Leerstände im Ortskern? Flächenfraß an den Rändern? Die Gemeinde Igersheim hat sich entschieden, dieser, in vielen Orten beobachtbaren Entwicklung aktiv entgegenzuwirken. Eine wesentliche Richtschnur dafür war die Erstellung eines integrierten Gemeindeentwicklungskonzepts „Igersheim 2030+“ zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Die Gemeinde lgersheim ist eine von bundesweit 51 Kommunen, die in den Jahren 2015 und 2016 mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgelobten Wettbewerb „Zukunftsstadt“ die Weichen für eine erfolgreiche Gemeindeentwicklung gestellt hat. In einem intensiven Entwicklungsprozess unter breiter Beteiligung der Bürgerschaft wurden Ideen und Visionen aufgegriffen sowie innerörtliche Bestands- und Analysekarten für alle Ortsteile erstellt und Potenziale abgeleitet, die in das Gemeindeentwicklungskonzept „Zukunftsstrategie Igersheim 2030+“ mündeten.
Zukunftsstrategie „Igersheim 2030+“
Auslöser für die Erstellung eines Gemeindeentwicklungskonzepts war die Ortskernsanierung. Eine weitere Aufstockung der Fördermittel war nur noch dann möglich, wenn ein sogenanntes integriertes Stadtentwicklungskonzept vorliegt. Im Rahmen des Projektes Zukunftsstadt hatte die Gemeinde lgersheim nun die Möglichkeit, ein umfassendes Entwicklungskonzept zu erarbeiten, in dem nicht nur städtebauliche Aspekte betrachtet wurden, sondern auch soziale Aspekte einfließen sollten. Das bestehende Audit „Familiengerechte Kommune“ wurde integriert, um auch soziale Handlungsfelder zu untersuchen. Im Vordergrund stand die Suche nach Antworten für lgersheim auf Fragen wie zum Beispiel die demografischen Veränderungen in unserer Gesellschaft, Migration und Integration, die Zufriedenheit und Zugehörigkeit zum Wohnort, Mobilität, Bindung junger Menschen an die Gemeinde oder auch die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten für Jung und Alt.
Der Entwicklungsprozess war geprägt von intensiver Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerworkshops und einer Umfrage unter allen Einwohnerinnen und Einwohnern ab 16 Jahren sowie allen ab dem 1. Januar 2013 aus lgersheim fortgezogenen Bürgern ab 16 Jahren.
Der Gemeinderat wurde regelmäßig über die Zwischenergebnisse informiert. „Wir freuen uns über die Ergebnisse, die letztendlich aus den Bürgerworkshops, der Bürgerbefragung und der demografischen sowie städtebaulichen Bestandsanalyse gewonnen werden konnten. Mit dem Gemeindeentwicklungskonzept ist eine nachhaltige und ganzheitliche Vision 2030+ in Zusammenarbeit mit Bürgern, Wissenschaft und Forschung, Gemeinderäten und der Verwaltung entstanden.“, fasst Bürgermeister Meinkheim den Prozess zusammen.
Dieses Jahr (2023) wurden die Bestands- und Analysekarten aus der Zukunftsstrategie aktualisiert. Um den Flächenverbrauch einzudämmen, soll der Fokus noch mehr auf die Innenentwicklung gerichtet werden. Die Gemeinde Igersheim befasst sich daher mit den grundsätzlichen Fragestellungen: Wo liegt der Wohnbedarf der nächsten Jahre? Wie erreichen wir eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und welche Entwicklungen sind bei den Bestandsimmobilien zu erwarten?
Hierfür wurden neben dem Hauptort alle Ortsteile und Weiler untersucht und die innerörtlichen Potenziale in Form von Leerständen, Teilleerständen und Freiflächen erfasst und kartiert. Auch wurden die Altersdaten der Bewohner und die aktuelle Gebäudenutzung ausgewertet. In der Zusammenschau gibt es 43 Leerstände in der Gesamtgemeinde Igersheim. 31 davon sind Wohngebäude. Die Teilleerstände umfassen insgesamt 183 Gebäude und sind in allen Ortsteilen in den Altorten zu finden. Durch die Unternutzung besteht ein enormes Gebäudepotenzial, aber auch viel gebundene Fläche.
Potenzial für Generationenwechsel
Die fortschreitende Überalterung stellt für die Gemeinde ebenfalls eine Herausforderung dar. Insbesondere im Hauptort wird sich bei zahlreichen Gebäuden kurz- bis mittelfristig eine Veränderung ergeben. Auch in den Ortsteilen Harthausen und Neuses ist auf diese Gebäude ein Fokus zu richten. In diesen klassischen Einfamilienhausgebieten liegen mitunter sehr große Grundstücksgrößen vor. Diese stellen ein Potenzial für einen Generationenwechsel dar, sofern ein Angebot an kleinen, barrierefreien und auch betreuten Wohnungen vorliegt. Die Gesamtgröße der Freifläche im Innenbereich liegt bei 2,9 Hektar. Hemmender Faktor ist hier, dass viele Flächen in Privatbesitz sind. Zu einer Aktivierung sind zuerst die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer, Grundstückserwerb und gegebenenfalls Flächenneuordnung sowie -erschließung notwendig.
