Serie „1955 – als es in Hardheim voranging“ (Teil 1)

Vom Marstall und seiner Geschichte

Bis 1954 war im Erdgeschoss mit gotischem Gewölbe eine Milchausgabestelle der Mannheimer Milchzentrale eingerichtet.

Von 
Hans Sieber
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Der Marstall in Hardheim. © Yannick Baumann

Hardheim. Über die Geschichte des Marstalles und seine unterschiedliche Verwendung im Laufe der Zeit ist hinreichend geschrieben worden. Darum soll diese Beschreibung den Stand nach dem letzten Heimatbuch der Gemeinde aus 1983/84 beginnen und bis in die heutige Zeit fortführen.

Robert Hensle berichtet darin ab der Seite 58, dass „in einem weiteren Umbau zu einem Schwesternhaus mit Nähschule“ auch eine innenliegende Treppe eingerichtet wurde. In welchem Jahr das geschah ließ er allerdings offen, erinnert aber auf Seite 60, dass in 1972 Sanierungsarbeiten stattfanden, um Risse im Mauerwerk und den Überhang an der Ecke des Treppenaufgangs zu sanieren. In 1984/85, so führt er weiter aus, habe man das Gebäude isoliert sowie die steinernen Treppen und Geländer restauriert.

Die umfangreichsten Veränderungen wurden allerdings in 1955 durchgeführt. Neben der Nähschule, die von einer Ordensschwester der Gegenbacher Franziskanerinnen geleitet wurde, wurden im Oberschoss zwei Schulräume eingerichtet, die durch eine Faltwand getrennt, auch zu einem großen Raum umgestaltet werden konnten.

Bis 1954 war im Erdgeschoss mit dem gotischen Gewölbe eine Milchausgabestelle der Mannheimer Milchzentrale eingerichtet, wo Landwirte mit großen Milchkannen ihre Milch abliefern und Nichtlandwirte sich mit Milchkännchen ihren häuslichen Bedarf holen konnten. Diese Stelle wurde Ende der 1950er Jahre in das ehemalige Schulhaus gegenüber der Kirche, zwischen dem Anwesen Bauer/Huss und Albert Leiblein (inzwischen abgebrochen) gelegen, verlegt.

Im anderen Teil der Räume im Erdgeschoss des Marstalls waren wöchentlich einmal Bedienstete des Arbeitsamtes anwesend, um in den Wintermonaten den zahlreichen Arbeitslosen, die wegen der Witterungsverhältnisse im Baugewerbe nicht arbeiten konnten, ihre Arbeitslosenunterstützung auszuzahlen. Land-läufig sprach man davon, dass diese Arbeitnehmer „stempeln“ würden. Das persönliche Erscheinen war Pflicht und die Auszahlungsbeträge wurden in einem amtlichen Kontrollheft abgestempelt.

Gleich nach dem Kriege dienten die Räume in den oberen Geschossen auch als Wohnungen für Vertriebene und Evakuierte.

Nach dem Umbau und dem Auszug der Milchsammelstelle diente das Untergeschoss des Marstallgebäudes als Gruppenraum für die katholische Jugend und ab 1980 als Gemeindearchiv.Im Parterre befand sich das Archiv des Grundbuchamtes

Nach dem Neubau des Schulzentrums waren die beiden Schulräume im Marstall nicht mehr als Klassenzimmer notwendig. Dafür wurden Amtsräume daraus und dienten dem Grundbuchamt, das bisher in Erdgeschoss des Schlosses untergebracht war, fortan als Domizil. Darin befand sich auch das Dienstzimmer des beamteten Notars vom Notariat Walldürn. Im Parterre befand sich das Archiv des Grundbuchamtes.

Infolge einer Reform wurde das Grundbuchamt zum 31.12.2017 aufgelöst und in Tauber-bischofsheim für die Landkreise Neckar-Odenwald und Main-Tauber zentralisiert. Es blieb fortan eines der 13 Grundbuchämter im Bundesland zusammen mit dem Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim für die Papierunterlagen.

Im Bürgermeisteramt in Hardheim verblieb lediglich eine Einsichtsstelle. Damit endete die einhundertjährige Geschichte des Grundbuchamtes; nachdem Baden-Württemberg als einziges Bundesland bis dahin noch Amtsnotare hatte, wurde deren Tätigkeit künftig im freien Beruf weitergeführt.

Nach jahrelangem Leerstand der Archivräume wurde daraus ein „Trauzimmer“, das nach dem Auszug der Ordensschwestern zunächst in der ehemaligen Nähschule eingerichtet war, für die standesamtlichen Eheschließungen eingerichtet, um gehbehinderten Menschen einen leichteren Zutritt zu ermöglichen. Dieser Raum wurde zum Wendelinusmarkt am 22.10.2023 eingeweiht und mit einem Tag der offenen Tür der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die ehemaligen Amtsräume im Obergeschoss wurden danach für Vereine genutzt.

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