum 1. Januar 1986.

Familientradition fortgeführt

Ruthard und Waltraud Achstetter führen die Familientradition seither fort. 1995 investierten sie in eine neue Backstube, zur Jahrtausendwende wurde das Ladengeschäft neu ausgestattet. Jahrelang half Ruthard Achstetters Schwester Katharina tatkräftig mit. Immer zur Seite standen ihnen auch ihre Töchter Karen und Laura, die sich beruflich zwar anders orientierten, an den Wochenenden aber fleißig Brötchen für Feste ausgefahren oder in der Backstube mit Hand angelegt haben.

Waltraud Achstetter (rechts) und ihre Schwester Edith Fischer sind die guten Seelen im Ladengeschöft. © Heike von Brandenstein

„Früher hat es in Königheim drei Bäcker gegeben: Schnarrenberger, Uihlein und Achstetter“, weiß er aus Erzählungen. Mit ihm schließt jetzt die letzte verbliebene Handwerksbäckerei. Er hat viel erlebt in seinem Berufsleben. Den Trend zu Öko und Körnern etwa. „Mein Vater hätte zu Körnerbrot ,Vogelfutterbrot‘ gesagt“, merkt er mit Blick auf Kürbis- oder Sonnenblumenkerne an. Ruthard Achstetter hat sich allerdings immer auf Kundenwünsche eingestellt. Süße Stückchen – natürlich, Zöpfe mit Nüssen oder Mohn – ein Muss, gut gegangener Sauerteig für leckeres Brot – eine Selbstverständlichkeit, knackige Brötchen – jeden Tag. Er verarbeitet Mehlsorten von der Hardheimer Steinemühle, die von Dinkel über Weizen und Roggen bis zu Emmer reichen.

Hinzu kommen die Besonderheiten: die heiß geliebten Torten, kreiert nach Kundenwunsch, ausgerichtet auf ein spezielles Motto oder einen Anlass. Ruthard Achstetter: „Das hat mir immer Spaß gemacht.“

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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