Die leerstehenden Wohngebäude bieten das größte Potenzial, da diese sofort verfügbar wären, sofern die Bereitschaft der Eigentümer besteht. Die Gemeindeverwaltung plant daher in Kürze die Befragung der Eigentümer zu deren künftigen Nutzungsabsichten.
Bürgerumfrage zu Wohnen im Alter
Auch hinsichtlich des fortschreitenden demografischen Wandels hat die Gemeinde das Thema im Fokus und bereits Aktionen gestartet. Ende 2022 wurde an die Ergebnisse aus der im Jahr 2015 im Rahmen der „Zukunftsstrategie Igersheim 2030+“ durchgeführten Bürgerbefragung angeknüpft und alle Einwohner ab einem Alter von 55 Jahren befragt. Ziel war es, herauszufinden, wie sich die Zufriedenheit in verschiedenen Bereichen seit der letzten Befragung entwickelt hat und wo noch Handlungsbedarf besteht. Die Befragung legte zudem einen besonderen Schwerpunkt auf die persönliche Wohnsituation sowie die Aufgeschlossenheit und das Interesse an neuen Wohnformen im Alter.
Ein in Zusammenarbeit mit der STEG Stadtentwicklung durchgeführter Bürgernachmittag am 25. März 2023 knüpfte an die Befragung an und führte den Beteiligungsprozess fort. Die Resonanz auf die Veranstaltung war äußerst positiv. Circa 50 Interessierte nahmen am Workshop teil. Die Gemeinde hat im Ortskern ein Grundstück erworben, das sich für die Umsetzung eines Bauprojekts eignen würde, das sich speziell an den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung ausrichtet. Zusammen mit interessierten Igersheimer Bürgern soll hierfür ein Konzept entwickelt werden.
Das Gemeindeentwicklungskonzept „Igersheim 2030+“ war auch eine wichtige Basis für die weitere Konkretisierung der Entwicklungschancen und -möglichkeiten des Kernortes Igersheim. Im Rahmen eines Städtebaulichen Rahmenplans wurden die Ziele für den Kernort und das Ortszentrum in ein räumlich-funktionales Leitbild überführt. Dabei stand die Untersuchung des zentralen Ortskerns im Fokus.
Im Oktober 2017 befasste sich zunächst der Igersheimer Gemeinderat mit der Idee zur Erstellung eines solchen Rahmenplans. Die unterstützenden Ingenieurbüros Haines-Leger aus Rimpar und Dreikant aus Weikersheim stellten erste Untersuchungen zur Situation in Igersheim vor und erläuterten die Vorgehensweise für die Aufstellung eines Rahmenplans.
Städtebaulicher Rahmenplan
Nächster Schritt war die Durchführung einer „Bürgerwerkstatt“ im März 2018. Über 70 aktive Teilnehmer sammelten Ideen und machten sich Gedanken, mit welchen Projekten die Entwicklung Igersheims in den kommenden Jahren positiv beeinflusst werden kann. Insbesondere die Ortsmitte, der Möhlerplatz, wurde dabei betrachtet, aber auch die Rolle des Tourismus in der Gemeinde.
Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt wurden von den Ingenieurbüros dokumentiert, und der Gemeinderat befasste sich kurz darauf in einer Klausursitzung damit. Ende April 2018 schließlich stellte sich der Rat in öffentlicher Sitzung einstimmig hinter den erarbeiteten Städtebaulichen Rahmenplan und priorisierte auch gleich die Projekte, die zeitnah angegangen werden sollten. Dies waren ein Verkehrs- und Gestaltungskonzept für den Möhlerplatz, ein Bebauungs- und Nutzungskonzept für Gebäude Möhlerplatz 2, Parken in der Ortsmitte, Neubau eines Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage in der Ortsmitte und Einrichtung eines Bürgerladens im ehemaligen „Schlecker“ am Möhlerplatz.
In den folgenden Jahren bis heute setzte die Gemeinde im Hauptort Igersheim und den Ortsteilen diese und etliche andere Maßnahmen um, bei denen innerörtliche Areale und Objekte modernisiert, nutzbar und attraktiv gemacht wurden. Für viele Projekte gab es Zuschüsse aus der Städtebauförderung. Für die Jahre 2018 bis 2022 hat es die Gemeinde mit einer überzeugenden Bewerbung beim Regierungspräsidium Stuttgart erreicht, als Schwerpunktgemeinde im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) anerkannt zu sein. Dadurch wurden die Anträge der Gemeinde Igersheim prioritär gefördert und gemeinwohlorientierte Projekte erhielten einen um zehn Prozent erhöhten Fördersatz. Somit konnten zahlreiche Projekte zur Stärkung der Ortszentren und des Miteinanders umgesetzt werden:
- die Modernisierung des Gemeindehauses und des Dorfplatzes in Harthausen
- die Neugestaltung des Dorfplatzes Neuses
- die Modernisierung des Dorfgemeinschaftshauses in Bernsfelden und Anbau einer Fahrzeughalle für die Feuerwehr
- Bereits bewilligt und in Kürze umgesetzt wird die Neugestaltung des Dorfplatzes in Bernsfelden.
