Ihre Leidenschaft ist der Fußball: Die 78-jährige Waltraud Hochbein ist seit mehr als 45 Jahren im Fußball aktiv: als Spielerin, Schiedsrichterin und im Ehrenamt – und denkt nicht ans Aufhören.
Igersheim. Als Mitte August 2023 in den Stadien und auf den Fußballplätzen der Bundesrepublik die neuen Verbandsrunden in den DFB-Ligen begannen, freute sich auch Waltraud Hochbein darüber, dass nach einer unendlich erscheinenden Sommerpause endlich wieder das runde Leder über den Rasen rollte und die Fußballfans in Hochstimmung versetzte.
Waltraud Hochbein gehört zu jener Spezies Mensch, die fast ihr ganzes bisheriges Leben dem Fußball verschrieben hat. Und auch nach ihrem 78. Geburtstag am 4. August hat die Igersheimerin nicht vor, sich nach über 45 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für den Fußball aufs Altenteil zurückzuziehen. Auch in der laufenden Runde wird sie Sonntag für Sonntag auf den Sportplätzen der Region sozusagen auf Ballhöhe unterwegs sein, um junge Schiedsrichter zu betreuen und auf ihrem Karriereweg zu begleiten.
Wenn man mit ihr über Fußball spricht, im Speziellen über das Schiedsrichterwesen, sieht man das Feuer in den Augen der jung gebliebenen, temperamentvollen und immer noch Energie geladenen Seniorin lodern und es sprudelt nur so aus ihr heraus. Denn Waltraud Hochbein hat so einiges zu erzählen aus ihrer langen und überaus erfolgreichen Karriere als aktive Fußballerin, als Schiedsrichterin, im Schiedsrichterwesen und in den verschiedensten Ehrenämtern auf Verbands- und Vereinsebene.
Begonnen hat alles, als die junge Waltraud Hochbein sich Ende der 70er Jahre dazu entschloss, Fußball spielen zu wollen. In der damaligen Zeit ein Unterfangen, das sehr viel Mut verlangte, denn Fußball spielende Frauen das konnte man sich noch nicht so richtig vorstellen in einem Sport, der von Männern dominiert wurde. Kommentare – auch von ausgewiesenen Fußballexperten – glitten nicht selten ins Sexistische ab. Doch davon ließ sich die selbstbewusste junge Frau nicht abschrecken. Im VfB Bad Mergentheim fand sie Fürsprecher für ihre Idee und gründete dort eine Frauenmannschaft. Und damit die 19 VfB- Fußballerinnen nicht nur das Kicken lernten, sondern auch mit den Regeln vertraut würden, belegte die gesamte Mannschaft einen Kurs für angehende Schiedsrichter.
Durchsetzungsfähigkeit
Schon in jungen Jahren wurde der schon immer selbstbewussten Waltraud Hochbein eine enorme Durchsetzungsfähigkeit attestiert. Wenn sie etwas anpackte oder durchsetzen wollte, tat sie das mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft. Im Nu erwarb sie sich damit auch die Wertschätzung ihrer männlichen Kollegen und Sportkameraden.
Hochbein erinnert sich noch genau daran, als sie im Dezember 1977 als erste Frau im Württembergischen Fußballverband (WSV) die Schiedsrichterprüfung erfolgreich absolvierte. Sie erwarb damit das Recht, auch Herrenmannschaften leiten zu dürfen. Dies musste der Vorstand des WSV allerdings erst gesondert entscheiden, denn eine Frau als Schiedsrichterin bei Herrenmannschaften, das war für die Männerwelt im Verband fast so etwas wie ein Quantensprung. Die hatten damals aber nicht damit gerechnet, dass eine Waltraud Hochbein keine halben Sachen macht, sondern den festen Willen hatte, diese Domäne der Männer für Frauen zu öffnen.
