Holzbronn. In Herbsthausen wird bereits seit 1581 Gerstensaft gebraut, in Distelhausen seit 1811 – und ab sofort auch in Igersheim-Holzbronn. „Ja, ich habe mir einen Traum erfüllt“, sagt Jascha Derr im FN-Gespräch. Ab sofort ist der 42-jährige Braumeister in seinem Element. In dem Weiler heißt’s nämlich künftig „O’zapft is’“. Erstmals verkostet werden kann der Deutschen liebster Trank an diesem Donnerstag ab 16 Uhr auf dem Igersheimer Feierabendmarkt auf dem Möhlerplatz.
Wunsch immer mehr gereift
Das Bierbrauen habe ihn schon immer interessiert, gibt Derr zu. „Bis 2016 waren meine Frau und ich im Niger in der Entwicklungshilfe tätig“ – und dort sei der Gerstensaft doch sehr gewöhnungsbedürftig gewesen, schmunzelt er. Deswegen sei nach der Rückkehr in ihm immer mehr der Wunsch gereift, selbst aktiv zu werden. Sein landwirtschaftliches Anwesen in Holzbronn habe sich für solch ein Projekt als geeignet herausgestellt – doch sei zuvor noch ein Umbau nötig gewesen.
2019 hätten sich die Vorstellungen schließlich konkretisiert – und als sich herauskristallisiert habe, dass eine „Leader“-Förderung von bis zu 40 Prozent der Nettoinvestition winke, sei er schließlich Feuer und Flamme gewesen. Durch die Corona-Pandemie sei die Maßnahme zwar eine noch größere Herausforderung geworden. Doch gemäß des Mottos „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ habe er sich dieser gerne gestellt. Die Bauleitung sei in seiner Hand gelegen. Aber mit Unterstützung des Bad Mergentheimer Architektenbüros Klärle und einiger Handwerksbetriebe seien die Pläne professionell umgesetzt worden – bis jetzt der Startschuss für die Bierproduktion erfolgt sei.
Die Zeit der Umsetzung habe er, so erzählt Jascha Derr, genutzt, um im Raum Kulmbach/Bayreuth – eine deutsche Hochburg, wenn es ums Bierbrauen geht – die Ausbildung zum Braumeister („ich könnte jetzt auch ausbilden“) erfolgreich zu absolvieren. „Und nun kann ich endlich zur Tat schreiten“, bringt der Holzbronner seiner Freude zum Ausdruck, in die sich auch eine gewisse (An-)Spannung mischt, wie denn der Gerstensaft beim Konsumenten ankommt.
Brauanlage, Gär- und Lagertanks – die Basis fürs perfekte Brauen ist gelegt. „Und der erste Gerstensaft, ein nicht filtriertes und nicht pasteurisiertes, naturtrübes Kellerbier, wird bereits produziert“, teilt der Neu-Brauer unserer Zeitung mit. Das Ganze geschehe in Bio-Qualität: „Wir sind gerade bei der Zertifizierung.“ Wöchentlich seien zwei Sud-Durchgänge von je 500 Litern Derr-Bier, so der Name, geplant. Insgesamt hätten die vier Tanks ein Fassungsvermögen von zusammen 4000 Litern, ist weiter zu erfahren.
Gerstensaft auch in Flaschen
Vorerst werde in Fässern abgefüllt, doch schon bald soll es den „Bölkstoff“ auch in Flaschen geben, blickt Derr nach vorn. Er wolle erst einmal ausloten, welche Sorten beim Verbraucher sehr guten Anklang fänden. „Ich bin aber durchaus auch experimentierfreudig, um Neues auszuprobieren – etwa ein helles Bier mit fruchtiger Hopfennote“.
Bei der Produktion setzt der 42-Jährige auf Hopfen aus Tettnang, das Malz kommt aus Zirndorf bei Nürnberg. „Ich bin schon oft von den Leuten angesprochen worden auf mein Projekt“, eine gewisse öffentliche Neugier sei ihm deswegen nicht verborgen geblieben.
In die umgebaute Scheune werde zum einen ein Hofladen mit regionalen Produkten (wie Eier, Honig) integriert, zum anderen ein großer Gastraum, in dem eine Art „Besenwirtschaft“ geplant sei. Familie Derr möchte langsam starten – und zunächst erst mal einen Tag die Woche öffnen. Die Räumlichkeiten eigneten sich aber auch für Vereine, Firmen oder andere Gruppen zum Verkosten der Spezialitäten.
„Ich setze hier auf Transparenz. Nichts erfolgt hinter verschlossenen Türen. Wer Interesse daran hat, mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, kann dies gerne tun“, blickt der Quereinsteiger nach vorn. „Und auch alle Fragen werden gerne beantwortet.“
Austausch mit Kollegen?
Rückblickend auf die vergangenen arbeitsintensiven Jahre ist Jascha Derr froh, dieses Vorhaben umgesetzt zu haben. Er sehe sich im Übrigen nicht als Konkurrenz zu den beiden anderen großen Brauereien im Kreis, sondern „viel mehr als Ergänzung des Angebots“ und könne sich gut vorstellen, sich mit den Kollegen auch mal auszutauschen.
In jedem Fall gibt es in dem Igersheimer Weiler jetzt eine echte Attraktion, der die Fans des Gerstensafts anlocken wird. Und in einer Hinsicht hat Holzbronn im Vergleich zur bayerischen Metropole München schon jetzt die Nase vorn: 30 Einwohner auf eine Brauerei – von solch einer Quote kann die deutsche Bierhauptstadt nur träumen . . .
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