Mit den Zuschüssen wurden im Ortsteil Harthausen zudem ehemalige, bereits seit Jahren leerstehende, große Hofstellen durch die Gemeinde erworben, abgebrochen und die Flächen einer Neuordnung zugeführt.
Dadurch ist das Baugebiet „Kirchblick“ im Ortskern von Harthausen mit attraktiv zugeschnittenen Bauplätzen ohne neue Flächenversiegelung entstanden. Auch private Eigentümer profitierten von den Fördermitteln, indem sie durch Umnutzung neue Wohneinheiten schufen oder vorhandenen Wohnraum umfassend modernisierten.
Auszeichnungen durch „Initiative Baukultur“
Dass die Gemeinde Igersheim und ihre Bürger ihren Wohnort positiv voranbringen, wurde 2023 sogar ausgezeichnet. Mit den Projekten Sanierung und Neugestaltung von Bahnhofsumfeld, Bad Mergentheimer Straße und Möhlerplatz sowie dem Umbau der alten Schule zum Gesundheitszentrum bewarb sich die Gemeinde bei der regionalen „Initiative Baukultur Hohenlohe-Tauberfranken“, mit der das Ministerium für Landentwicklung und Wohnen und die Architektenkammer beispielhafte Vorhaben hervorheben wollen [ www.baukultur-bw.de ]. Beide Igersheimer Projekte wurden im Frühjahr 2023 ausgezeichnet, sowie zusätzlich im Weiler Holzbronn der von einem Bürger betriebene Umbau einer landwirtschaftlichen Hofstelle zu einer Brauerei mit Gastraum und Hofladen.
Igersheim nutzt das Instrument der Städtebauförderung bereits seit 1977 mit viel Engagement und sehr großem Erfolg. Bis heute wurden der Gemeinde Fördermittel in Höhe von circa 12,2 Millionen Euro bewilligt. Für die städtebauliche Erneuerungsmaßnahme „Ortskern III“, die seit 2011 läuft, gab es kürzlich weitere Zuschüsse in Höhe von 900 000 Euro. Zahlreiche private (rund 90 abgeschlossene Baumaßnahmen) sowie öffentliche Projekte wurden bereits umgesetzt. Die Gemeinde arbeitet intensiv daran, dass diese Dynamik bis zum Ende des Sanierungszeitraums anhält und ein lebendiger Ortskern entsteht. Mithilfe der Städtebauförderung wurden bereits diverse Gebäude und Straßen saniert:
- Umnutzung der ehemaligen Grundschule zum Gesundheitszentrum
- Projekt „Neues Parken in der Ortsmitte“ mit Errichtung einer Tiefgarage
- Umbau/Errichtung Gastronomie mit Übernachtungsmöglichkeiten am Möhlerplatz*
- Neugestaltung Möhlerplatz
- Neugestaltung Straßenraum Bad Mergentheimer Straße
- Sanierung Erlenbachhalle und Einbau der Kindertagesstätte Artikus im Obergeschoss
- Einrichtung des BürgerLädle mit Postfiliale
- Umnutzung Gewölbekeller der Zehntscheune zum Kulturkeller
- Energetische Erneuerung und Umbau des Jugend- und Kulturzentrums J.U.K.I.
- Energetische Erneuerung und barrierefreier Umbau Rathaus
Im Jahr 2024 soll die Sanierung der Burgstraße als weitere kommunale Maßnahme im Rahmen der Ortskernsanierung folgen. Zudem ist die Sanierung der Bahnhofsstraße in Zusammenhang des durch die Deutsche Bahn geplanten Umbaus des Bahnübergangs vorgesehen.
bc/gi
Handlungsfeld
Innenentwicklung und Potenzialflächen
„Gemeindeentwicklung mit Potenzialflächen zielt darauf ab, den Lebensraum beziehungsweise Verwirklichungsraum attraktiv und funktional zu gestalten und zugleich nachhaltig zu entwickeln.
Ziel ist die langfristige Mobilisierung von Bestandspotenzialen durch Reaktivierung von leerstehenden Wohnungen, Wohngebäuden und Nebengebäuden sowie potentziellen innerörtlichen Bauplätzen.
Auch neue Wohnformen, wie zum Beispiel Minihäuser und Senioren-WGs, sowie ein kreativer sozialer Wohnungsbau oder der hochwertige barrierefreie Geschosswohnungsbau sollen gefördert werden.
Igersheim verfolgt diese Ziele in einem städtebaulichen Rahmenplan.“
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