Rückblickend kann sie stolz sein, etwas ganz Außerordentliches für den Fußball in der Region geleistet zu haben. Gleichzeitig bedauert sie, dass ihr leider nur wenige Frauen gefolgt sind und den Mut hatten, es ihr gleich zu tun, bzw. in ihre Fußstapfen zu treten. Denn bis zum Jahre 1977 galt im Verband die Regelung, dass Frauen im männlichen Bereich lediglich bis zur C- Jugend pfeifen durften. Mit einem Schmunzeln erzählt Hochbein, dass sie vom damaligen Verbandsschiedsrichterobmann Gottfried Geltenbord anlässlich eines Spiels der Damen beobachtet wurde. Und diese Beobachtung fiel scheinbar so gut aus, dass es dann recht schnell ging mit dem Beschluss, weibliche Schiedsrichterinnen Männerspiele pfeifen zu lassen.
Und so war sie die erste Frau im Landesverband, die Spiele von Männern pfiff. Als verantwortliche Schiedsrichterin leitete Hochbein Spiele bis zur Bezirksliga, als Linienrichterin im Team von Stefan Proch wurde sie auch in Spielen der Landesliga eingesetzt.
Gleichwertig behandelt
In diesem Zusammenhang erwähnt sie mit einem süffisanten Lächeln, dass sie als Frau besser sein musste als ein männlicher Kollege, um eine gleich gute Bewertung zu erhalten. Gleichzeitig hatte sie aber das Gefühl, dass sich die Spieler gegenüber der Spielleiterin mehr gezügelt haben als bei männlichen Kollegen, was sich in den letzten Jahren aber geändert hat, seitdem sich Frauen in vielen Bereichen des Fußballs durchgesetzt und gleichwertig behandelt werden. Dies habe natürlich auch mit dem enormen allgemeinen Aufschwung des Frauenfußballs in Deutschland und weltweit zu tun.
Der Frauenfußball sei heute kein Anhängsel der Herren mehr, sondern eine feste Größe in der Uefa und Fifa, man erinnere sich nur an die vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften.
Schnell hatte sich Hochbein auch in der Schiedsrichtergruppe Bad Mergentheim einen Namen gemacht, wo sie viele Jahre als Schriftführerin tätig war. Auch nach der Zeit als aktive Schiedsrichterin auf dem Platz blieb sie dem Fußball erhalten. Sie war die erste und lange Zeit die einzige Spielbeobachterin im Landesverband, womit sie so manche Schiedsrichterkarriere entscheidend beeinflussen konnte.
Nicht ohne Stolz erwähnt sie ihre langjährige Tätigkeit als Konfliktmoderatorin, eine Aufgabe, die ihr sehr am Herzen liegt, denn Gewalt im Sport und im Umfeld des Sports sei ein Problem, das man an der Wurzel anpacken müsse, um es erfolgreich bekämpfen zu können. Und dies in einer Zeit, in der die Hemmschwelle zur Gewalt im Sport, im Umfeld des Sports und in allen Bereichen der Gesellschaft ständig sinkt.
Vielfach geehrt
Längst hat Waltraud Hochbein alle Ehrungen erhalten, die der WSV etwa für Schiedsrichter zu vergeben hat. Die Rücksicht ihres Mannes und sein großes Verständnis, so die fußballverrückte Igersheimerin etwas nachdenklich, hätten es ihr überhaupt erst möglich gemacht, so ein zeitintensives ehrenamtliches Hobby zu betreiben. Schließlich hatten die Anstoßzeiten zu diversen Fußballspielen viele Jahre lang den Wochenendrhythmus im Hause Hochbein bestimmt.
Waltraud Hochbeins Tatendrang ist ungebrochen. Wenn man sie am Wochenende sucht, findet man sie mit Sicherheit auf irgendeinem Sportplatz, entweder, um sich ein Spiel anzuschauen, oder einen ihrer Schützlinge bei der Tätigkeit als Schiedsrichter zu beobachten.
Hochbein hat ein großes Stück der Geschichte des Fußballs in der Region mitgeschrieben. Man könnte ihr stundenlang zuhören, wenn sie von ihrem Leben mit dem Fußball spricht. Und wollte man ein Buch über sie schreiben müsste es heißen: „Waltraud Hochbein – ein Leben für den Fußball“.
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